Freude für Touristen, aber nicht immer für Touristiker
Bei Kreuzfahrten – ob zur See oder auf Flüssen – registriert man in unserer Zeit nicht bloß einen Boom, sondern eine wahre „Explosion“. Die Zeit, da böse Zungen Kreuzfahrtschiffe „schwimmende Seniorenresidenzen“ nannten, ist endgültig vorbei. Innovative Routen und Themenkreuzfahrten begeistern nicht nur Senioren, die bisher etwa 60-70 Prozent der Kreuzfahrtpassagiere stellten, sondern auch „ein tendenziell immer jünger werdendes abenteuerlustiges Publikum“. Tatsächlich ist im breiten Angebot der Kreuzfahrtgesellschaften für jede Altersgruppe und jeden Geschmack etwas dabei. Die Gesellschaften erwarten für die Bilanzen von 2018 einen durchschnittlichen Umsatzzuwachs von 20 Prozent gegenüber dem schon erfolgreichen Kreuzfahrtjahr 2017.
Stark gefragt sind Flusskreuzfahrten mit zahlreichen Anlandungen und Besichtigungen seitens kulturinteressiertem Publikum auf bedeutenden Wasserstraßen Europas, allen voran die Donau und der Rhein, wozu in beiden Fällen noch Nebenflüsse (bei der Donau die Save, beim Rhein Main und Mosel) dazugekommen sind Kreuzfahrten auf Elbe und Moldau (Tschechien, Deutschland), Douro (Spanien, Portugal), sowie Seine und Rhone (Frankreich) erfreuen sich ebenfalls wachsender Beliebtheit. Die Fahrt von Moskau nach St. Petersburg über den Moskau-Wolga-Kanal und die Newa bzw. umgekehrt ist längst ein Klassiker in Russland, wozu jetzt auch Fahrten auf der Wolga von Moskau zu ihrer Mündung bei Astrachan in das Kaspische Meer (und umgekehrt) dazugekommen sind.
Dazu üben exotische Destinationen wie die sibirischen Ströme Ob und Irtysch, Jenissei und Lena, Nil (Afrika), Mekong und Irawady (Südasien), Mississippi (Nordamerika) und Amazonas und Parana (beide Südamerika) wachsenden Reiz auf Schiffsreisende aus, ebenso Fahrten durch Seengebiete wie das Ijsselmeer (Niederlande), Mecklenburg (Norddeutschland) oder die finnische Seenplatte.
Die beliebtesten Donau-Kreuzfahrten gehen stromaufwärts über Passau, Regensburg, den Rhein-Main-Donau-Kanal und den Main zum Rhein, diesen stromaufwärts bis Basel oder stromabwärts bis in die Niederlande oder vorher noch über den Nebenfluss Mosel bis Trier. Donauabwärts werden die drei Hauptstädte Bratislava (Pressburg), Budapest und Belgrad angesteuert (von letzterer gibt es Fahrten die Save aufwärts bis in das kroatische Sisak, sofern die Schneeschmelze in den Bergen für höhere Wasserstände auf der Save sorgt). Echte Höhepunkte sind aber die Passage des Engtales am Eisernen Tor und Fahrten in das Naturparadies Donaudelta (UNESCO-Naturerbe), dort auf allen drei Mündungsarmen der Donau: Chilia-, Sulina- und St. Georgs-Mündung.
Die folgenden Zahlen geben Aufschluss über das boomende Flusskreuzfahrtgeschäft auf der Donau: 2017 erfolgten über 2300 Anlandungen durch „Kabinenfahrgastschiffe“ in dem vom Wiener Hafen (einem Teil der „Wien Holding“) betriebenen und in den letzten Jahren großzügig ausgebauten „Schifffahrtszentrum Reichsbrücke“. Über 345.000 Passagiere gingen in diesem Jahr in Wien von Bord für ein- oder zweitägige Besichtigungen. Noch 2014 waren es „nur“ 130.000 gewesen. Heute können in Wien gleichzeitig bis zu 36 Kabinenschiffe gleichzeitig Station machen, im „Winterhafen“ Freudenau bis zu 20 Luxusliner überwintern, was nach den Worten eines Holding-Sprechers „mehr als ein Taschengeld für den Hafen und seine Servicebetriebe“ darstellt.
Aber auch im Bundesland Oberösterreich zeigt sich dieser Boom: waren es 1998 nur 47 Kreuzfahrtschiffe, die im Linzer Hafen anlegten, war diese Zahl 2004 schon auf 200 und 2017 auf etwa 2200 – also fast so viele wie in Wien – gestiegen. Dabei macht sich dort die geringere Anzahl von Liegeplätzen unangenehm bemerkbar.
Auch kleinere Anlegestellen profitieren vom Geld, das „Boatpeople“ an Land bringen. Die Wertschöpfung, die durch Kreuzfahrtschiffe und Passagiere jährlich in Österreich bleibt, beläuft sich auf derzeit über 110 Mill. Euro, wovon die Hälfte auf „Ausflugspakete“ und etwa ein Fünftel auf „Loading“(Aufstocken der Vorräte an Bord, Entsorgung von Müll usw.) entfallen. Rund 19 Mill. Euro, d.s. etwa 17 Prozent machen Ausgaben der Passagiere an Land aus – Kauf von Souvenirs, Modeartikel und in der Gastronomie. Derzeit lässt der durchschnittliche Kreuzfahrer hierzulande pro Tag etwa 27 Euro an Land, wozu die Ausgaben für Ausflüge in der Höhe von etwa 38 Euro pro Person und Tag kommen. Besonders kleinere Orte wie die Gemeinden im UNESCO-Weltkulturerbe Wachau, so Dürnstein und Spitz, profitieren von den Passagier-Ausgaben. Wegen der großen Zahl an Besuchern haben sie zeitweise laut über „Eintrittsgebühren“ in die Wachau nachgedacht, dem wurde aber sehr bald eine Absage erteilt.
Auf Grund dieses Kreuzfahrtbooms nimmt nicht nur die Zahl der Schiffe zu, sondern auch deren Größe, wenn es auch wegen der Schleusen und Kanäle ein Limit gibt. Unter Berücksichtigung der anvisierten Passagier-Zielgruppen kommt auch auf der ganzen Donau Qualität vor Quantität. Hatte man 2008-2012 Schiffe mit kontinuierlich mehr Betten gebaut, legt man seit 2013 beim Schiffbau Wert auf geräumigere Kabinen, um den Ansprüchen und Bedürfnissen zahlungskräftiger Gäste aus Übersee gerecht zu werden. Dabei müssen auch die Anlandungsgemeinden gestiegenen Qualitätsansprüchen Rechnung tragen.
In Wien mit seinen hohen Zahlen an Gästeankünften und Nächtigungen weiß man, wie ein hoher Funktionär des Wien-Tourismus unlängst ausführte, die Flusskreuzfahrten aus Kundensicht als beliebte und praktische Reiseform zu schätzen. Er betonte jedoch, dass diese Gäste den Städten wenig Mehrwert brächten. Sie schlafen und essen an Bord und wenden für Besichtigungen eher wenig Zeit auf. Er verwies auch auf ein anderes Problem: Busse holen Gäste am Pier ab und setzen sie an Besichtigungsorten ab, was das Busproblem in der Innenstadt verschärft. Bedenken werden auch geäußert über die Tatsache, dass von Reedereien gebuchte Busse oft leer neben dem Schiff mitfahren und die Kunden bei den Anlandestellen für Tagesausflüge erwarten.
Hier sehen auch Umweltorganisationen Probleme, obwohl im Vergleich zu Meereskreuzfahrten Flusskreuzfahrten als relativ „umweltfreundlich“ gelten. Denn die Schiffe fahren auf Flüssen nicht kreuz und quer dahin, sondern folgen zwangsläufig Routen. Auf der Donau gelten strenge Umweltauflagen – das Ablassen oder Über-Bord-Werfen von Müll und Altlasten ist verboten, wird kontrolliert und geahndet. Trotzdem gibt es immer wieder vereinzelt Klagen über Verschmutzung der Donau durch den Kreuzfahrttourismus und durch die Donauschifffahrt im Allgemeinen. Dabei stützt man sich auf „nachweisbare Beobachtungen aus der Bevölkerung“, aber auch auf Analysen entnommener Wasserproben. Besonders stark ist die Verschmutzung diesen Angaben zufolge im ufernahen Bereich. Schiffe haben aber einen „vergleichsweise guten Treibstoffverbrauch pro Kilometerschnitt“. Problematisch sei allerdings, dass die meisten Gäste zur Anreise zur bzw. Abreise von der Schiffspassage mit dem nicht gerade umweltfreundlichen Flugzeug ankommen bzw. nach Reiseende abfliegen.