Nordseeschützer lehnen Zuständigkeits-Änderungen durch Verwaltung ab / Politik soll entscheiden
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, SDN, erkennt einen erheblichen Aufklärungsbedarf bei der vom Leiter des Havariekommandos, Hans-Werner Monsees, geplanten „Umstrukturierung“, in deren Zuge an mehreren Standorten an Nord- und Ostsee Sonder-Einsatz-Gruppen für die Schiffsbrandbekämpfung abgeschafft werden sollen. Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen, hat zwar Verständnis für eine regelmäßige Überprüfung von Strukturen und Einsatzkonzepten „…es komme allerdings darauf an, wer welches Fazit daraus zieht und umsetzt“.
Nach Presseberichten plant das HK die Reduzierung der vorhandenen, für Großschadenslagen auf See bestens ausgebildeten Feuerwehren und Rettungsdienste, entlang der Nord- und Ostseeküste, um zukünftig mit wenigen, für Spezialaufgaben qualifizierten Einsatzkräften frühzeitiger und schneller eingreifen zu können. „Diese als „Umstrukturierung“ verharmloste Änderung von Zuständigkeiten gefährdet nicht nur die Verfügbarkeit ausreichender Kräfte bei Schiffsbränden oder bei einem Massenanfall von Verletzten, z. B. bei einer Fähren-Havarie“, gibt Harrsen zu bedenken. Denn das HK will zukünftig nicht mehr nur die Zusammenarbeit der verschiedenen Zuständigen mit deren bewährten Einsatzkräften koordinieren, sondern für sich selbst eigene Zuständigkeiten schaffen, um bei Schiffsunfällen Spezialisten zum Unfallort bringen und dort führen zu können.
Die SDN erinnert daran, dass ein Grund für die Havarie des mit Holz beladenen Frachters „Pallas“, der 1998 brennend auf Amrum zutrieb und dort strandete, die unterschiedlichen Zuständigkeiten des Bundes und der Küstenländer waren. Das habe seinerzeit ein einheitliches und koordiniertes Vorgehen der Einsatzkräfte erschwert. Als ein Ergebnis aus den Erfahrungen hatten Bund und Küstenländer eine gemeinsame Einrichtung zum Aufbau und zur Durchführung eines gemeinsamen Unfallmanagements bei komplexen Schadenslagen auf Nord- und Ostsee geschaffen: das „Havariekommando“.
„Und dessen Auftrag“, so der Vorsitzer, „ist gesetzlich festgelegt und soll auch so bleiben“. Bei komplexen Schadenslagen soll das HK durch Übernahme der Gesamt-Einsatzleitung die Einsatzkräfte und -mittel, die ihm von Bund und Küstenländern bereitgestellt worden sind, koordinieren und leiten.
Bund und Länder haben mit erheblichen Haushaltsmitteln an der gesamten Küste Einsatzkräfte für die Schiffsbrandbekämpfung und die Verletztenversorgung auf See qualifiziert. Außerdem wurden diese Sonder-Einsatz-Gruppen mit Spezialgeräten ausgerüstet, dass per Schiff oder Hubschrauber bei Einsätzen nach See gebracht werden kann. „Dafür sind wir Politik und Verwaltung dankbar, die dafür Gelder bewilligt haben“, sagt Bürgermeister Gerd-Christian Wagner aus Varel.
Wenn nun das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) plant, diese Struktur zu ändern, muss das von den politischen Gremien in Bund und Ländern zunächst beraten und beschlossen werden, betont Harrsen. Der Versuch der Verwaltung, derartige grundlegende Änderungen über einen Verwaltungsbeschluss des „Kuratoriums Maritime Notfallvorsorge“ ohne Beteiligung von Öffentlichkeit und Politik zu beschließen, ist nach Harrsen‘s-Meinung durch die Vereinbarung nicht abgedeckt. Rechtsgrundlage für die Einrichtung und das Handeln des HK ist – zumindest in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern – ein vom Landtag beschlossenes Gesetz. „Und das kann nicht von Verwaltungsbeamten in einem Kuratorium so massiv verändert werden!“
Für den verkehrsbezogenen Brandschutz ist ausschließlich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) zuständig. Sie unterstützt bei Schiffsbränden die Bord-Feuerwehr – alle Seeleute sind nach internationalen Standards dafür ausgebildet – mit den Feuerlöschkapazitäten der Mehrzweckschiffe und Notschlepper. „Wenn der Bundesverkehrsminister Schiffsbrandbekämpfungs-Spezialisten braucht, muss die WSV sie bekommen und nicht das HK !“, stellt Dieter Harrsen fest. Die Bundesregierung darf diese Verantwortung und Zuständigkeit nicht von der WSV auf eine gemeinsame Koordinierungseinrichtung verlagern, um die Küstenländer an diesen Bundes-Kosten zu beteiligen. Harrsen: „Wir brauchen weiterhin die bewährten Sonder-Einsatz-Gruppen für die Schiffsbrandbekämpfung bei den kommunalen Feuerwehren, zukünftig eher mehr als weniger.“
Differenziert bewertet die SDN auch die Aussagen des HK zur Erreichung von schnellen Lagebildern auf Nord- und Ostsee durch den Einsatz von Hubschrauber. Dafür empfehlen die Nordseeschützer dem BMVI eine Kontaktaufnahme mit der Gesellschaft für Flugzieldarstellung „GFD“, die eine Staffel (14 Learjets) exzellent ausgerüstete, schnelle Flugzeuge in Hohn bei Rendsburg – mitten zwischen Nord- und Ostsee – betreibt. Diese „fliegenden Augen“ können hochauflösend, präzise und schnell Lagebilder aus der Luft liefern. Ebenso verwundert Harrsen, dass das HK nicht auf die BMVI-eigenen, bereits vorhandenen zwei Überwachungsflugzeuge zurückgreift. Sie sind in Nordholz stationiert, mit moderner Technik ausgerüstet, schneller als Hubschrauber und haben wesentlich längere Reichweiten.
Die SDN empfiehlt Bund und Ländern, nach über zehn Jahren jetzt eine Bestandsaufnahme zu der Frage durchzuführen, welche Ressourcen zurzeit an den deutschen Küsten bei Behörden und Unternehmen vorhanden sind und in ein modernes Küstensicherheitssystem eingebunden werden können, ohne die unter anderem bei den Feuerwehren vorhandenen Einsatzkräften für die Schiffsbrandbekämpfung und Verletztenversorgung zu schwächen.
Beitrag: Hans von Wecheln/PP