Umstrittenes Hafenbauprojekt Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) hat begonnen.

Seit dem Bau des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven vor vier Jahren mehrt sich die öffentliche Kritik an neuen Hafenprojekten in Norddeutschland, die in der Vergangenheit meist weiteres wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in den zum Teil abseits gelegenen norddeutschen Regionen bedeuteten.

So ist Deutschlands einziger Tiefwasserhafen, nach einer verspäteten Fertigstellung noch immer nicht so richtig in Fahrt und steht aufgrund der fehlenden Auslastung weiterhin in der öffentlichen Kritik. Seinerzeit wurden Kapazitäten für ein jährliches Umschlagsvolumen von rund 2,7 Millionen TEU geschaffen, im Jahr 2014 wurden dort mal gerade 76.000 TEU umgeschlagen und für das Jahr 2015 erwartet man ein gesteigertes jährliches Umschlagvolumen von 500.000 TEU.

Kein anderes aktuelles norddeutsches Hafenbauprojekt sorgt aktuell aber für mehr kontroverse Diskussionen, wie der Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB). Befürworter und Gegner des Projektes bringen immer wieder neue Argumente für und gegen das rund 180 Millionen Euro teure Projekt vor, das vom Bundesland Bremen selbst finanziert wird, nachdem sich kein privater Investor gefunden hatte. Viele Kritiker sind der Meinung, dass das Projekt viel zu spät realisiert wird.

OTB bietet Liegeplatz für bis zu drei Errichterschiffe

Offshore-Errichterschiff bei einer Verladung von Großkomponenten.
Offshore-Errichterschiff bei einer Verladung von Großkomponenten (Tripoden). © Christian Eckardt

Auf dem 25 Hektar großen OTB sollen Windenergieanlagen vormontiert, gelagert und umgeschlagen werden. Die 500 m lange Kaje direkt in der Weser wird dabei Platz für bis zu drei Offshore-Errichterschiffe bieten. Der OTB ist für den Umschlag von Windenergiekomponenten mit einem Gewicht von mehreren hundert Tonnen und von Rotorblättern mit einer Länge von mehr als 60 m konzipiert, die vor Ort von Herstellern wie Senvion oder Adwen produziert werden. Weiterhin stehen im Hinterland des OTB Flächen mehr als 200 Hektar für Gewerbeansiedlungen zur Verfügung.

250 Seiten langer Planfeststellungsbeschluss

Am 30. November 2015 wurde von der oberen Wasserbehörde beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr in Bremen der so genannte Planfeststellungsbeschluss für den OTB erlassen, der im Dezember 2012 von der Hafengesellschaft bremenports im Auftrag des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen beantragt worden war. Dieser legt nun auf mehr als 250 Seiten alle planungsrechtlichen Details für den Bau des OTB fest. Der Beschluss enthält neben einer ausführlichen Begründung für den Bedarf des Terminals, eine Fülle von Vorgaben und Festlegungen zur Bauausführung und zur Schaffung einer Ersatzreede wobei sich der ausführlichste Teil des Beschlusses mit dem Thema Kompensationsmaßnahmen für den Eingriff in die Natur befasst.

Hafensenator sieht Chancen für tausende Arbeitsplätze

Bremens Hafensenator Martin Günthner erklärte: „der Offshore-Terminal Bremerhaven ist ein zentrales Zukunftsprojekt des Landes Bremen. Der Bau im Blexer Bogen findet in einem sensiblen

Luftbild von Bremerhaven mit der Dartstellung des OTB am rechten Bildrand
Luftbild von Bremerhaven mit der Dartstellung des OTB am rechten Bildrand. © Bremenports

Naturraum statt. Zudem mussten in den Planungen komplexe nautische Probleme gelöst werden.“ Günthner betonte weiter, dass Bremerhaven nach seiner Meinung nun auf dem Weg zu einer europäischen Hauptstadt der Offshore-Windenergie ein gutes Stück vorangekommen sei. „Bremerhaven muss auch regionalwirtschaftlich maximal von der Energiewende profitieren. Mit dem OTB haben wir gute Chancen, dass in Bremerhaven mehrere tausend Arbeitsplätze neu entstehen“ betonte Günthner.

Die Bremer Landesregierung hatte im Dezember 2012 den Bau des OTB beschlossen, für den eine Bauzeit von drei Jahren geplant ist. Die Entscheidung für den jetzigen Standort am Blexer Bogen war vor allem nach Abstimmung mit den Naturschutzbehörden getroffen worden. Die ursprünglich favorisierte Planung sah zunächst einen Standort weiter südlich am Erdmannsiel vor, an dem der Bau planerisch einfacher zu realisieren gewesen wäre. Für den künftigen Betrieb des OTB wurde mit der BLG Logistics Group Bremen ein unterschriftsreifer Vertrag ausgehandelt. Auch hier erfolgte ein europaweites Ausschreibungsverfahren, an dem sich drei Bewerber beteiligt hatten. Da der Planfeststellungsbeschluss für sofort vollziehbar erklärt wurde, wurden noch am 30. November mit ersten baulichen Maßnahmen wie der Baustelleneinrichtung und der Errichtung von Baustraßen begonnen. Die Auftragserteilung für das Bauhauptwerk erfolgte im Dezember, wobei für die Vergabe der Bau-Lose ein europaweites Vergabeverfahren durchgeführt wurde.

Regionalflughafen muss Anfang März 2016 schließen

Mit dem Baubeginn des OTB schlägt auch die letzte Stunde des vor 20 Jahren mit Steuergeldern umfangreich umgebauten und sehr erfolgreichen Regionalflughafens Bremerhaven-Luneort, dessen Einflugschneise sich mitten im Baufeld des OTB befindet. Nunmehr muss nach einer Verfügung der Luftfahrtbehörde der Flugplatz bis zum 2. März 2016 geschlossen werden. Bis dahin wird der im Helgoland-Verkehr tätige Ostfriesische Luftdienst (OFD) nach Nordholz ziehen, wo für rund 1,8 Millionen Euro neue Flugzeughangars entstehen. Der Motorsegler-Club wird hingegen auf die andere Weserseite nach Blexen übersiedeln müssen.

Massive Kritik gegen den OTB

Vordeichgelände mit Windrad vor Baubeginn des zukünftigen OTB.
Vordeichgelände vor Baubeginn des zukünftigen OTB. © Christian Eckardt

Umweltschützer, Marktbeobachter und ein Wirtschaftswissenschaftler sehen den Bau des OTB kritisch. Sie bezweifeln, dass mit dem Bau neue Firmen aus der Windenergiebranche in Bremerhaven ansiedeln. Weiterhin hat sich die Marktlage inzwischen verändert, da Großanlagen, wie die so genannten „Tripoden“ als Fundamente für Windkraftanlagen nicht mehr zum Einsatz kommen. Mit dem Konkurs von Weserwind ist der ursprüngliche Hauptnutzer des OTB nicht mehr vorhanden, so sieht es auch der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Auch befürchten die Kritiker, dass die berechneten Kosten deutlich überschritten werden können. Eine Bürgerinitiative plant noch einen Volksentscheid gegen das Projekt, sie möchte erreichen, dass der Bau gestoppt wird und kein öffentliches Geld in das Projekt fließt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) unterstützt die Petition. Aus seiner Sicht wird durch den Bau ein wertvolles Stück Weserwatt und ein wichtiges Vogelbrut- und Rastgebiet unwiederbringlich zerstört.

BUND erhebt Klage gegen OTB

Wie zu erwarten hat der BUND zwei Tage nach Vorlage des Planfeststellungsbeschlusses eine Klageschrift gegen den OTB verfasst, wobei vorrangig die Sinnhaftigkeit des OTB-Konzeptes und die Bedarfsbegründung für den Offshore-Hafen im Vordergrund steht, die nach Ansicht des BUND seit Monaten nicht mehr gegeben ist. Die Gutachten des Senats arbeiten mit völlig unrealistischen Grundannahmen und rechnen Marktpotenziale herbei, die ein märchenhaftes Wachstum des Standortes bedeuten würden. Doch die Realität sieht nach Auffassung des BUND bedauerlicherweise ganz anders aus, da Bremerhaven seit mindestens zwei Jahren nicht nur Marktanteile verliert, sondern auch mit Firmenschließungen zu kämpfen hat. Die Entscheidung von Siemens für den Produktionsstandort in Cuxhaven statt Bremerhaven stellt das endgültige argumentative Aus für den OTB, so der BUND. Die geplante Funktion des OTB als Sammel- und Vormontagehafen haben längst andere Häfen um die Nordsee besetzt.

Wir haben Bremenports bereits aufgefordert uns zuzusagen, dass bis zur Entscheidung im Eilverfahren keine Baumaßnahmen im Blexer Bogen erfolgen“, erklärt BUND-Geschäftsführer Martin Rode. Rode sieht den OTB keineswegs als alternativlos an: „Bessere Alternativen zur Stärkung des Standorts Bremerhaven sind gefragt. Wir schlagen vor, ein Energiespar- und Effizienzprogramm für die öffentlichen Gebäude Bremerhavens aufzulegen, die Hochschule Bremerhaven mit dem Schwerpunkt nachhaltige Meerestechnik auszubauen und den Sanierungsstau
in den Bremerhavener Hafenanlagen endlich abzubauen“.

Bauschild des OTB am Bremerhavener Seedeich mit der Darstellung des neuen Terminals.
Bauschild des OTB am Bremerhavener Seedeich mit der Darstellung des neuen Terminals. © Christian Eckardt

Offshore-Terminal in Zahlen

Kajenlänge: 500 m
Liegeplätze: 2 bis 3
Gesamtfläche: ca. 25 ha
Sollwassertiefe: -14,10 m NN (tideunabhängig)
Schwerlastbereich 500 m lang, 35 m tief, schwerlastfähig bis 10 to/m²
Terminaltiefe: max. 498 m

Vorheriger ArtikelKunststoffabfälle von AWI-Forschern auch in der Arktis nachgewiesen
Nächster ArtikelPORT 2 wird zum Mehrzweckbinnentanker umgebaut.
Christian Eckardt
Redaktionsmitglied bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schifffahrt und Offshoretechnik.