Nach mehreren Negativmeldungen aus der deutschen Offshore-Windkraftbranche in den letzten Monaten überraschte die Meldung vom 13. August 2015 die Fachwelt, hatte doch Siemens in Cuxhaven den Vertrag zum Bau einer rund 200 Millionen Euro teuren Fabrik für neue Offshore-Windenergieanlagen unterzeichnet.
Verladung der Windenergieanlagen im Ro/Ro-Verfahren
Die neue Produktionsstätte entsteht direkt am Hafen an der Elbe auf einer Fläche von 170.000 m². Ab Mitte 2017 soll hier die Herstellung von Maschinenhäusern für die neue Windturbinengeneration D7 mit einer Leistung von sieben Megawatt für den Offshoreeinsatz beginnen. Das beinhaltet die Endmontage von Generatoren, Naben und Gondelteilen, aus denen dann die Maschinenhäuser für die Offshore-Windenergieanlagen entstehen. Durch die günstige Lage des neuen Standorts direkt an der Unterelbe lassen sich teure Transporte über Land vermeiden, da die schweren Komponenten direkt auf spezielle Transportschiffe verladen werden.
Standort Cuxhaven behauptet sich gegen Mitbewerber
Bei der Suche des neuen Produktionsstandortes wurden auch intensiv die Möglichkeiten geprüft, an bestehenden Standorten zu investieren, die dem Strukturwandel unterworfen sind. Bis zuletzt hatte sich hier auch Bremerhaven Hoffnung auf die Ansiedlung gemacht, jedoch konnte sich Cuxhaven aufgrund der vorhandenen Infrastruktur, auch gegen Bewerber aus Großbritannien zuletzt durchsetzten. Für die neue Fabrik, in der jährlich bis zu 100 Gondeln entstehen werden, sollen bis zu 1.000 neue Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region in Cuxhaven entstehen, wobei die Produktion in drei Schichten erfolgen soll. Weiterhin entsteht in Cuxhaven ein Teststand für die das D7-Maschinenhaus für umfassende Probeläufe. Dieser zielt darauf ab, die Zeit für Aufbau und Inbetriebnahme deutlich zu verkürzen und wetterbedingte Projektverzögerungen zu senken.
Größte Neuansiedlung in Niedersachsen seit Jahren
Olaf Lies, Niedersachsens Wirtschaftsminister (SPD) erklärte: „Das ist ein großartiger Tag für das Land, die Region und vor allem auch für die Stadt Cuxhaven“. Für den Minister sei die Neuansiedlung nicht nur die größte im Land seit Jahren, sondern auch die Grundlage für weitere Ansiedlungen der Zulieferindustrie im Norden. So könnten weitere 600 bis 700 Arbeitsplätze in der Region entstehen. Lies weiter: „Die vorhandene Infrastruktur der landeseigenen Hafengesellschaft NPorts und die erschlossenen Gewerbeflächen der Stadt Cuxhaven bieten optimale Rahmenbedingungen für den Konzern.“ Jahrelange Investition in die Hafenanlage hätten sich nun ausgezahlt, so Lies. Die Vorarbeiten am Hafen haben über mehrere Jahre bereits 160 Millionen Euro gekostet. Die Baumaßnahmen, die jetzt vor der Ansiedlung von Siemens noch anstehen, liegen „im guten zweistelligen Millionenbereich“, sagte Lies.
Baubeginn für 360 m lange Produktionshalle in diesem Winter
Zunächst wird in diesem Winter noch der Sand auf der 17 Hektar großen Fläche verdichtet und bereits im Februar werden die Baupfähle, auf denen die große 360 m lange und 160 m breite Produktionshalle errichtet wird, bis zu 28 m tief in den Erdboden gerammt, so dass im Sommer 2016 mit den eigentlichen Arbeiten an der Halle begonnen werden kann. Zusätzlich zum Aufbau der neuen Produktionshalle in Cuxhaven baut Siemens im britischen Hull ein Werk für Rotorblätter für Sechs- und Sieben-Megawatt-Anlagen. Dieses soll ebenfalls im Jahr 2017 voll betriebsfähig sein, wobei Großbritannien nach Deutschland heute der wichtigste Markt für Offshore-Windenergie ist.
Neues Transportkonzept für Gondeln und Rotorblätter
Auf der europäischen Windenergie-Messe EWEA 2015 in Paris stellte Siemens kürzlich auch sein neues Logistik-Konzept für die Offshore-Windturbinen vor. Kernelement ist dabei eine neue Transportlösung, für die ein Langzeitvertrag mit dem Transportdienstleister deugro Danmark A/S unterzeichnet wurde. Dazu werden von Siemens zwei eigens konstruierte Transportschiffe genutzt, um die bestehenden dänischen Produktionsstandorte und die neuen Werke in Cuxhaven und im britischen Hull optimal zu verbinden. Im Fokus steht dabei vor allem ein RoRo-Verfahren bei dem die bis zu 75 Meter langen Rotorblätter und rund 360 Tonnen schweren Maschinenhäuser auf die Schiffe gefahren werden.
Komponenten rollen auf das Transportschiff
Statt einem Schwerlastkran setzt man bei Siemens zukünftig auf das RoRo-Verfahren, dass die Experten von Siemens weiterentwickelt haben. Hierzu wird deugro spezielle Transportfahrzeuge bereitstellen. Die Ersparnis gegenüber der bisherigen Transportabwicklung beziffert Siemens je nach Lage des betreffenden Offshore-Windparks auf 15 bis 20 Prozent.„Unsere neuen Produktionsstätten erlauben uns dank direktem Hafenanschluss eine hocheffiziente Ro/Ro-Verladung und kostengünstigen Seetransport. Diese neue Lösung senkt je nach Lage des jeweiligen Offshore-Windprojekts die Transportkosten um rund ein Fünftel.“ sagt Michael Hannibal, Offshore CEO der Siemens Wind Power and Renewables Division.
Deugro Danmark A/S wird zwei Spezialschiffe mit einer Länge von jeweils etwa 140 m einsetzen, die von der niederländischen Concordia Group, Werkendam, gechartert werden. Das erste, das bereits im Herbst 2016 unter dem Projekt-Namen „Necon 1“ zum Einsatz kommen soll, kann jeweils acht Maschinenhäuser der aktuellen Siemens Windturbine SWT-6.0-154 transportieren. Das zweite Schiff wird bis zu zwölf Rotorblätter aufnehmen können und sie von den Fabrikationsstätten im britischen Hull oder im dänischen Aalborg zu den jeweiligen Installations-Häfen transportieren, wobei beide Schiffe falls erforderlich auch per Kran entladen werden können.
Siemens – Weltmarktführer für Offshore-Windenergieanlagen
Siemens Wind Power and Renewables Division mit Hauptsitz in Hamburg ist nach eigenen Angaben Marktführer im Bereich der Offshore-Windenergie und hat bislang rund 3.100 Windturbinen verkauft und mehr als 1.470 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 4,7 Gigawatt auf dem Meer installiert. Zudem ist das Unternehmen führend bei der Offshore-Netzanbindung und beim Offshore-Service. Das größte Werk von Siemens mit rund 8000 Mitarbeitern steht im dänischen Brande, das im Jahr 2004 von Bonus Engery A/S übernommen wurde. Hier entstanden in den letzten Jahren neue Verwaltungsgebäude, ein Testzentrum, eine Produktionsanlage zur Montage der Maschinenräume. Die Rotorblätter von bis zu 75 Meter Länge werden in Aalborg in Norddänemark in einem Stück aus Glasfiber gebacken und lackiert. Dort verfügt Siemens über ein Testzentrum mit sieben Prüfständen, auf denen komplette Rotorblätter getestet werden können.