Scandlines stellt neue Dänemark-Fähre BERLIN in Dienst

Scandlines-Fähre BERLIN einlaufend Warnemünde.
Scandlines-Fähre BERLIN einlaufend Warnemünde. © Scandlines

Am 03. Mai ist im Rostocker Seehafen die neue Scandlines-Fähre BERLIN feierlich getauft worden. Die Erleichterung war an diesem sonnigen Vormittag allen Anwesenden ins Gesicht geschrieben, ging damit doch eine vierjährige „Leidenszeit“ zu Ende, in der drei verschiedene Werften an Konstruktion, Rück- und wieder Neubau der Fähre beteiligt waren, mit immer neuen Verzögerungen und Verspätungen als Folge.

Nachdem Scandlines auch den zuletzt versprochenen Indienststellungstermin „Ostern 2016“ hatte verstreichen lassen müssen, konnte die BERLIN Mitte April endlich auf ihre Probefahrt gehen, die sie Ende des Monats auch erfolgreich beendete. 150 geladene Gäste verfolgten dann am 03. Mai die Taufe des Schiffes. Nach einer kurzen Ansprache durch den Scandlines-CEO Søren Poulsgaard Jensen trat Ines Rehberg ans Pult, die Scandlines als Taufpatin auserkoren hatte. Ines Rehberg ist die Ehefrau von Eckhardt Rehberg, dem Beauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Maritime Wirtschaft. Den Täufling nannte sie im Rahmen ihrer Rede in bester Tradition nur „Bau-Nr. 502“, ehe sie ihm gegen 11:50 Uhr die berühmte „Handbreit Wasser unter dem Kiel“ wünschte und auf den Namen der deutschen Hauptstadt taufte.

Stralsund – Hamburg – Munkebo

Besagte Handbreit Wasser unter dem Kiel hatte das Schiff jedoch schon während der Bauphase lange Zeit nicht. In Auftrag gegeben im März 2010, sollte die BERLIN (und wenig später auch ihr Schwesterschiff COPENHAGEN) eigentlich bereits im Frühjahr 2012 in Dienst gestellt werden. Anfang 2012 war jedoch absehbar, dass die P + S Werften in Stralsund diesen Termin nicht einhalten konnten. Schnell wurde auch klar, warum: Die Schiffe waren zu schwer, der vereinbarte Tiefgang war überschritten. Die Handbreit Wasser unter dem Kiel hätte den Fähren in den flachen Gewässern vor Gedser also mitunter gefehlt. Ende August 2012 muss die Bauwerft sogar Insolvenz anmelden; der Bau der Scandlines-Schiffe war zu diesem Zeitpunkt zwar fortgeschritten, die Fähren jedoch immer noch zu schwer. Im November kündigt Scandlines daher den Bauvertrag, schließt stattdessen im Juli 2013 eine Vorvereinbarung zum Bau zweier ähnlicher Schiffe mit STX in Finnland. Doch auch diese Werft steckt in finanziellen Schwierigkeiten, zu einem Festvertag kommt es nicht. Stattdessen zur Kehrtwende in Stralsund, denn nun will die Reederei die halbfertigen Schiffe plötzlich doch wieder. Kauft sie im März 2014 dem Insolvenzverwalter zu einem Bruchteil des ursprünglich vereinbarten Preises ab, muss sie nun jedoch auf einer anderen Werften nicht nur fertigstellen, sondern auch entkernen lassen. Im April werden sie dazu zu Blohm & Voss Repair nach Hamburg geschleppt, doch wird man sich dort über Preis und Termine nicht einig. Stattdessen bekommt die dänische Fayard den Zuschlag. Erneut werden die BERLIN und COPENHAGEN verholt, diesmal nach Munkebo bei Odense, wo sie im Juli 2014 eintreffen. Doch auch hier hat man den Umfang der notwendigen Arbeiten unterschätzt, wieder kommen und verstreichen versprochene Ablieferungstermine. Erst Anfang 2016 sieht man endlich Licht am Ende des Tunnels.

Vier Fähren in zehn Jahren?

Bitter nötig sind die neuen Schiffe jedenfalls. Immerhin hatte die Reederei Scandlines im Jahr 2015 auf der Fährlinie Rostock – Gedser 9,6% mehr PKWs und 6,3% mehr Passagiere befördert als im Vorjahr. Wie Gernot Tesch von der Hafenentwicklungsgesellschaft HERO in seiner Rede erklärte, habe es darüber hinaus jedoch in den vergangenen vier Jahren wegen der Kapazitätsengpässe auf der Linie Rostock – Gedser auch eine Verlagerung von Verkehrsströmen zugunsten der Fährlinien ab Swinoujscie gegeben. Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling und sein dänischer Amtskollege John Braedder schwärmten dann auch in ihren Taufreden davon, dass in zehn Jahren vier Fähren im Stundentakt auf der Route verkehren könnten; Namensvorschläge für die Schiffe habe man bereits. Doch bis dahin müssen sich die BERLIN und COPENHAGEN nun erst einmal im täglichen Einsatz bewähren.

Von der Hybrid- zur Plug in-Fähre

Ein Gutes hatte der „lange, steinige Weg“ (Poulsen) allerdings: Denn was 2010 noch als eine konventionelle Fähre mit nur einer vagen Option auf eine mögliche zukünftige Umrüstung auf Erdgas-Antrieb konzipiert war, ist am Ende eine der umweltfreundlichsten Fähren der Ostsee geworden. Mit dem Ausbau eines von fünf Dieselmotoren schuf die Reederei an Bord nämlich Platz für einen Satz leistungsfähiger Akkumulatoren, welche die BERLIN zur Hybrid-Fähre machen. Überschüssige Energie aus dem Dieselbetrieb wird so genutzt, um die Energiespeicher an Bord aufzuladen, die wiederum zum Einsatz kommen, um andere Bordsysteme zu speisen und so helfen, den Treibstoffverbrauch zu senken. Doch dies ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu komplett emissionsfreien Fähren. Als nächstes sollen die neuen Scandlines-Schiffe zu „Plug In-Hybridfähren“ werden. Sobald die Voraussetzungen hierfür geschaffen sind, sollen die Bordakkumulatoren während der 15minütigen Liegezeit der Schiffe in den Häfen durch entsprechende landseitige Akkubänke aufgeladen werden. Beim Auslaufen aus dem Hafen würde die BERLIN dann durch Akkumulatorenleistung angetrieben und erst auf See auf Dieselbetrieb umstellen. Wo wiederum überschüssige Energie erneut zum Aufladen der Akkus genutzt wird, mit deren Hilfe die Fähre im Zielhafen manövrieren und anlegen soll.

An Bord

Investitionen von mehr als 140 Mio. € pro Schiff hat sich Scandlines den Großumbau der BERLIN und COPENHAGEN kosten lassen, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Auf dem Hauptpassagierdeck (Deck 7) befindet sich vorne das Büffet-Restaurant, von dem aus sich durch die großen Panoramafenster ein herrlicher Blick in Fahrtrichtung bietet. Mittschiffs geht die Caféteria „FoodXpress“ an Backbord in eine Arkade über, wo gepolsterte Sessel und Bänke ebenfalls zum Verweilen mit Meerblick einladen. Auch die Snack Bar „Good to go“ befindet sich hier, während der achtere Bereich des Schiffes vom großen Onboard-Shop und (wiederum an der Backbord-Arkade) einem Kinderspielbereich eingenommen wird. Auf Deck 8 darüber sind vorne die Besatzungsunterkünfte gelegen und weiter achtern das „Xpresso“, eine Mischung aus Caféteria und Aussichtssalon, die jedoch nur bei Bedarf geöffnet wird. Gleich nebenan befindet sich die kleine Scandlines Lounge, ein Ruheraum mit Nachrichten- und WLAN-Empfang, dessen Benutzung kostenpflichtig ist.
Die Inneneinrichtung insgesamt kommt in skandinavisch-kühlen Farbtönen und Materialien daher, gefällt jedoch durch ihre Offenheit und Übersichtlichkeit. Es mag im Jahr 2016 spektakulärere Passagierschiffe geben, doch für die Zwei Stunden-Verbindung zwischen Rostock und Gedser hat Scandlines mit der BERLIN einen ansprechenden Neubau in Fahrt genommen, dem nun endlich eine lange und hoffentlich erfolgreiche Einsatzzeit bevorsteht.
www.scandlines.de

BERLIN-Kapitän Hartmut Adam und Taufpatin Ines Rehberg.FoodXpress Arkade.Büffet-Restaurant.

Technische Daten MS BERLIN:

Bauwerft : Fayard AS, Munkebo 2016
Eigner : Scandferries ApS, Kopenhagen
Reederei : Scandlines ApS, Kopenhagen
Flagge : Deutsch
Heimathafen : Rostock
IMO-Nummer : 9587855
Rufzeichen : OXHC2
Länge : 169,50 m
Breite : 25,40 m
Tiefgang : 5,50 m
Tonnage : 22.319 BRZ
Leistung : 18.000 kW
Motoren : 4 MaK Typ 9M32CCR
Geschwindigkeit : 20,5 Knoten (maximal 22)
Autos : 460
LKWs : 96
Stellfläche : 1.600 Lademeter
Passagiere : 1.300
Energiespeicher : 1 Siemens 1.500 kWh
Abgaswäscher : vier SOx-Scrubber in den Schornstein integriert

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Kai Ortel
Redaktionsmitglied bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Kreuz- und Fährschifffahrt.