Der Seeweg ist der für den internationalen Handel wichtigste Transportweg. Rund 85 Prozent der Frachtmengen werden global per Schiff transportiert. Der Seeverkehr verursacht aber auch vielfältige Umweltbelastungen: Dazu gehört neben Havarien und Leckagen, der Einleitung von Abwässern und der Müllentsorgung vor allem auch die Emission von Luftschadstoffen. Weiterhin das unsachgemäße Reinigen von Ölschlamm, sowie das Verschleppen von Organismen in fremde Ökosysteme mit dem sogenannten Ballastwasser.
Die Verminderung dieser Umweltbelastungen und grundsätzlich die Verbesserung des Umweltschutzes in der Schifffahrt wird als „Green Shipping“ bezeichnet. In jüngerer Zeit steht dabei die Verminderung der Treibhausgasemissionen (Wasserdampf, Methangase, Kohlenstoffdioxid, FCKW und Distickstoffoxid) im Vordergrund. Weltweit sind etwa 2,5 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Seetransport zurückzuführen. Um die Emissionen zu senken, wurden unter anderem in bestimmten Seefahrtgebieten verschärfte Grenzwerte eingeführt. So ist seit Anfang 2015 für Fahrten in der Nord- und Ostsee, sowie im Ärmelkanal der Schwefelgehalt im Kraftstoff auf 0,1 Prozent limitiert. Damit die Grenzwerte eingehalten werden, muss die bestehende Schiffsflotte umgerüstet werden. So kann ein Schiff mit Abgasnachbehandlungsanlagen nachgerüstet oder mit einem schadstoffärmeren Kraftstoff als dem in der Seefahrt überwiegend verwendeten stark schwefelhaltigen Schweröl betrieben werden. Für die Zukunft ist eine weitere Zunahme des Seetransports und der durch ihn verursachten Luftschadstoffe zu erwarten. Die bislang auf EU-Ebene sowie weltweit getroffenen Übereinkünfte reichen indes nicht aus, um die durch die Schifffahrt verursachten Treibhausgasemissionen nachhaltig zu senken.
Die Reedereiwirtschaft in der Region Ems-Achse (Leer-Papenburg-Haren) zeichnet sich durch eine außergewöhnliche hohe wirtschaftliche Dynamik aus. Sie zählt heute zum zweitgrößten Reedereistandort Deutschlands. Mit einer Flotte von derzeit 43 Seeschiffen verschiedener Größen und Arten ist die Wessels Reederei GmbH in Haren an der Ems einer der größten deutschen Manager von Küstenmotorschiffen. Das Unternehmen beschäftigt rund 45 Mitarbeiter am Standort.
Wir haben mit Gerd Wessels, dem Geschäftsführer des Unternehmens, gesprochen:
VEUS Shipping: Herr Wessels in Ihrem Unternehmen hat Nachhaltigkeit einen sehr großen Stellenwert. Was verstehen Sie unter Green Shipping?
Gerd Wessels: Unter Green Shipping werden grundsätzlich alle Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes in der Schifffahrt verstanden. Im Vordergrund steht in jüngerer Zeit die Verminderung von Schadstoffemissionen der in der Schifffahrt eingesetzten Antriebstechnologien und Kraftstoffe. Weiterhin geht es darum, die illegale Entsorgung von Ölrückständen einzudämmen. Darüber hinaus gehört zu Green Shipping die Verminderung der Müllentsorgung auf See, sowie der Einleitung von Abwässern. Die Verringerung von Emissionswerten und die Entwicklung neuer, sowie die Nutzung alternativer Antriebssysteme spielen für uns hierbei eine wichtige Rolle. Kontinuierlich suchen wir in diesem Zusammenhang nach immer neuen Möglichkeiten.
VEUS Shipping: Mit welchen Maßnahmen treten Sie den wichtigsten Umweltbelastungen entgegen?
Gerd Wessels: Wir haben in den vergangenen Jahren ständig Innovationen auf den Weg gebracht, die auf dem Sektor der Schifffahrt für Nachhaltigkeit sorgen. So gehört die SkySails-Technologie, die wir bereits 2007 als erster Reeder der Welt unterstützt und vorangebracht haben, zu einem wichtigen Meilenstein des Green Shipping. Weitere Mitwirkungen an Forschungsprojekten zur Verbesserung windunterstützter Schiffsantriebe, beispielsweise in der Startphase im Mariko (Maritimes Kompetenzzentrum, Leer) mit dem Thema innovativer Wind Hybrid Coaster, sind seitdem gefolgt. Die Verbesserung des Schiffsantriebes und eine optimale Leistungsausnutzung stehen bei uns immer im Fokus. So haben wir mittlerweile elf Schiffe des Typs Rhein-M mit Schneekluth-Düsen (durch die Zustromausgleichdüse wird der Wasserzustrom zum Propeller stossfrei und geradlinig auf den Propeller gerichtet) ausgerüstet, durch die wir 200 bis 400 Liter Schweröl am Tag einsparen. Und das auf jedem dieser elf Schiffe. Weitere Aufrüstungen mit den Schneekluth-Düsen werden in naher Zukunft realisiert.
Unsere bisherigen Initiativen reichen von der Einrichtung antriebsverbessernder Maßnahmen, bis zur Softwareeinführung, der Steigerung der Energieeffizienz und der Entwicklung alternativer Antriebssysteme.
Unser neuestes Projekt für mehr Umweltschutz in der Seeschifffahrt ist der Umbau unseres Containerschiffs WES AMELIE, (1.036 TEU) auf umweltfreundlichen Erdgas-Betrieb – es wird die weltweit erste Umrüstung eines Containerschiffs von Schweröl auf Erdgas-Betrieb sein. Gemeinsam mit MAN D&T, sowie Marine Gas Engineering, TGE, haben wir in den letzten zwei Jahren eine mögliche Umrüstung der Antriebsanlagen unserer 1.000 TEU-Containerschiffe von Schweröl auf Erdgas geprüft. Auch den Einbau einer Abgasreinigungsanlage (Scrubber), die die Verwendung von Schweröl auch in den ECA-Zonen ermöglicht, haben wir eingehend untersucht. Wir haben uns gegen den Scrubber, aber für die Umrüstung auf den Erdgasbetrieb entschieden. Scrubber haben eine deutlich schlechtere Umweltbilanz als Erdgas – und sie verlängern gleichsam die weitere Nutzung von Schweröl. Des Weiteren ist der Einsatz in verschiedenen nationalen Fahrtgebieten von Open-Loop und Closed-Loop Anwendungen unklar. Aus unserer Sicht sollte deswegen der Kurs auf umweltfreundliche und alternative Kraftstoffe, wie z.B. Erdgas, genommen werden.
Eine wichtige Herausforderung der Umrüstung auf Erdgas-Betrieb liegt aber ohne Frage in der Finanzierung. Sie ist deutlich teurer und aufwändiger als der Einbau einer Abgasreinigungsanlage. Zusätzlich zum eingesetzten Eigenkapital, ist zumindest bei den ersten Umrüstungsprojekten eine externe finanzielle Förderung absolut wichtig.
VEUS Shipping: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird die WES AMELIE nicht das einzige Schiff bleiben, was Sie umrüstung wollen?
Gerd Wessels: Richtig – bei der Auswahl des Schiffes wurde ganz besonders darauf geachtet, dass ein hoher Multiplikatoreffekt erzielt werden kann, sprich: dass möglichst weitere Folgeprojekte von dieser ersten Umrüstung profitieren. Für die Umrüstung wurde daher die „WES AMELIE“, ein 1.000 TEU Feeder-Containerschiff ausgewählt. Dieses junge Schiff wurde in einer größeren Serie gebaut, welche ebenfalls überwiegend im europäischen Feederverkehr beschäftigt sind. 16 baugleiche Schwesterschiffe stünden allein für eine identische Erdgas-Umrüstung zur Verfügung. Die auf allen 16 Schiffen verbaute Hauptmaschine vom Hersteller MAN ist schon in zahlreichen, landseitigen Generatorversionen erfolgreich auf Erdgas umgerüstet worden. Somit wurden schon im Vorfeld des folgenden Umbaus wertvolle Praxis-Erfahrungen und Know-how gesammelt.
Ich bin davon überzeugt, dass auch Schiffseinheiten anderer Reedereien von den praktischen Erfahrungen, die in diesem Pilotprojekt gesammelt werden, profitieren. Mit dem Anstieg der Stückzahl würden sich zukünftige Umrüstungen betriebswirtschaftlich immer stärker rechnen. Generell lässt sich so sukzessive das Budget für weitere LNG-Umrüstungsprojekte deutlich reduzieren. Eine finanzielle Förderung könnte so langfristig obsolet werden.
VEUS Shipping: Aktuell reicht die bestehende LNG-Infrastruktur selbst in viel besuchten Häfen für eine flächendeckende Versorgung von Seeschiffen nicht aus. Was muß Ihrer Meinung nach getan werden, um diesen Mißstand zu reduzieren?
Gerd Wessels: Der Ausbau von Erdgas in der maritimen Wirtschaft leidet unter einem – auch in anderen Bereichen – bekannten „Phänomen“: Dem sogenannten „Henne-Ei-Problem“. Auf Erdgas heruntergebrochen heißt das: Ohne aktuelle Nachfrage wird es auch keine belastbare LNG-Infrastruktur (oder Angebot) geben – und umgekehrt. Für beide Seiten ist der finanzielle Anreiz zu niedrig und das unternehmerische Risiko zu hoch um aktiv zu werden. Solange der Vorteil des Erdgas-Einsatzes aufgrund einer unzureichenden LNG-Versorgung nicht realisiert werden kann, werden die Reeder in der aktuell noch angespannten Marktphase aber nicht bereit sein, das volle Investitionsrisiko zu tragen.
Unser aktuelles Erdgas-Projekt hat somit auch das Ziel, wichtige Impulse für die Schaffung einer soliden LNG-Nachfragestruktur zu setzen und so den Aufbau einer belastbaren LNG-Infrastruktur (logistisch wie rechtlich) voranzutreiben.
Wir sind überzeugt: Die sukzessive Umrüstung von bereits in Fahrt befindlichen Schiffseinheiten wird die Nachfrage nach Erdgas und somit dem zwingend erforderlichen Ausbau der LNG-Infrastruktur durch die Lieferindustrie weiter stimulieren.
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Über Gerd Wessels:
Gerd Wessels (Jahrgang 1971) studierte nach Lehre und Fach-Abitur Schiffbau & Meerestechnik an der Hochschule Bremen. Wichtige Erfahrungen sammelte er im Anschluss an das Studium als Klasseinspektor beim Germanischen Lloyd, mit dem er heute noch als Mitglied des GL-Umweltausschusses eng zusammenarbeitet. Nach zwei Jahren in verantwortungsvoller Position im Unternehmen der Familie übernahm Gerd Wessels am 31.12.2004 im Alter von 33 Jahren von seinem Vater die Geschäftsführung der Wessels-Gruppe. Wie vom Senior erwartet, brachte er frischen Wind in das Unternehmen, indem er dessen Effizienz steigerte und es erfolgreich auf neue Geschäftsfelder führte.
Gerd Wessels legt den Schwerpunkt insbesondere auf Neubauten und die Verjüngung der Flotte, sowie auf den Ausbau der Geschäftsbeziehungen in Asien. Der Begriff Verantwortung umfasst dabei für Gerd Wessels neben der Sicherung der Unternehmenszukunft auch den Schutz der Umwelt. Höchste Priorität hat für den zweifachen Familienvater und engagierten Jugendfußballtrainer in seinem Heimatort Haren, deshalb die Nachhaltigkeit seines Handelns.