Die ersten beiden Vorserienmotoren des neuen mobilen MTU-Gasmotors von Rolls-Royce haben ihre Funktionstests erfolgreich bestanden und wurden Anfang Dezember 2017 vom Kunden abgenommen. MTU hatte seine neuen Schiffsantriebe erstmals im September 2016 auf der Schiffbaumesse SMM vorgestellt. Mittlerweile haben die Prototypen weit über 5.000 Stunden auf dem Prüfstand absolviert. Paul Melles, Geschäftsführer der Reederei Doeksen, sagt: „Wir sind mit dem Testlauf sehr zufrieden. Alle wichtigen Parameter des Motors, wie zum Beispiel das besonders dynamische Beschleunigungsverhalten, hat MTU bestätigt.“ Ende des Jahres 2017 lieferte MTU die ersten zwei von insgesamt vier 16-Zylinder-Gasmotoren der Baureihe 4000 mit jeweils 1.492 Kilowatt Leistung für zwei neue Katamarane aus. Ab 2018 werden die zwei Aluminium-Schiffe in dem niederländischen Wattenmeer verkehren. Sie werden derzeit von der Werft Strategic Marine in Vietnam für die holländische Reederei Doeksen gebaut.
Der neue 16-Zylinder-Gasmotor von MTU wird ab Ende 2018 als zertifizierter Serienmotor mit einem Leistungsbereich von etwa 1.500 bis 2.000 Kilowatt angeboten. Folgen wird auch eine 8-Zylinderversion mit einer Leistung von etwa 750 bis 1.000 Kilowatt. Besonders geeignet ist der neue Gasmotor für Schlepper, Fähren, Schubboote und Spezialschiffe wie Forschungsboote. Die Werft Damen Shipyards wird einen neuen Hafenschlepper ausrüsten. Die Stadtwerke Konstanz erhalten Ende 2019 die ersten Motoren der 8-Zylinder-Version für eine neue Bodenseefähre.
Dynamic und Performance entspricht Dieselmotor
Kraftstoffverbrauch, Emissionen, Sicherheit und Beschleunigung waren von Beginn an im Fokus der Entwicklung. Die neuen MTU-Gasmotoren werden mit einer Multipoint (Mehrpunkt)-Gaseindüsung, einer dynamischen Motorsteuerung und einer weiterentwickelten Turboaufladung ausgestattet. Die Multipoint-Gaseindüsung sorgt für ein dynamisches Beschleunigungsvermögen, eine gesteigerte Leistung sowie eine Reduzierung der Emissionen. Das Verbrennungskonzept ermöglicht die Einhaltung der IMO-III-Abgasnormen ohne zusätzliche Abgasnachbehandlung. Die geregelte Verbrennung sorgt auch für einen effizienten Kraftstoffeinsatz. Dank der doppelwandigen Ausführung des Gassystems kann der Maschinenraum dieselähnlich ausgeführt werden. Auf dem Prüfstand zeigte die Simulation von realen Fahrmanövern, dass das dynamische Beschleunigungsverhalten dem eines Dieselmotors entspricht. Die erfolgreich absolvierten über 5.000 Stunden auf dem Prüfstand zeigen, dass der Gasmotor dem bewährten MTU-Dieselmotor der Baureihe 4000 auch in puncto Zuverlässigkeit entspricht.
Gasmotor ist Teil des Green- und Hightech-Programms von MTU
Der Gasmotor stößt im Vergleich zu einem Dieselmotor ohne Abgasnachbehandlung keinen Ruß und keine Schwefeloxide aus, 90 Prozent weniger Stickoxide und 5 – 10 Prozent weniger Treibhausgase. Damit hält er die seit 2016 geltenden IMO-III-Abgasnormen ohne zusätzliche Abgasnachbehandlung ein. Die Motoren sind technisch auch mit den Gesetzgebungen EU-Stufe V und EPA Tier IV (USA) konform. Je nach Marktnachfrage werden die Gasmotoren auch für EU-V oder EPA Tier IV zertifiziert.
Der neue Gasmotor ist Teil des Green- und Hightech-Programms von MTU. Damit investiert MTU gezielt in umweltfreundliche Zukunftslösungen für weniger Schadstoffausstoß und geringeren Energie- und Rohstoffverbrauch. MTU konzentriert sich im Green- und High-Tech-Programm auf Abgasnachbehandlung, alternative Kraftstoffe, Elektrifizierung, Digitalisierung und Gesamtsystemfähigkeit, das heißt, dass gesamte Antriebs- und Energie-Erzeugungssysteme betrachtet werden.
Bei der Entwicklung des neuen Marine-Gasmotors profitiert MTU von den bisherigen über 30-jährigen Erfahrungen mit den stationären Gasmotoren für die Energieerzeugung sowie von der Erfahrung des Rolls-Royce-Konzerns, der bereits seit zehn Jahren Fähren mit mittelschnelllaufenden reinen Gasantrieben ausstattet.
Erste Gasmotoren für Wattenmeer-Fähren
Die Werft Strategic Marine hat Ende des Jahres 2017 die ersten zwei von vier Gasmotoren für zwei neue, 70 Meter lange Katamarane der niederländischen Reederei Doeksen erhalten. Die zwei Aluminium-Katamarane sollen ab 2018 im Dienst der Reederei Doeksen den Fährverkehr für jeweils bis zu 66 Fahrzeuge und 599 Passagiere zwischen Harlingen auf dem niederländischen Festland und den Inseln Terschelling und Vlieland aufnehmen. Zur Flotte gehören bislang sieben weitere Fährschiffe. Das Wattenmeer wurde 2009 als Weltnaturerbe ausgezeichnet wegen seines einzigartigen geologischen und ökologischen Werts. Richard de Vries, Betriebsleiter bei Doeksen, sagt: „Gerade auf dem als besonders schützenswert ausgezeichneten Wattenmeer ist es uns sehr wichtig, unsere Schiffe besonders umweltfreundlich zu betreiben. Die MTU-Motoren waren daher für uns die richtige Wahl, auch wegen ihres dynamischen Beschleunigungsvermögens.
Die RoPax-Fähren werden von Strategic Marine in Vietnam gebaut und konzipiert von BMT Nigel Gee, das Innendesign stammt von Vripack. Die Katamarane erhalten für den Hauptantrieb zwei 16 Zylinder-Vorserien-Gasmotoren der Baureihe 4000 von MTU mit jeweils 1492 kW Leistung. Die IMO Tier III-konformen Motoren treiben Azimuth-Fest-Propeller an, die Schiffe erreichen damit eine Dienstgeschwindigkeit von 14 Knoten.
Stadtwerke Konstanz erproben neuen MTU-Gasmotor mit Autofähre auf dem Bodensee
MTU und die Stadtwerke Konstanz erproben auf einer Bodenseefähre ab dem Jahr 2020 den neuen MTU-Gasmotor. Das neue Fährschiff der Stadtwerke erhält zwei 8-Zylinder-Gasmotoren der Baureihe 4000 von MTU, welche jeweils eine Leistung von 746 Kilowatt erzeugen. Es ist damit eines der ersten Binnenfahrgastschiffe Europas, das von schnelllaufenden reinen Gasmotoren angetrieben wird. Als Brennstoff dient Erdgas.
„Unsere mobilen Gasmotoren sind wesentlicher Bestandteil unserer Green- und Hightech-Initiative. Mit dem neuen Vorzeigeprojekt auf der Fährstrecke zwischen Konstanz und Meersburg setzen wir internationale Trends hier am Bodensee und können quasi vor unserer Haustüre zeigen, wie sich unsere Neuentwicklungen bewähren. Wir sind davon überzeugt, dass Gasmotoren als Ergänzung zu den bewährten Dieselmotoren für die Schifffahrt immer bedeutender werden“, betont Andreas Schell, Vorsitzender des Vorstandes von Rolls-Royce Power Systems.
Die Stadtwerke Konstanz hatten in einer frühen Projektphase auch die Möglichkeit eines rein elektrischen Antriebs ins Auge gefasst. Die Mehrkosten von über sechs Millionen Euro, höhere Betriebskosten und auch die immer noch schnellen Generations- bzw. Technologiewechsel bei den Batteriesystemen waren mit verantwortlich für die Entscheidung gegen die elektrische Lösung.
Gast Autorin: Silke Rockenstein