Für die ab Januar 2020 weltweit geltende Regulierung der International Maritime Organisation IMO, dass der Schwefelgehalt im Schiffs-Kraftstoff 0,5 Prozent nicht mehr überschreiten darf, oder äquivalente Lösungen an Bord installiert sein müssen, um die Emission von Schwefelverbindungen entsprechend zu reduzieren, lässt sich eine Feststellung von vor vier Jahren wiederholen: Es ist – für alle alternativen Maßnahmen – später als fünf Minuten vor zwölf (vgl. Hansa, 151. Jahrgang, Nr. 8, Seite 30ff.). Insofern konnte die SMM 2018 keine Entscheidungshilfen mehr bieten.
Waren damals nur die Schiffe betroffen, die den Englischen Kanal, die Nord- und die Ostsee befahren, so geht es bis Ende 2019 darum, dass sich die Reeder von 50000 oder 70000 Seeschiffen, je nachdem, welche Schätzung von DNV GL man heranzieht, längst entschieden haben müssen, ihre Schiffe technisch nachzurüsten oder statt Schweröl nach heutigem Standard andere Kraftstoffe bunkern zu lassen. Wie immer sich die Reeder entschieden haben oder werden, fällt es nicht schwer vorauszusagen, dass der Schiffsbetrieb in jedem Fall teurer werden wird. Um die steigenden Betriebskosten aufzufangen, müssen dann die Raten zwangsläufig steigen – stabile Marktentwicklung vorausgesetzt.
Vorauszahlen oder laufend zahlen?
Ein Blick auf zwei Zahlen zeigt, dass die meisten Reeder offenbar immer noch abwarten. Bislang sollen für lediglich 1300 Schiffe Scrubber bestellt oder schon eingebaut sein, wobei man einräumt, diese Zahl könne sich bis Ende 2019 auf vielleicht 1500 ändern, während nur 270 Schiffe für den Betrieb ihrer Motoren mit Erdgas ausgerüstet seien. Da lässt sich fragen: Und was bleibt für den Rest der Welt?
Grundsätzlich stehen vier Wege offen, über die eine Einhaltung des Schwefelgrenzwertes zu erreichen ist:
- Nachrüstung von Entschwefelungsanlagen im Abgasstrang,
- Umrüstung der Dieselmotoren auf den Betrieb mit Erdgas,
- Umstellung auf Gasöl,
- Verwendung von Schweröl mit maximal 0,5 Prozent Schwefel.
Entschwefelungsanlagen
Die führenden Hersteller von Entschwefelungsanlagen für das Abgas (Scrubber) vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass die Nachrüstung der Schiffe mit Scrubbern nicht nur die einfachste, sondern auch die wirtschaftlichste Lösung sei. Begründet wird diese Auffassung mit zwei Argumenten: Die Investition in einen Scrubber steigert den Wert des Schiffes und auf lange Sicht wird der Schiffsbetrieb wesentlich billiger, da unverändert das Schweröl des alten Standards gefahren werden kann und zu erwarten ist, dass dessen Preis erheblich sinken wird.
Offen bleibt dabei die Frage, ob für so wenige Schiffe konventionelles HFO überhaupt noch flächendeckend angeboten werden kann und wird. Jedenfalls war auf der SMM zu hören, dass die Hersteller in ihren Produktionsstätten noch einigen Freiraum für Scrubber haben. Aber es geht nicht nur um die Herstellung der Entschwefelungsanlagen, sie müssen auch an Bord eingebaut werden, die dafür benötigten Liegezeiten müssen eingeplant und entsprechend Werftkapazität verfügbar sein. Ein gutes Jahr vor dem kritischen Zeitpunkt bietet diese Lösung kaum noch gute Chancen, von der Finanzierung der Maßnahme völlig abgesehen.
Umrüstung auf Gasbetrieb
Die Umrüstung der Dieselmotoren auf den Gasbetrieb ist zwar grundsätzlich bei allen Motoren möglich, scheidet jedoch bei alten Motoren entweder aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen (Restlebensdauer) völlig aus. Für das aktuelle Programm zum Beispiel von MAN und Wärtsilä gibt es für alle Motoren Umbausätze. Nach dem Umbau können die Motoren entweder im Ottoverfahren mit Gas oder im Dieselverfahren mit flüssigen Kraftstoffen betrieben werden.
Bei dieser Maßnahme ist nicht nur der Motor selbst betroffen, denn es muss schließlich auch Flüssigerdgas gebunkert werden können und eine Aufbereitungsanlage ist erforderlich, über die das Gas dem Motor zugeführt wird. Das bedeutet nicht nur, den Raum dafür zu schaffen, sondern auch die damit verbundenen Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen. Zweifellos ist dies wohl die teuerste Lösung des Problems .Ist die Finanzierung gelungen, die Umrüstung mit der gesamtem Peripherie erfolgt und von einer Klassifikationsgesellschaft angenommen, dann bleibt noch die Frage, wo kann man Flüssigerdgas bunkern?
Vielleicht erklärt neben den hohen Investitionen die weitgehend fehlende Infrastruktur die bislang äußerst niedrige Zahl der Schiffe, die „LNG-ready“ sind? Zwar wirbt besonders die Kreuzfahrtbranche für ihre neuen Schiffe mit diesem Ausdruck, doch wem hilft es, wenn der Kraftstoff nur in wenigen Häfen angeboten wird? Und nur die Stromerzeugung während der Liegezeit mit Erdgas statt mit Gasöl zu betreiben, muss zwingend hinterfragt werden, wenn das Erdgas über lange Strecken mit Tankwagen herangefahren werden muss wie zum Beispiel für im Hamburger Hafen liegende Schiffe.
Alternative Kraftstoffe
Hat sich eine Reederei nicht für die Nachrüstung von Scrubbern oder die Umstellung des Motorbetriebs auf Gas entschieden, dann kann sie nur noch abwarten, wie sich im Januar 2020 die spezifischen Kraftstoffpreise entwickeln werden. Mit Gasöl zu fahren wird vermutlich dann die teuerste Lösung sein, Doch was bleibt einem Reeder übrig, falls Schweröl mit maximal 0,5 Prozent Schwefel nicht flächendeckend angeboten wird? Immerhin sind laut Shell von der Umstellung 75 Prozent des globalen Kraftstoffbedarfs für Schiffe betroffen. Absolut sollen das weltweit 3 Millionen Barrel pro Tag sein.
Exxon Mobil will gemäß einer Pressemeldung zur SMM einen neuen Kraftstoff zunächst nur in Nordwest-Europa, im Mittelmeer und in Singapur anbieten. Shell verweist darauf, dass es letztlich nicht auf die Raffinerie-Standorte ankommt, sondern auf das Verhalten der nachgeordneten Vertriebsorganisationen.
Zum Gasölpreis hieß es auf der SMM, dieser würde sich nach 2020 wohl am wenigsten ändern, da die Schifffahrt nicht der dominierende Abnehmer wäre und er darüber hinaus an die üblichen Destillate der landseitigen Abnehmer gekoppelt sei.
Zu einem möglichen Preis für den neuen Kraftstoff LSFO (Low Sulphur Fuel Oil) wollte sich niemand äußern, obwohl die Art der Herstellung bekannt ist: Man wird konventionelles HFO soweit mit teurem Gasöl „verdünnen“, bis ein Schwefelgehalt von 0,5 Prozent erreicht ist. So ließe sich durchaus ein aktueller Tagespreis als Orientierung ermitteln, doch das ist – wie sollte es auch anders sein – nicht im Interesse der Mineralölindustrie. Sie argumentiert auch widersprüchlich, denn für das Verdünnen des HFO werden zusätzlich erhebliche Mengen Gasöl benötigt, was unvermeidlich zu Preissteigerungen führen muss.
Ein kurzer Blick zurück
Die Schwefelgrenzwerte sind 2008 von der IMO verabschiedet worden und sie wird sich vermutlich nicht kurz vor Ultimo wie beim Ballastwasser wieder zu einer Verlängerung der Fristen überreden lassen. Zehn Jahre Vorbereitungszeit sollten auch für Reedereien ausreichen, um langfristig tragfähige Entscheidungen zu treffen. Der Zulieferindustrie ist kein Vorwurf zu machen, denn sie hat schließlich rechtzeitig technische Lösungen entwickelt und marktreif gemacht. Was bleibt ist folglich, kurzfristig noch zu investieren oder langfristig dauerhaft mehr zu zahlen, doch die Strukturen der Branche machen die Sache keineswegs einfacher.
Fast nur noch ein Randthema
Die immer wieder gestellte Frage, wann im Mittelmeer vergleichbare Bedingungen für die Schifffahrt kommen werden, wie sie in der SECA Nord-Europas gelten, relativiert sich in dem Maße, wie global der Schwefelgehalt im Kraftstoff gesenkt wird. Wenn der Generalsekretär der IMO in diesem Zusammenhang auf den Willen der Mittelmeeranrainerstaaten verweist, so ist das weniger als die halbe Wahrheit. Eine Einbeziehung des Mittelmeers in die Regularien für 2015 wäre viel einfacher gewesen, als eine nachträgliche Lösung.
Ganz offensichtlich sieht die IMO keine Chancen, die Staaten rund um das Mittelmeer zu einer einheitlichen Lösung zu bewegen. So könnte man sich auf den Standpunkt stellen, 0,1 oder 0,5 Prozent Schwefel, das ist, bezogen auf 3,5 Prozent, doch nur noch ein Randthema.
Die Regularien und ihre Kontrolle
Wenn man davon ausgeht, dass selbst im Hamburger Hafen bestenfalls 5 Prozent der den Hafen anlaufenden Schiffe kontrolliert werden können (vgl. Schiffs-Ingenieur Journal Nr. 377, Ausgabe Juli/August 2018, Seite 7ff.), dann fällt es schwer, auf eine auch nur halbwegs effektive Kontrolle weltweit zu hoffen. Und was ist davon zu halten, wenn selbst Referenten des Bundes-Umweltministeriums einräumen, dass mit der Einführung des Schwefelgrenzwertes von 2020 der Anreiz, diesen zu umgehen, drastisch ansteigen wird.
Im Mai 2018 hatte der THB mit seiner „Frage der Woche“ wissen wollen: Wird die ab 2020 weltweit geltende Schwefelobergrenze wirksam zu kontrollieren sein?“ Das Ergebnis: „Eine deutliche Mehrheit, und das waren knapp 70 Prozent, sagte „nein“, so der THB.