In den Diskussionen zum sogenannten Diesel-Skandal der Automobilindustrie wurde der Begriff der NOx-CO2-Schere gern für die wechselseitige Beeinflussung bestimmter Abgasemissionen mit den Stickoxiden verwendet. Dabei ging es vordergründig um Ruß. Vereinfacht hieß das: weniger Stickoxide gleich mehr Ruß und umgekehrt, also das Bild der aufgehenden Schere. Von wesentlich größerer Bedeutung sind jedoch der in diesem Zusammenhang der veränderte Kraftstoffverbrauch, die daraus resultierende zusätzliche Emission von Kohlendioxid und der darüber hinaus unvermeidlich schlechtere Wirkungsgrad eines Motors.
An der Verbrennung im Dieselmotor sind folgende Komponenten beteiligt: der Kraftstoff, bestehend aus mehreren Kohlenwasserstoffverbindungen mit geringen Mengen Schwefel, und die Verbrennungsluft.
Zu einer vollständigen Verbrennung einer bestimmten Menge Kraftstoff gehört immer eine entsprechende Menge Sauerstoff aus der Verbrennungsluft. Reiner Sauerstoff ist für die Verbrennung ungeeignet, da die dabei auftretenden hohen Temperaturen nur schwer beherrschbar sind. Der Stickstoff der Luft ist am Verbrennungsvorgang nicht beteiligt. Normalerweise werden Dieselmotoren mit hohem Luftüberschuss betrieben. Je höher der Luftüberschuss ist, umso niedriger sind die Temperaturen unter denen der Verbrennungsvorgang abläuft.
Die wesentlichen Abgasbestandteile des Dieselmotors sind Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Wasser, Schwefelverbindungen, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Stickoxide in verschiedenen Formen sowie Feinstaub (Partikel). Letzterer besteht nicht nur aus Ruß, wie immer wieder abgenommen wird und gemeinhin synonym für Partikel steht, sondern auch aus metallischem Abrieb sowie Korrosionsprodukten der Additive des Kraftstoffs und des Schmieröls.
Bei den Bemühungen zur Verminderung von Abgasemissionen der Verbrennungsmotoren geht – bildlich gesprochen – eine Schere auf, vor allem Stickoxide und Kohlendioxid betreffend. Will man die gesundheitsschädlichen Stickoxide verringern, dann führt dies zwangsläufig zu erhöhten Emissionen von Kohlendioxid, da dafür mehr Kraftstoff verbrannt werden muss. Somit sinkt der Wirkungsgrad des betreffenden Motors.
Was in diesem Zusammenhang immer wieder übersehen wird, ist die unumstößliche Tatsache, dass dem Leistungsbedarf, zum Beispiel eines Schiffes, bezogen auf den Kraftstoffverbrauch, der Ausstoß von Kohlendioxid direkt proportional ist. Soll die Emission dieses sogenannten Treibhausgases – bei sonst unveränderten Parametern – vermindert werden, dann gibt es beim heutigen Stand der Technik nur die Möglichkeit, statt mit Dieselkraftstoff mit Erdgas zu fahren. Die Dieselmotoren müssen dafür auf den Gasbetrieb umgestellt werden. Sie arbeiten dann als Ottomotoren. Der Vorteil des Ottoverfahrens: Die Verbrennung des Kraftstoffs findet im Vergleich zum Dieselverfahren bei wesentlich niedrigerer Temperatur statt, folglich entsteht entsprechend weniger Stickstoffoxid. Ottomotoren benötigen deshalb bislang auch keine SCR-Anlage! Eine Alternative wäre nur, noch langsamer zu fahren als dies schon der Fall ist.
Da sich der Wirkungsgrad der Dieselmotoren auch mit erheblichem Aufwand nur sehr begrenzt verbessern lässt, sind andere wirksame Maßnahmen zur Senkung der Kohlendioxid-Emission im Bereich der Schifffahrt in naher Zukunft nicht zu erwarten. Alternative Maßnahmen zur Verringerung des Leistungsbedarfs haben im Hinblick auf eine nennenswert reduzierte CO2-Emission keine hinreichende Wirkung.
Die Stickoxid-Emission der Verbrennungsmotoren kann zunächst mit verschiedenen innermotorischen Maßnahmen reduziert werden. Dafür gibt es eine ganze Reihe erprobter und bewährter Verfahren. Doch letztlich bleibt dafür nur die selektive katalytische Reduktion der Stickoxide – das sogenannte SCR-Verfahren.
Hier beginnen die Schwierigkeiten für verschiedene Fahrzeugarten und deren Betrieb. Schiffe sind davon am wenigsten betroffen. Am stärksten dürften Stadtbusse betroffen sein: Ihr Katalysator wird nur selten die erforderliche Betriebstemperatur erreichen. Um dieses Problem zu lösen, müsste zum Beispiel im Abgasstrom zusätzlich Kraftstoff verbrannt werden. Aber damit entsteht mehr Kohlendioxid und der Wirkungsgrad der Antriebsanlage sinkt. Ähnlich ist die Situation bei den Diesel-Pkw mit dem Standard Euro 6. Auch hier wird vielfach die Betriebstemperatur des Katalysators im Stadtverkehr nicht erreicht und damit dessen wirksamer Bereich, so dass zum Beispiel eine Nacheinspritzung von Kraftstoff erforderlich wird. Die Folge: siehe oben.
Die NOx-CO2-Schere kann sich nur merklich schließen, wenn zunehmend mehr leichte statt schwere Kohlenwasserstoffe als Kraftstoff verwendet werden, am besten nur noch Methan – also Erdgas. Das wäre eine gute Übergangslösung von der Verwendung fossilen Methans auf synthetisches, CO2-neutral hergestelltes Methan, oder auch Methylalkohol, und könnte somit die endgültige Lösung sowohl für den Individualverkehr auf der Straße wie für Luftfahrt und Schifffahrt sein.
Für die weltweite Luft- und Schifffahrt mit ihrem gigantischen Kraftstoffbedarf ist aus heutiger Sicht keine alternative Lösung des Antriebs zu sehen als mit Verbrennungskraftmaschinen. Hier bleibt auf lange Sicht nur eine CO2-neutrale Herstellung der benötigten Kraftstoffe, um die Klimaziele zu erreichen.
Beitrag: Peter Pospiech und H.-J.Reuß