Nach einem bewegten Start in ihr Schiffsleben als glücklose Kreuzfahrtfähre wurde aus der 1982 gebauten SCANDINAVIA drei Jahre später ein „richtiges“ Kreuzfahrtschiff. Unter den Namen STARDANCER, VIKING SERENADE und ISLAND ESCAPE war es 30 Jahre lang erfolgreich in Dienst, bis die aktive Zeit des einstmaligen DFDS-Flaggschiffes im Oktober 2015 endete. Doch was dann aus dem Schiff werden sollte, war höchst unklar – und entsprechend schwierig herauszufinden.
Am 27.10. endete die Kreuzfahrt-Karriere der ISLAND ESCAPE mit ihrer letzten Ankunft in Regie von Thomson Cruises im Hafen von Palma de Mallorca. Dann wurde es zunächst still um das Schiff, das vorübergehend vor Malta auf Reede lag. Wer sollte auch schon ein über 30 Jahre altes Kreuzfahrtfahrtschiff kaufen, das weder in punkto Größe noch in Sachen An Bord-Erlebnis mit den Neubauten des 21. Jahrhunderts mithalten kann?
Doch überraschenderweise fand sich ein Käufer, und es war nicht einmal eine Schrottwerft, wie man angesichts des Alters des Schiffes eigentlich erwartet hätte. Allerdings kam die Nachricht vom Eignerwechsel am 03.12. nicht etwa vom stolzen neuen Besitzer der ehemaligen SCANDINAVIA, sondern von Columbia Cruise Services in Hamburg – genau der Firma also, die auch schon ab 2009 für das technische Management des Schiffes verantwortlich gewesen war. Und die dies auch weiterhin tun wird, denn der neue Eigner, die Firma Cruise Holdings Inc. aus Miami, habe Columbia just damit beauftragt, so die Pressemitteilung aus Hamburg. Auch solle das Schiff in OCEAN GALA umbenannt werden; über die weitere Verwendung oder das neue Einsatzgebiet des Kreuzfahrtschiffes verlor die Notiz jedoch kein Wort. Wer oder was „Cruise Holdings“ ist, erfuhr man auch nicht, und die Firma besitzt auch weder eine Internetadresse noch einen größeren Bekanntheitsgrad in der Branche.
Seinen Ankerplatz vor Malta verließ die ISLAND ESCAPE während dieser Zeit jedoch und erreichte am 08.12. die Werft Damen Shiprepair im französischen Brest. In der lokalen Presse tauchte wenige Tage später ein aktuelles Foto auf, welches das Schiff bereits mit seinem neuen OCEAN GALA zeigte; das AIS-Signal blieb jedoch fürderhin bei ISLAND ESCAPE.
Dafür wollte man in Frankreich zu dieser Zeit bereits wissen, dass der OCEAN GALA eine neue Karriere in den USA bevorstand. Einen Beleg dafür gab es, abgesehen vom Sitz der Firma „Cruise Holdings“ in Florida indes nicht. Ein interessantes Indiz hierauf war jedoch kurze Zeit später das Auftauchen der OCEAN GALA auf der Internet-Plattform www.floatingaccomodations.com, welche die ehemalige ISLAND ESCAPE seitdem als „verfügbar für eine Charter als Unterbringungsschiff“ anpreist. Floating Accomodations hat seinen Sitz zufälligerweise in Tampa, also nicht weit von Miami, und eine 9-seitige PowerPoint-Präsentation auf besagter Internetseite weist potenzielle Interessenten explizit und ausgerechnet in dänischer Sprache auf die Vorzüge der einstigen DFDS-Nachtfähre als mögliches Unterbringungsschiff für Flüchtlinge und Asylsuchende hin – samt Innenaufnahmen und Bildern der Kabinen. Auch war da bereits bekannt, dass zumindest deutsche und schwedische Behörden in der Tat mit dem Gedanken spielten, Passagierschiffe zu chartern, um der mancherorts prekären Flüchtlingssituation Herr zu werden. Konkrete Schiffe, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollten, wollte offiziell aber natürlich niemand benennen, auch wenn in der maritimen Branche die OCEAN GALA stets in einem Atemzug genannt wurde mit den ebenfalls verfügbaren und vergleichbar großen Nachtfähren SILJA EUROPA (Tallink Silja Line) und PRINCESS MARIA (St. Peter Line).
Noch komplizierter wurde das Mysterium um den Verbleib der ISLAND ESCAPE durch einen Artikel, den am 21.12. die amerikanischen „Cruise Industry News“ online veröffentlichten. Demnach sei das Schiff „frisch von seiner Dockung in Brest zurück“ und nun „auf dem Weg nach Skandinavien“, wo es als „schwimmendes Hotel für Angestellte der Flüchtlingshilfe“ dienen sollte. Eine Quelle hierfür nannte Cruise Industry News allerdings nicht, und alle drei gemachten Angaben waren zu diesem Zeitpunkt schlicht falsch: Weder hatte das Schiff seinen Werftaufenthalt beendet, noch war es auf dem Weg nach Skandinavien, und einen Vertrag mit einem neuen Nutzer in Skandinavien gab es schon gar nicht. Doch damit nicht genug. Das Online-Magazin schrieb weiter, die OCEAN GALA würde im weiteren Verlauf des Jahres 2016 nach Lateinamerika verholen und dort für einen „erfahrenen Anbieter“ Kreuzfahrten für ein Publikum durchführen, welches aus den lateinamerikanischen Ländern rekrutiert werden sollte. Auch würden für 2016 noch weitere Hotelschiff- oder Chartereinsätze erwogen. Ein ganz schön straffes Programm für ein Schiff, das noch Wochen zuvor knapp der Verschrottung entgangen war!
Noch genauer wollte es dann ausgerechnet die BILD-Zeitung wissen. Am 23.12. titelte das Blatt, ein belgischer Milliardär würde der Stadt Hamburg anbieten, bis zu 3.000 Flüchtlinge auf seinen Kreuzfahrtschiffen unterzubringen. Belgische Milliardäre gibt es aber gerade einmal drei, und von denen ist bisher auch keiner durch größere Aktivitäten in der maritimen Branche aufgefallen – von den „14 weiteren Kreuzfahrt-Riesen“, welche die BILD-Zeitung ihm andichtete, ganz zu schweigen. Dafür tauchte auch hier wieder die OCAN GALA explizit in Wort und Bild auf, genauso wie die portugiesische FUNCHAL, die jedoch beide mitnichten in belgischem Besitz sind. Immerhin kommt, auf das „Angebot“ angesprochen, in dem Artikel eine Senatssprecherin zu Wort. Man habe in Hamburg leider „keine tideunabhängigen Liegeplätze für diese Schiffe“. Für den Harburger Binnenhafen seien sie zu groß, und überhaupt wäre ein Umbau für die Zwecke der Stadt viel zu teuer. Der BILD-Artikel war also eine klassische Ente, wieder einmal.
Anfang Januar 2016 nahm sich jedoch das deutsche SeereisenPortal der Meldung an und recherchierte die Schoeller Holdings Ltd. (Heinrich Schoeller) auf Zypern als neuen Eigner der OCEAN GALA. (Demzufolge hatte der Verkauf des Schiffes bereits am 27.11.2015 stattgefunden.) Dessen Website ist zwar höchst professionell gestaltet, zeigt jedoch unter „Our Fleet“ leider weit und breit kein einziges Passagierschiff, auch nicht die OCEAN GALA. Stattdessen jede Menge Tanker, Bulker und Containerschiffe. Allerdings kommt der interessierte Besucher der Website im Menü „Shipmanagement & Services“ zur 1978 in Hamburg gegründeten Schoeller-Firma Columbia Shipmanagement, womit sich der Kreis zur einzigen gesicherten Information von Ende November auf schöne Weise schließt. Ebenfalls wiederholt jedoch auch das SeereisenPortal ohne Nennung einer Quelle das Gerücht, skandinavische Behörden seien an einer 6-Monats-Charter des offiziell noch immer ISLAND ESCAPE heißenden Schiffes interessiert. Doch auch Mitte Februar lag besagter Kreuzfahrer noch immer in der Werft in Brest, und gesicherte Informationen über seinen Verbleib gab es weiter keine. Erst am 17. Februar war das Schiff dann plötzlich auf dem Weg von Brest nach Rotterdam – für „fuel and parts“, wie es hieß. Zur selben Zeit bestätigte jedoch die schwedische Einwanderungsbehörde, dass man die OCEAN GALA tatsächlich als Wohnschiff für 1.800 Flüchtlinge gechartert habe. Als Liegehafen meldeten schwedische Medien schnell das nördliche von Sundsvall gelegene Härnösand. Allein – die dortigen Behörden lehnten diesen Vorschlag auch genauso schnell ab. Und so verholte die OCEAN GALA schon am Abend des 18. Februar von Rotterdam zunächst nach Kristiansand, nicht wirklich nach Schweden also. Quo vadis, ISLAND ESCAPE? Eines ist gewiss, die Saga der ehemaligen SCANDINAVIA geht weiter.
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