Globale Handelsschifffahrt geht ernsten Zeiten und Herausforderungen entgegen

Container Terminal Erstanlauf der Maren Maersk in Bremerhaven.
Container Terminal Erstanlauf der Maren Maersk in Bremerhaven. © bremenports

Eher pessimistische Prognosen zweier Beratungs- und Bewertungsorganisationen

Die globale Handelsschifffahrt geht nach Ansicht der internationalen Schifffahrts-Bewertungsagentur BIMCO ernsten Zeiten entgegen, wobei als besorgniserregend das sich abzeichnende Ungleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und Welthandel bewertet wird.

Als wichtigste Gründe dafür gelten protektionistische Maßnahmen und daraus resultierende Handelsbeschränkungen im weltweiten Warenaustausch. Verschärft wird dies u.a. durch den noch nicht beigelegten „Handelskrieg“ zwischen den USA und China mit noch unbekannten Auswirkungen auf die Schifffahrt. Europäischen Ländern drohen neue Zollbarrieren seitens der USA. BIMCO rechnet ferner damit, dass das sich weiter verschlechternde Gleichgewicht zwischen Tonnage-Angebot und –Nachfrage es Reedereien erschweren werde, die mit der Erfüllung der neuen Schwefelgrenzen verbundenen Mehrkosten an die verladende Wirtschaft weiter zu leiten.

Dabei hat man noch gar keine genaue Vorstellung, wie sich die Coronakrise mit ihren vielfachen Einschränkungen auf die weltweite Handelsschifffahrt auswirken wird..

Global wird für die unmittelbare Zukunft mit einer Verteuerung der Seetransporte um 15 Mrd. USD gerechnet. Viel hängt jedoch von den Marktentwicklungen ab. Wegen des Handelskonfliktes mit China ist damit zu rechnen, dass die Seefrachtraten 2020 weiter nach unten „gedrückt“ werden. Im innerasiatischen Containerverkehr blieben 2019 die Mengen auf relativ stabilem Niveau, was nicht unbedingt von Vorteil für den Handel von und nach Asien war. Die Nachfrage nach Containertransporten ist 2019 nur um ein Prozent gestiegen, während sich die Flottenkapazitäten um fast vier Prozent erhöht haben. Nicht ausgelasteter Frachtraum drückt auf die Frachtraten. Wenn dann noch weitere große Containerkräne auf den Markt kommen, werden kleinere Schiffe auf „Nebenschauplätze“ verdrängt – mit weiteren negativen Auswirkungen auf die Frachtraten.

Auch Drewry Maritime Consulting sieht die Schattenseiten von steigenden Schiffskapazitäten, wobei man das größte Risiko beim staatlichen Einfluss bei einigen asiatischen Reedereien sieht, deren Strategie mehr von politisch als von ökonomisch motivierten Investitionsentscheidungen getrieben wird. Drewry rechnet für 2020 mit einem Flottenzuwachs von 1,2 Mill. TEU, wovon 532.000 TEU auf 23 ultragroße, noch im Laufe des Jahres auszuliefernde Containerschiffe entfallen werden.

Fest steht, dass viele neue Kapazitäten auf den Markt drängen. Reedereien müssen Drewry zufolge große Geschicklichkeit an den Tag legen, zur Verhinderung einer Marktüberschwemmung mit zusätzlichem Frachtraum Kapazitäten „umzuschalten und nötigenfalls zu verstecken“ – eine Tatsache, die schon 2019 zu beobachten war. Eine bewährte Methode zur Beseitigung unerwünschter Kapazitäten sind sog. Blank Sailings (Streichungen von Abfahrten). 2019 wurden auf den Ost-West-Routen davon 253 gezählt, um 108 mehr als 2018.

Für 2020 erwartet man auf dem globalen Schifffahrtsmarkt laut Drewry eine ähnliche Marktentwicklung wie 2019. Solange die Betriebskosten unter Kontrolle gehalten werden, dürften die Reedereien profitabel bleiben, auch wenn die Basisdaten von Angebot und Nachfrage gegen sie arbeiten. Drewry rechnet auf diesem Sektor mit einem „Drahtseilakt“, weil die „Kapazitätshebel“ der Abfahrtsstreichungen häufiger gezogen werden müssen. 2020 werden die Reeder beim Verschrotten „deutlich forscher“ vorgehen müssen als bei Bestellungen von neuer Tonnage. Je länger Investitionen in neue Schiffe verzögert würden, desto mehr Zeit würden die Reeder für den Abbau von Kapazitätsüberschüssen haben.

Seefracht ist heute Insidern zufolge ein „beinhartes, höchst kapitalintensives“ Geschäft. Je größer und länger das Schiff ist, desto weniger fallen die Personalkosten bezogen auf die Tonnage ins Gewicht. Die größten Frachtschiffe tragen heute bis zu 23.000 Standardcontainer, können aber voll beladen nur wenige Häfen anlaufen. Würde man 23.000 Container auf einen einzigen Zug stellen, wäre dieser 150 km (!) lang.

Frachteinkommen, sowie in den Be- und Entladehäfen Abläufe der Landung, Verweilzeiten in Häfen, Gewichtsbalance und Logistik müssen optimiert werden, die richtige Ausrüstung am richtigen Ort für den Export disponierbar sein. Heikel sind Prognosen betreffend Transportvolumina auch bei normalen saisonalen Schwankungen. Bei Überangeboten von Frachtraum sparen Reedereien Energie u.a. durch „Slow Steaming“ – also verlangsamtes Fahren von Schiffen. In Boomphasen wird dagegen „Peak Season Surcharge“ verrechnet, wobei es wieder zu einem Containerrückstau kommt. Für die nächste Zeit ist keine  Normalisierung auf diesem Gebiet zu erwarten. Logistiker sollen den Umständen entsprechend Transporte organisieren und ihre Kunden dahingehend informieren, wo sich die Waren(n) gerade befindet/befinden und wann mit deren Eintreffen zu rechnen sei.

Zuletzt haben Indien und Malaysia ihre Häfen für Wochen gesperrt, obwohl das Covid-19 auf der Südhalbkugel der Erde noch gar nicht richtig angekommen ist. Plötzlich steht der Terminus „Länderrisiko“ hochaktuell im Raum, ebenso Fragen, was geschieht, wenn z.B. ein Kunde aus dem Geschäft aussteigen will oder muss, sowie wenn ein Schiff den Zielhafen nicht anlaufen darf und so Stehtage produziert werden. Bankbestätigte Akkreditive, entsprechende Kommunikation vor dem Versand können unter Umständen das Risiko stark reduzieren, wenn auch nicht ganz ausschalten. Das Virus ist schneller als eine Schiffsreise, Luftfracht ist hier berechenbarer.

Täglich neue Fakten bewirken „Inkongruenzen“ von Produkten und Abnahme, Frachtraum und Ware(n). Z.B. wird in China am Wochenende eingearbeitet, während in Europa Fabriken und Einzelhandel zugesperrt haben und das Schiff auf dem Weg ist. Luftfracht regiert am schnellsten, Seefracht ist langsamer, wozu noch operationelle Probleme kommen. In Asien türmen sich derzeit Leercontainer, in Europa fehlen sie, was den Export behindert. Preislich derzeit höher als der Weg über die europäischen Nordhäfen (also an Nord- und Ostsee) ist die schnellere Route über das Mittelmeer und die Adria.

Empfehlenswert ist es, Seefracht immer früh zu buchen, größere“ Zeitpolster“ einzuplanen und im Verkehr mit China die sog. „Iron Silk Road“, also die Überland-Bahnverbindungen zwischen China und Europa als Alternative heranzuziehen. Außerdem sollten Logistikpartner mit gutem „Sendungsverfolgungssystem“ gewählt, Länderrisken bedacht, beim Export voraussichtliche Entladungsmöglichkeiten geklärt und beim Import rechtzeitig die Lagerung geplant werden.

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Harald Krachler
Gastautor bei VEUS-Shipping.com.