Wissenschaftler schlagen Alarm
Vermüllte Meere: Der große Müllstrudel im Pazifik ist seit den 1970er Jahren exponentiell gewachsen, wie eine neue Messkampagne enthüllt. Inzwischen ist der „Great Pacific Garbage Patch“ dreimal so groß wie Frankreich und umfasst 1,8 Billionen Plastikteile – 250 für jeden Erdbewohner. Überraschend dabei: Unter den Abfallstücken sind viel mehr größere Teile als erwartet. Sie machen gut 90 Prozent der Masse aus, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Neue Daten liefert nun die bisher größte Vermessung des pazifischen Müllstrudels. Laurent Lebreton, Initiator der Ocean Cleanup Foundation in Delft und seine Kollegen haben dafür im Sommer 2015 den Müllstrudel mit 30 Schiffen gleichzeitig durchfahren und Proben der Wasseroberfläche genommen. Zusätzlich vermaßen zwei Forschungsflugzeuge das Gebiet von der Luft aus.
Er ist die größte Müllhalde unseres Planeten: Im „Great Pacific Garbage Patch“ sammelt sich so viel Plastik wie sonst nirgendwo im Meer. Ozeanströmungen treiben den Müll hier, nördlich des Äquators und auf halbem Weg zwischen Kalifornien und Hawaii zusammen. Doch wie viel Plastik hier tatsächlich im Meer treibt, wie groß dieser Müllstrudel inzwischen ist und woher der Kunststoff kommt, war bisher unklar.
Dreimal so groß wie Frankreich
Das Ergebnis: Der Great Pacific Garbage Patch ist noch größer als zuvor angenommen – und seine Plastikmenge wächst exponentiell. Der Müllstrudel erstreckt sich inzwischen über 1,6 Millionen Quadratkilometer Meeresfläche – das entspricht der dreifachen Fläche Frankreichs. In diesem Areal schwimmen rund 80.000 Tonnen Plastikmüll im Wasser, das sind vier bis 16-mal mehr als bisher angenommen, wie die Forscher berichten.
Die Zahl der Plastikstücke liegt bei 1,8 Billionen – auf jeden Menschen weltweit kommen damit rund 250 Plastikstücke im Müllstrudel. Wie die Schiffsmessungen ergaben, hat die Dichte des Müllstrudels in den letzten Jahrzehnten drastisch zugenommen: „Sie ist exponentiell gestiegen von 0,4 Kilogramm pro Quadratkilometer in den 1970er Jahren bis zu 1,23 Kilogramm pro Quadratkilometer im Jahr 2015“, berichten die Wissenschaftler.
Erstaunlich viele große Stücke
Überraschend jedoch: Entgegen den Erwartungen bestand ein Großteil des Müllstrudels nicht aus Mikroplastik. Stattdessen machten größere Plastikstücke 92 Prozent der Gesamtmasse aus, nur acht Prozent waren Mikroplastik. „Wir waren überrascht, wie viele große Plastikstücke wir fanden“, sagt Lebretons Kollegin Julia Reisser. Mit 46 Prozent hatten Reste von Fischernetzen den größten Anteil, gefolgt von mittelgroßen Stücken wie Plastikkisten, Aalreusen oder Flaschen.
„Unsere Ergebnisse verändern damit – erneut – unser Bild des großen Müllstrudels“, sagt Lebreton.
„In den 1990ern hatten man die Vorstellung dieser riesigen Insel aus Plastik, auf der man fast schon laufen konnte.“ Das wandelte sich zum Bild eines Gebiets, in dem vor allem kaum sichtbare Mikroplastikteile umherschwimmen. „Jetzt sehen wir, dass die Wahrheit dazwischen liegt“, so Lebreton. Denn auch wenn Mikroplastik in Bezug auf die Zahl der Partikel dominiert, machen größere Plastikteile den Großteil der Masse aus.
Spuren des Japan-Tsunamis
Woher kommt der Plastikmüll? Auch dafür entdeckten die Wissenschaftler Hinweise: „Wir fanden 386 Objekte mit noch lesbaren Aufschriften“, berichten sie. „Ein Drittel davon war japanisch beschriftet, ein weiteres knappes Drittel chinesisch. Der Rest verteilte sich auf neun weitere Länder.“ Die Forscher vermuten, dass ein Großteil des japanischen Plastikmülls beim „Tohoku-Tsunami“ vom März 2011 ins Meer gespült und dann von Strömungen bis zum Müllstrudel transportiert worden ist.
Erstaunlich dabei: Gut die Hälfte des Plastikmülls scheint aus der Fischerei, Aquakultur und anderen maritimen Quellen zu stammen. „Unsere Modelle sagen jedoch voraus, dass Plastikreste aus landbasierten Quellen dominieren müssten“, sagen die Forscher. Sie vermuten, dass ein großer Teil des vom Land ins Meer gespülte Plastiks nicht lange schwimmt.
Hohe Dunkelziffer
„Schwimmfähiges Plastik macht nur rund 60 Prozent der globalen Kunststoff-Nachfrage aus“, so Lebreton und seine Kollegen. „Fast die Hälfte des in die Ozeane gelangenden Plastikmülls müsste daher schon kurz nach Freisetzung auf den Meeresgrund sinken.“ Tatsächlich belegen Studien, dass inzwischen selbst die „europäische“ und „arktische“ Tiefsee mit Kunststoffabfällen vermüllt sind.
„Es ist wichtig zu betonen, dass unsere Massen-Angaben konservative Schätzungen sind“, sagen Lebreton und seine Kollegen. Denn viele Abfälle in den Randbereichen des Müllstrudels und unter der Oberfläche wurden kaum erfasst. Zudem repräsentieren die Daten nur einen kleinen zeitlichen Ausschnitt. Es sei durchaus möglich, dass der Müllstrudel beispielsweise zu anderen Jahreszeiten oder nach starkem Wind noch umfangreicher ist. (Scientific Reports, 2018)
Quelle: The Ocean Cleanup