Gemeinsam mit dem Kieler Institut NIT (New Insights for Tourism) hat der Fährverband VFF (Verband der Fährschifffahrt und Fährtouristik e.V.) in einer repräsentativen Umfrage das Reiseverhalten der Deutschen in Sachen Fähren und Mini-Kreuzfahrten untersucht.
(Das hierzu beauftragte Marktforschungsinstitut Norstat führte im April 2018 Online-Interviews unter 2.108 Befragten im Alter von 18 bis 74 Jahren durch.) Die Ergebnisse der Studie, die langfristig angelegt ist und in den nächsten Jahren wiederholt werden soll, wurden am 15.06. in Hamburg präsentiert.
Hauptergebnis der von Ulf Sonntag (Leiter Marktfoschung NIT) vorgestellten Marktforschungsstudie ist die Erkenntnis, dass Fährreisen nicht nur bereits jetzt einen festen Platz in der Reise- und Urlaubsplanung vieler Deutscher einnehmen, sondern dass deren Bedeutung in den nächsten Jahren noch steigen wird. So gaben 30 % der Befragten an, in den letzten fünf Jahren eine Fährreise unternommen zu haben, während 49 % planen, in den kommenden fünf Jahren eine Reise mit der Fähre zu unternehmen. Auch die Übernachtungen an Bord von Fährschiffen werden der Studie zufolge zunehmen: Während in den zurückliegenden fünf Jahren 11 % der Befragten eine Fährpassage mit Übernachtung gebucht hatten, wird diese Zahl in den kommenden fünf Jahren um weitere 7 % steigen.
Dezidierte Minikreuzfahrten mit dem Fährschiff haben dem VFF zufolge 7 % der Befragten unternommen, fast doppelt so viele (13 %) jedoch wollen eine solche in den nächsten fünf Jahren buchen. So konstatiert das NIT mit der „hohen generellen Wiederholungsabsicht“ auch ein wachsendes Interesse am „maritimen Erlebnis“ einer Fährreise.
Dies ist insofern bemerkenswert, als seit der Abschaffung des Duty Free-Verkaufs innerhalb der Europäischen Union, dem Siegeszug der Billigflieger und der weltweiten Finanzkrise nicht mehr, sondern immer weniger Fährreedereien in Europa auf Tonnage gesetzt haben, bei welcher der touristische Aspekt der Überfahrt im Vordergrund steht. Andere haben insbesondere lange Nachtrouten komplett eingestellt (Hamburg/Skandinavien – England) oder diese auf Tagesabfahrten umgestellt (Dänemark – Norwegen). Ein Irrweg? Jedenfalls lassen die Ergebnisse der VFF-Studie den Schluss zu, dass vor allem jene Reedereien, die in den letzten Jahren ihren Focus verstärkt auf die Frachtbeförderung gelegt haben, in Zukunft durchaus mehr Mut an den Tag legen dürfen, was qualitativ hochwertige Bord- und Kurzreise-Angebote für Passagiere, aber auch was die Fahrplangestaltung und das eigene Routennetzwerk betrifft. Zumal auch der Boom der klassischen wie der modernen Kreuzfahrt in Deutschland und anderswo seit vielen Jahren ununterbrochen anhält.
Als Hauptgründe für die Buchung einer Reise mit der Fähre gab ein Großteil der Befragten neben der Möglichkeit der Mitnahme des eigenen PKW den Erholungseffekt („Urlaub beginnt mit der Fähre“) und das bewusste Erlebnis einer Seereise („Bedürfnis nach Entschleunigung“) an. Beides kann weder eine Flug- noch eine Bahnreise vermitteln, doch auch die Möglichkeit, das eigene Haustier und unbegrenzte Mengen Gepäck mitnehmen zu können, gehörte zu den häufig genannten Gründen pro Fähre. Die Gründe contra Fähre waren dagegen breit gefächert und teilweise diffus; ein dominierender Hauptgrund gegen das Fährschiff konnte im Rahmen der Studie nicht ermittelt werden.
Interessanterweise landete bei den Kriterien, die für eine Buchung ausschlaggebend sind, hinter dem Preis (76%) die gute Erreichbarkeit der Häfen (59%) gleich auf Platz 2. Fährhäfen ohne gute Straßen- oder Bahnanbindung oder eine adäquate Beschilderung, aber auch Linien, wo die Terminals (wie z. B. in Malmö oder Helsinki) aus Kosten- oder Platzgründen von den Innenstädten in für Passagiere unattraktive Außenhäfen verbannt werden, bekommen also vom Verbraucher offenbar schnell die „rote Karte“ gezeigt. Dagegen unternimmt man in Südeuropa, wo im Gegensatz zu vielen skandinavischen Fährlinien bisher oft der reine Beförderungsaspekt im Vordergrund gestanden hat, inzwischen (wie aktuell z. B. auf den Kanarischen Inseln) verstärkt Anstrengungen, Tagesausflüge zwischen den Inseln mit der Fähre als Kurzreisen zu vermarkten. Hierin liegt jedoch auch im Westlichen Mittelmeer (Balearen, Korsika, Sardinien, Sizilien, Malta) sowie in Adria und Ägäis noch ein großes ungenutztes Potenzial.
Im Zusammenhang mit der Präsentation der Studie wies der VFF auch darauf hin, dass nach vielen Jahren der „Flaute“ in Sachen Schiffsneubauten im Fährbereich aktuell eine Verjüngungswelle anrolle. So investieren allein die im VFF organisierten Unternehmen bis 2021 rund 2,6 Mrd. € in neue Schiffe mit einer Tonnage von über 1 Mio. GT. Das entspricht einer Beförderungskapazität von 35.600 Passagieren sowie 66.000 Lademetern für PKW und Fracht. Über diese fest georderten Fähren hinaus stehen Optionen für acht weitere Neubauten mit einer Gesamt-Tonnage von rund 450.000 GT in den Büchern.
Nach der Finanz- und der damit verbundenen Transportkrise vor zehn Jahren sowie der Verunsicherung aufgrund verschärfter Abgas- und Treibstoffvorschriften insbesondere in Nord- und Ostsee seit 2010 hat sich die Branche mittlerweile in den meisten Märkten und Fahrtgebieten wieder gut erholt, stellt der VFF fest. Positiv auf das Investitionsklima und die Neubau-Bereitschaft wirkten sich zudem die verbesserten Finanzierungskonditionen aus. „Hierzu trägt vor allem die gestiegene Zahl von Kreditgebern bei, sowie diverse EU-Subventionsprogramme speziell für umweltverträgliche „Green Ship“-Techniken“, erläutert der VFF-Vorsitzende Jens-Peter Berg. „Letztlich führen aber auch die günstigen Preise chinesischer Werften dazu, dass Reeder wieder verstärkt die Erneuerung und Erweiterung ihrer Tonnage wagen.“ Denn während noch vor einigen Jahren die (wenigen) großen Fährschiff-Neubauten für europäische Reeder auf europäischen Werften gebaut wurden, sind chinesische Werften die großen Gewinner des Neubau-Booms, da sie sowohl beim Preis als auch mit den nötigen Kapazitäten punkten können. Mit Viking Line, Stena Line, DFDS, Rederi AB Gotland, MSC (Grandi Navi Veloci) und Moby Lines haben zuletzt nicht weniger als sechs „big player“ Fährschiffe von chinesischen Werften geordert. Ob sie alle termingerecht und den hohen Anforderungen der Auftraggeber entsprechend abgeliefert werden können, bleibt dagegen abzuwarten.