Die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG) in den beiden Weltkriegen

Das 1912 erbaute Schaufelradschiff Schönbrunn
Das 1912 erbaute Schaufelradschiff Schönbrunn. Foto: Wikipedia

Danach war immer Neuaufbau und Neuorganisation erforderlich

Es war die initiative und weitblickende Unternehmensführung der 1829 gegründeten Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG), dass sie im 19. Jhdt. Innerhalb von Jahrzehnten zu einer der größten Binnenreedereien der Welt aufgestiegen war. Allerdings waren auch vor 1914 finanzielle und andere Krisen nicht ausgeblieben.

Wappen ĂĽber dem Einstieg der Prinz Eugen mit DDSG-GrĂĽndungsjahr 1829.
Wappen ĂĽber dem Einstieg der Prinz Eugen mit DDSG-GrĂĽndungsjahr 1829. Foto: Wikipedia

Während des Ersten Weltkrieges war der Donauraum (im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg) ständig Kriegsschauplatz, in dem die Schifffahrt weiter operieren musste. Der Österreichisch-Ungarische Generalstab hatte diese Entwicklung spätestens seit der Annexionskrise von 1908 (als das 1878 von österreichischen Truppen okkupierte Bosnien-Herzegowina, für das der türkische Sultan weiterhin offizielles Staatsoberhaupt war, 1908 definitiv von der Donaumonarchie annektiert wurde) vorausgesehen und gewisse Vorkehrungen getroffen – dabei waren die Verpflichtung der DDSG im Mobilisierungs- und Kriegsfall genau festgelegt worden. Zu Kriegsbeginn musste die DDSG eine kleinere Anzahl von Schiffen sofort direkt dem zuständigen Marinekommando übergeben und ihre ganze Flotte zur Verfügung der Militärverwaltung halten. In der Generalstabsplanung waren genaue Berechnungen über die Transportkapazitäten angestellt worden. Die militärische Bedeutung der Donauschifffahrt zeigte sich darin, dass sie bei Talfahrt in der Hauptaufmarschrichtung gegen Serbien die rasche Dislozierung relativ großer geschlossener Verbände ermöglichte, so dass zeitgleich große Mengen rollenden Materials für andere Zwecke frei wurden.

Im Sommer 1914 wurden die Planungen und Vorbereitungen Wirklichkeit. 16 Dampfer und ein Motorschiff wurden direkt  in die Donauflotille eingegliedert, drei weitere Schiffe dienten gemeinsam mit bis zu 13 Schleppkähnen als Spitalsschiffe und versorgten über 40.000  österreichische und über 19.000 deutsche Soldaten, sowie über 8000 Patienten von Feindstaaten. Ein Schleppkahn wurde 1917 als „Bade-, Desinfektions- und Entlausungsschiff“ ausgerichtet mit einer Tageskapazität von bis zu 1500 Mann. Die DFS  „Hebe“ und „DFS „Erzherzog Franz Ferdinand“ waren 1918 die letzten Fahrzeuge, die mit K. und K. Militärangehörigen an Bord mit der rot-weiß-roten Flagge unter dem Doppeladler fuhren.

Neben den unter schwierigsten Bedingungen oft im Kriegsgebiet abzuwickelnden Militärtransporten wurde der zivile Verkehr in erstaunlichem Maß aufrechterhalten. Hiebei ereigneten sich – abgesehen von reinen Kriegseinsätzen – die beiden größten Unglücke der Donauschifffahrt. Am 10. April 1917 kollidierten nahe von Budapest das Linienschiff DFS ZRINYI mit dem unbeleuchtet fahrenden Schraubenschlepper VIKTORIA, 163 Menschen fanden den Tod. Die gehobene ZRINYI, zunächst in OSIJEK und dann in MINERVA  unbenannt, sank später am 11. April 1927 beim Kazan-Pass im Bereich des Eisernen Tores, konnte aber gehoben und instand gesetzt werden und war bis 1954 in Betrieb.

Die zweite Katastrophe erfolgte am 7. April 1918. Der im Kurs Mohacs-Budapest eingesetzte Dampfer DRINA kollidierte kurz nach Mitternacht mit der die Linie Budapest-Semlin befahrenden SOPHIE; die DRINA wurde an das Ufer geworfen, das Vorderschiff sank auf Grund, es gab mindestens 62 Tote. Beide Schiffe wurden nach ihrer Reparatur wieder in Dienst gestellt, die DRINA bis 1928, die 1938 in MELK umbenannte SOPHIE bis 1955.

Die DDSG gründete 1917 gemeinsam mit der ungarischen Reederei MTFR die Königlich Bulgarische Schifffahrts AG „DUNAV“, womit die nationale bulgarische Schifffahrt ins Leben gerufen wurde.

Das Ausscheiden Bulgariens aus dem Weltkrieg (Waffenstillstand mit den Alliierten vom 30. Sept. 1918) und der dann folgende Zusammenbruch der Mittelmächte im Spätherbst des gleichen Jahres schnitt nicht nur die Donauflotille, sonder auch eine große Zahl von DDSG-Schiffen auf der unteren Donau von ihren Heimathäfen ab. Dass fast alle diese Fahrzeuge dennoch ihre Heimat erreichen konnten, ist eine der letzten großen Leistungen der altösterreichischen Marine. Ebenso beachtlich war die Loyalität der DDSG-Besatzungen im einsetzenden Auflösungsprozess der Donaumonarchie. Nicht wenige Schiffe wurden von nationalstaatlichen Organen gewaltsam festgehalten und beschlagnahmt, kaum eines freiwillig übergeben. Oft waren sich die verschiedenen Sprachgruppen bzw. Nationen angehörigen Mannschaften uneinig, wem die Schiffe zugeführt werden sollten.

Mit dem Verzicht Kaiser Karls I auf die Teilnahme an den Regierungsgeschäften am 11. Nov. 1918 (eine formelle Abdankung des Herrschers ist nie erfolgt) endete auch die Beifügung „K.K.Privilegiert“ beim Unternehmen DDSG.

Die Folgen des Zusammenbruches der Monarchie stellte die Welt und somit auch die DDSG vor völlig neue Situationen und Krisen, die praktisch bis 1955 (!) andauern sollten. Zweimal stand die Existenz der Gesellschaft als österreichisches Unternehmen auf dem Spiel, mehrmals sogar ihr Weiterbestand. Kaum zeichnete sich in den späten 30ige Jahren des 20. Jhdts. nach einer internen Reorganisation eine wirtschaftliche Verbesserung der Lage ab – die Bilanzen der DDSG blieben länger verlustfrei – brach das Jahr 1938 mit der Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland herein und eineinhalb Jahre später der Zweite Weltkrieg.

Bereits am ersten Arbeitstag nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, also am 14. März 1938, strecke Berlin seine Hand  nach der DDSG aus. Nicht genehme Mitarbeiter, insbesondere jüdischer Herkunft, wurden entlassen und ihre Funktionen von Nazi-Sympathisanten übernommen. Mit der Bestellung eines Deutschen zum neuen Generaldirektor am 18. März wurde Eingliederung der DDSG in die deutsche Wirtschaft besiegelt. Es kam praktisch zu einer „Verstaatlichung“ der DDSG und ihre Einbindung als Tochtergesellschaft der AG für Binnenschifffahrt Hermann Göring in den Konzern der AG Reichswerke Hermann Göring auf der Grundlage des deutschen Aktienrechtes. Im Vorstand waren neben dem deutschen Generaldirektor noch einige Österreicher vertreten, im Aufsichtsrat hauptsächlich „Reichsdeutsche“.

Ein Modernisierungsprogramm wurde umgesetzt (u.a. Umstellung von Dampfern auf Ă–lfeuerung, Bau zweier neuer Passagierschiffe und andere Projekte).Ein neues Zugschiff wurde der Kriegsmarine ĂĽbergeben.

Hitlers Expansionspläne und die zu erwartenden kriegerischen Auseinandersetzungen erforderten den raschen Ausbau auch der Donauschifffahrt, dem das sog. Donau-Neubauprogramm und –sofortprogramm dienen sollte. Hunderte Fahrzeuge sollten in allen unter deutscher Kontrolle stehenden Werften neu gebaut werden, wobei die DDSG als federführende  Stelle ausersehen wurde.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. Sept. 1939 und auch der Ausbruch der Feindseligkeiten im Balkanraum 1941 bedeuteten eine ungeheure Steigerung der Aufgaben der Donauschifffahrt. Aber nur wenige Fahrzeuge wurden direkt der Kriegsmarine unterstellt, Transportaufgaben meist von „zivilen“ Reedereien bzw. Reederei-Gruppen durchgeführt und auch bezahlt. Von den großen Flottenprogrammen wurden unter immer schwierigeren Bedingungen viele in die Tat umgesetzt, so z.B. der Bau bzw. die Bereitstellung von Zugschiffen, darunter 24 für die DDSG. Einige Flussschiffe aus dem „Altreich“ wurden von Rhein, Elbe und Oder an die Donau verlegt, so dass die DDSG 15 weitere Zugschiffe erhielt. Neben dem Bau von Donauschiffen wurden die Donauwerften immer mehr zur Reparatur von im Schwarzen Meer operierenden Fahrzeugen der Kriegsmarine herangezogen, die Werften bauten aber auch Fahrzeuge für die Kriegsmarine, Räumboote und verschiedene Hilfsfahrzeuge.

Mit der Ausweitung des deutschen Einflusses auf den ganzen Donauraum gerieten auch Fahrzeuge verschiedener kleiner Reedereien am Unterlauf der Donau in deutsche Hand. Der Feldzug gegen die UdSSR steigerte die Bedeutung der Donauschifffahrt für die deutsche Kriegsführung weiter,  da die Donau einen wichtigen Versorgungsweg für die im Süden der UdSSR operierenden Truppen  bildete und aus den besetzten Gebieten Lebensmittel, Rohstoffe, darunter Erze und Rohöl (letzteres bes. aus Rumänien) herangeschafft wurden. Wegen Fehlens von Seetonnage mussten Donaufahrzeuge auch im Schwarzen Meer zum Einsatz kommen – zeitweise bis Rostow am Unterlauf des Don – auch wenn die Feindeinwirkung hierfür ein großes Problem darstellte.

Auch andere Aufgaben wurden an die DDSG herangetragen, so z.B. die Bewirtschaftung und Instandsetzung der Werften in Nikolajew und Cherson, verbunden mit den dafür notwendigen bürokratischen Rahmenerfordernissen. Aber den durch laufenden Verluste und wachsende Ausgaben steigenden Bedarf an Schiffsraum konnten die Donauwerften auf Dauer nicht mehr decken, dennoch wurden immer neue Programme und Pläne für neue Schiffe entworfen. Auch die Bergwerke der DDSG standen damals im verstärkten Einsatz und wurden laufend erweitert. All dies führte zu einem gewaltigen Anstieg des DDSG-Personalstandes (Ende 1942 fast 13.000 Mitarbeiter). Auch die finanzielle Lage des Unternehmens war recht gut, so dass laufend Dividenden ausgeschüttet werden konnten.

Der Fall von Stalingrad im Februar 1943 und der unaufhaltsame Truppenrückzug der Deutschen im Anschluss daran leitete den Untergang  der deutsch-österreichischen Donauflotte ein, beschleunigt durch die Zusammenbruch Rumäniens Ende August 1944, nachdem schon vorher Verteidigung und Räumung der Krim schwere Verluste gefordert hatte. Dazu kamen die zunehmenden Schiffsverluste auf der Donau selbst als Folge von Artillerieeinwirkungen und Verminung des Stromes (die Minen wurden von alliierten Flugzeugen in den Strom abgeworfen). 1944 hatte die DDSG noch 73 Zugschiffe, darunter 28 Dampfer und 45 moderne Motorschiffe, 16 Fahrgastschiffe, 360 Güter- und 117 Tankkähne besessen. Im Mai 1945 nach Einstellung der Kampfhandlungen waren durch Verluste und Beschlagnahme nur 29 Zugschiffe, 12 Fahrgastschiffe, 132 Güter- und 47 Tankkähne übrig geblieben. Nur 10 Zugschiffe konnten als „modern“ bezeichnet werden. Noch größer waren die Verluste im Immobilienvermögen. Der gesamte Besitz der Gesellschaft außerhalb von Österreich war und blieb verloren, darunter zahlreiche Stationsgebäude an der ganzen Donau und fast allen damals befahrenen Nebenflüssen, sowie das gesamte ungarische Imperium der Gesellschaft, vor allem die dortigen Bergwerke, Werften und Eisenbahnen. Damit war die Rolle der DDSG in Ungarn, so wie im Verkehrs- und Industriewesen eine Pioniertätigkeit entfaltet hatte, endgültig Geschichte.

Durch die Potsdamer Beschlüsse wurde die DDSG als Deutsches Eigentum unter sowjetische Veraltung gestellt. Sie war einer der sog. USIA-Betriebe, ein von österreichischen Instanzen nicht kontrollierbares Wirtschaftsimperium. Erst nach dem Staatsvertrag von 1955 und der damit verbundenen Befreiung Österreichs von alliierter Besatzung konnte die DDSG nach Zahlung einer Ablöse wieder in österreichischen Besitz und zwar als staatliches Unternehmen gelangen. Es folgte ein mühsamer Wiederaufbau, die Verstaatlichung sicherte das vorhandene bewegliche und unbewegliche Eigentum.

 

Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft war einst eine der größten Binnenreedereien der Welt

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Harald Krachler
Gastautor bei VEUS-Shipping.com.