Die Pläne für den 1869, also vor genau 150 Jahren, eröffneten Suezkanal stammten von dem Österreicher Alois Negrelli (1799-1858). Er hatte die Trasse für den schleusenlosen Kanal festgelegt und vorgesehen, gewisse Senken mit Meerwasser zu füllen. Erbauer war der Franzose Ferdinand Maria Vicomte de Lesseps (1805-1894), der sich die Pläne Negrellis auf etwas krummen Wegen verschafft hatte, vermutlich bei einem Kondolenzbesuch bei der Witwe des 1858 verstorbenen Negrelli.
Lesseps hatte sich während diplomatischer Dienstjahre, darunter auch in Ägypten, mit dem seit Jahrhunderten in Diskussion befindlichen Kanalprojekt eher am Rand befasst, erst als sein Jugendfreund Said Pascha 1854 als dritte Khedive (Vizekönig) in Ägypten die Regentschaft antrat (bis 1863), konnte er diesen für das Suezkanalprojekt begeistern und von ihm noch 1854 eine erste Konzession für den Bau durch eine von ihm geplante Compagnie Universelle du Canal Maritime de Suez erhalten. Diese Konzession musste aber noch von der Hohen Pforte in Konstantinopel (unter Sultan Abdulmedjid, reg. 1839-1861) genehmigt werden. Das in Konstantinopel einflussreiche Großbritannien übte diplomatischen Druck zur Verhinderung des Kanalprojektes aus. Nach einem positiven Zwischenbericht einer internationalen Kommission über den Durchstich der Landenge von Suez, an der auch Negrelli beteiligt war, erhielt Lesseps 1856 von Said Pascha eine zweite, detailliertere Konzession mit Beschreibung der Kanalbauten und Fixierung der Satzung der Suezkanalgesellschaft. Aber London verhinderte erneut die Genehmigung der Konzession durch die Hohe Pforte. Lesseps trat daraufhin die Flucht nach vorne an, gründete 1858 definitiv die Compagnie Universelle du Canal Maritime de Suez mit Sitz in Alexandria und Hauptverwaltung in Paris. Sie war aber bei der Aktienzeichnung des Grundkapitals v on 200 Mill. Francs mit nur 56 Prozent nicht allzu erfolgreich, so dass der Khedive einsprang und die restlichen 44 Prozent übernahm.
Ohne definitive Konzession wurden die Bauarbeiten nach Negrellis Plänen am 25. April 1859 auf einem Standabschnitt eröffnet, wo sich heute die nach dem Khediven benannte Stadt Port Said befindet. Lesseps hob mit einer Schaufel Sand aus dem Wüstenboden und startete die Bauarbeiten mit zunächst 150 Arbeitern.
Der Kanalbau war ein Vorhaben von pharaonischen Ausmaßen weitab von jeglicher Infrastruktur. Zunächst mussten ein Landungssteg, ein kleiner Leuchtturm und Lagerplätze für Baubaracken geschaffen werden, damit Material und Geräte zur Baustelle antransportiert werden konnten. Trinkwasser und Verpflegung mussten ebenfalls antransportiert werden, anfangs mit bis zu 1800 Lastkamelen, später mit dampfgetriebenen Feldbahnen, für die Wasser und Kohle bereit gehalten werden mussten. Alles Material, Bauteile, Werkzeuge, Maschinen, Kohle, Eisen und benötigtes Holz musste aus Europa herangebracht werden.
Da Maschinen und Baggerschiffe noch am Anfang ihrer Entwicklung waren, mussten sie erst konstruiert und für ihre Einsätze adaptiert werden. Bis dahin erfolgte der Aushub der Kanalrinne im Trockenen händisch. Bis zu 34.000 teils zwangsrekrutierte Arbeiter füllten Binsenkörbe und brachten sie über Menschenketten zu den Böschungskronen. Ein im Wege stehender Höhenrücken musste gesprengt werden Die gesamten händischen Erdbewegungen machten etwa 75 Mill. Kubikmeter aus. Zunächst gegrabene schmale Wasserrinnen wurden mit der Zeit durch Baggerschiffe und neu entwickelte schwimmende Förderbänder verbreitert. Im November 1862 konnte Meerwasser in den Timsah-See eingelassen werden.
Da der Isthmus (Landenge) von Suez Mitte des 19. Jhdts. reine Wüste war, wurde zeitgleich am Bau eines Süßwasserkanals gearbeitet, der vom Nil durch das Wadi Tumilat zum Timsah-See führte, er wurde schon im Februar 1862 fertig gestellt. Anschließend erfolgte eine Abzweigung nach Süden und der Bau einer mit Dampfpumpen betriebenen Rohrleitung nach Port Said. Heute dient dieser Kanal zu Bewässerungszwecken.
Da London immer wieder Druck auf den Sultan in Konstantinopel (seit 1861 Abdelaziz, reg. bis 1876) zur Einstellung der Bauarbeiten ausübte, wandte sich Lesseps an Kaiser Napoleon III. in Paris, der alle offenen Fragen regelte und beim Sultan intervenierte mit dem Ergebnis, dass am 19. März 1866 – sieben Jahre nach Baubeginn –mit einem Ferman (Erlaß) des Sultan die endgültige Genehmigung des Kanalbaues erfolgte. Jetzt konnte die Suezkanalgesellschaft , die bisher lediglich auf ägyptische Arbeiter angewiesen war, Arbeiter aus dem gesamten Mittelmeerraum für die Kanalarbeiten rekrutieren und der Einsatz dampfgetriebener Geräte erweitert werden.
Während der Kanalbauarbeiten entstand am Nordende der Mittelmeerhafen Port Said, am Timsah-See der nach Ismail Pascha, Saids Nachfolger (seit 1863) benannte Ort Ismailia mit der Generaldirektion der Bauarbeiten, der Ort Suez am Südausgang wurde ausgebaut. Eine Bahn wurde von Briten von Alexandria über Kairo nach Suez gebaut und die alte Wüstenbahn Kairo Suez aufgegeben. Von März bis Oktober 1869, also bis kurz vor der Kanalfertigstellung konnte Meerwasser in die beiden Bitterseen eingeleitet werden.
Während der 10-jährigen Bauzeit dürften 1,5 Mill. Menschen, in der Mehrzahl Ägypter beim Kanalbau eingesetzt gewesen sein. Eine Choleraepidemie im Sommer 1865 hatte zur Flucht vieler Arbeiter von den Baustellen geführt, die Zahl von etwa 125.000 Toten ist aber nicht belegt und dürfte übertrieben sein. Bis zur Kanaleröffnung im November 1869 waren Kosten von insgesamt 416 Mill. Francs angelaufen, sie erhöhten sich durch eine Reihe von Kanal-Verbesserungen bis 1884 auf 488 Mill. Francs.
Die Tage zwischen dem 14. und dem 20. November 1869 standen im Zeichen der feierlichen Inbetriebnahme des Suezkanals. Khedive Ismail Pascha hatte insgesamt etwa 6000 Personen zu dem Fest eingeladen, an der Spitze die französische Kaiserin Eugenie, übrigens eine Verwandte von Erbauer Lesseps, Kaiser Franz Joseph von Österreich-Ungarn, den preußischen Kronprinzen Friedrich (den späteren deutschen 99-Tage Kaiser), Prinz Heinrich und Prinzessin Amelie der Niederlande und weitere Ehrengäste, nicht jedoch seinen eigentlichen Souverän, Sultan Abdelaziz, offenbar um das Selbständigkeitsbestreben Ägyptens vom Osmanischen Reich zu unterstreichen. Bis zum 16. November statteten die Ehrengäste im Hafen von Port Said sich gegenseitig Besuche auf ihren Schiffen ab, auch Kanalerbauer Lesseps nahm zahlreiche Aufwartungen vor. Sein Name war in aller Munde, nicht jedoch jener des Planers Negrelli, worüber Kaiser Franz Joseph „not amused“ war, wie man heute sagt.
Am Nachmittag des 16. November waren am Landungssteg von Port Said vor der versammelten Prominenz zwei religiöse Zeremonien angesetzt- eine islamische und eine katholische. Am 17. November durchfuhr ein Konvoi von 120 Schiffen erstmals den Kanal, verfolgt von zehntausenden Menschen an den Kanalufern. Angeführt wurde der Konvoi von der Jacht AIGLE mit Kaiserin Eugenie und Lesseps an Bord, gefolgt von der Jacht GREIF mit Kaiser Franz Joseph und zwei Schiffen mit der Begleitung des Monarchen. Dann kam die Jacht GRILLE mit Kronprinz Friedrich von Preußen, gefolgt von jenen der übrigen Ehrengäste. Am 18. November stoppte der Konvoi in Ismailia, wo es im Anschluss an ein vom Khediven gegebenen Bankett Feuerwerke und Folkloreveranstaltungen unter Beteiligung von zehntausenden von Menschen gab. Am 20. November warfen die Schiffe nach erfolgreicher Kanaldurchfahrt ihre Anker in Suez. Die Eröffnungsfeier soll den Khediven gute 20 Millionen Francs gekostet haben.
Giuseppe Verdis, aus Anlass der Suezkanaleröffnung, komponierte Oper AIDA wurde erst Mitte 1870 fertig gestellt. Da wegen des Deutsch-Französischen Krieges Kostüme und Bühnenbilder längere Zeit in Paris eingeschlossen waren, erfolgte die Uraufführung der Oper erst am 24. Dezember 1871 in einem eigens dafür erbauten Opernhaus in Kairo. Verdi hatte zwar genaue Anweisungen für die Uraufführung gegeben, sich aber nicht zur Reise nach Kairo entschließen können. Die europäische Erstaufführung von AIDA fand am 8. Februar 1872 in der Mailänder Skala statt. In Wien hatte Johann Strauß (Sohn) im Jahr der Kanaleröffnung einen Egyptischen Marsch (so die damalige Schreibweise, Anm.) komponiert.