NABU – Fachgespräch 2019
Mit der Frage, ob die internationale Schifffahrt hinsichtlich des Klimaschutzes vom Kurs abgekommen sei, hatte der Naturschutzbund Deutschland (NABU) zum maritimen Fachgespräch dieses Jahres nach Hamburg geladen.
Nachdem der NABU in den letzten Jahren nicht bereit war, die IMO als seinen „Gegner“ in Sachen des maritimen Umweltschutzes zu akzeptieren, kam erstmals so etwas wie eine Diskussion um die Rolle der IMO auf. Bislang hatte der NABU sich trotz heftiger Kritik von verschiedenen Seiten immer wieder andere Adressaten für seine Attacken gesucht.
Da auch der Verlauf dieser Veranstaltung wieder unter Zeitnot abgewickelt werden musste, blieb kein ausreichender Raum für Diskussionen. So wurde zum Beispiel überhaupt nicht angesprochen, wie man die Pariser Klimaziele erreichen will, indem man einer Branche, die nur mit rund 2 Prozent an den klimaschädlichen Emissionen beteiligt ist, eine Null-Emission verordnen möchte.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Beide, die weltweite See- wie die Binnenschifffahrt, müssen zu den Klimazielen beitragen. Das Problem ist nur, mit welchen Maßnahmen, auf Basis welcher Regularien und in welchen Zeiträumen das geschehen soll. Und hier taucht das nächste Problem auf.
Ob es sich um die Ergebnisse des Pariser Klimagipfels, um die Vorgaben der IMO zur CO2-Emission der Weltschifffahrt oder irgendwelche Erklärungen der EU oder der Bundesregierung handelt, es wurden bislang immer nur Ziele und keine Maßnahmen in den Raum gestellt. Das Fatale daran ist der daraus resultierende Sprach-Wirrwarr in der Öffentlichkeit und selbst unter Fachleuten – wie beim NABU in Hamburg -geschehen. Ständig wurden Maßnahmen und Ziele verwechselt.
Unter dem vergleichsweise geringen Einfluss der Schifffahrt auf die Gesamtemissionen ist es dringend geboten, die Diskussion in der Branche zu versachlichen und von den vom Marketing beeinflussten Präsentationen wieder zu von der Technik und deren Wirtschaftlichkeit ausgehenden Darstellungen überzugehen, um Lösungen voranzutreiben, die eine Chance auf Verwirklichung haben.
Betrachtet man allein die Verfügbarkeit der Rohstoffe, die als Energieträger in Frage kommen könnten und deren Energiedichte, dann scheiden viele Ansätze zur Lösung der Emissionsfragen von vornherein aus, oder sind für die Schifffahrt nur in Sonderfällen nutzbar. Hier sollten die EU und die Bundesregierung sich kritischer verhalten, wenn es um Entscheidungen über Fördermittel geht. Biokraftstoffe und E-Mobilität haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf dem Wasser keine Chance!
Alternative Kraftstoffe aus heutiger Sicht
Eine Übersicht zu alternativen Kraftstoffen und Techniken, die -seiner Meinung nach – im Schiffsbetrieb der Zukunft eine realistische Rolle spielen könnten, gab Thorsten Mundt von DNV GL in Hamburg.
Für die Energieträger nannte er sechs alternative Kraftstoffe, die allerdings schon von der künftigen Verfügbarkeit her gesehen starke Unterschiede aufwiesen. Das betrifft besonders die sogenannten Biokraftstoffe, die aufgrund des gigantischen Bedarfs in der Schifffahrt, wohl nur eine untergeordnete Rolle in speziellen Fällen spielen dürften. Hier darf schließlich die Konkurrenz zwischen der Nahrungsmittel- und der Kraftstofferzeugung nicht übersehen werden. Insofern ist es völlig unverständlich, dass diese Kraftstoffe immer wieder als „realistisch“ in eine Betrachtung für die Schifffahrt einbezogen werden.
Das Thema „Wasserstoff“ – und damit auch die Technik der Brennstoffzelle – standen bei dieser Übersicht zwangsläufig an letzter Stelle. Die Energiedichte des Wasserstoffs liegt unter Berücksichtigung des Aufwandes für seine Lagerung an Bord gegenüber Schweröl bei nur 10 bis 15 Prozent. Sie ist folglich so schlecht, dass davon auszugehen ist, dass dieser Weg in einer Sackgasse enden wird.
Wirklich realistische Chancen haben, wenn auch nur als Übergangslösung, solange sie nicht synthetisch hergestellt werden, Erdgas und Petroleumgas (Autogas). Die besten Chancen für den Kraftstoff der Zukunft im Schiffsbetrieb haben Methylalkohol (Methanol) und Ammoniak. Beide sind grundsätzlich für die motorische Verbrennung geeignet und es sind bereits heute entsprechende Motoren verfügbar. Die dazu gehörenden Rahmenbedingungen sind bekannt und vergleichsweise leicht beherrschbar.
Methanol und Ammoniak können relativ einfach synthetisch hergestellt werden. Voraussetzung dafür ist, unter Berücksichtigung der Klimaziele allerdings, dass ausreichend überschüssige elektrische Energie aus Windkraft und Sonnenenergie zur Verfügung steht. Dann wären diese Kraftstoffe auch gute Energiespeicher.
Den Vorteilen beider Kraftstoffe stehen zwangsläufig auch Nachteile gegenüber: Der erste ist die deutlich geringere Energiedichte von Methanol im Vergleich zu Dieselkraftstoff. Bei unveränderten Tanks reduziert sich die Reichweite eines Schiffes auf etwas weniger als die Hälfte. Ammoniak hat einen um gut 10 Prozent niedrigeren Heizwert als Methanol und damit unter denselben Rahmenbedingungen eine noch geringere Reichweite. Dann: Beide Stoffe sind giftig, Ammoniak schon in geringster Konzentration. Darüber hinaus muss es aufgrund seines Siedepunktes, der bei niedrigen -33 °C liegt, unter einem Druck von etwa 20 bar gelagert werden. Der niedrige Flammpunkt von Methanol ist dagegen weniger problematisch. Soll mit Methanol gefahren werden, dann müssen jedoch die Tanks beschichtet werden und die kraftstoffführenden Leitungen aus Edelstahl sein.
Trotz der hier genannten Nachteile ist die Umrüstung einer bestehenden Anlage auf den Betrieb mit Methanol möglich und einfacher als auf den mit Ammoniak, da bei letzterem druckfeste Tanks erforderlich sind.
Als Techniken der Zukunft stellte Mundt überraschenderweise nur Akkumulatoren, Brennstoffzellen und Windkraftsysteme heraus. Zu Letzteren lässt sich sagen, dass sie völlig unabhängig von allen Umwelt- und Klimaaspekten in jedem Fall kraftstoffsparende Lösungen sind, also auch bei der Verwendung von klimaneutral hergestellten Kraftstoffen noch ihre Berechtigung haben. Das gilt besonders für die in den 1920er Jahren von Flettner entwickelte Rotortechnik.
Akkumulatoren werden aufgrund aller damit verbundenen Probleme – auch unter Langzeitperspektive – im Bereich der Schifffahrt nur im absoluten Kurzstreckenverkehr eine nennenswerte Rolle für den Hauptantrieb spielen, zum Beispiel bei Fähren. Zur Brennstoffzelle ist alles im Zusammenhang mit Wasserstoff gesagt. Quantensprünge sind weder bei den Akkus noch bei den Brennstoffzellen zu erwarten.
Die Schwächen nicht nur dieser Präsentation lagen darin, dass zwar Aussagen über „zukünftige Kraftstoffe“ gemacht wurden, bei der Argumentation über deren Vor- und Nachteile aber auf die Gegenwart Bezug genommen wurde, zum Beispiel, wenn es um Preisvergleiche ging. Will man über zukünftige Kraftstoffe diskutieren, die unter völlig anderen Rahmenbedingungen zum Einsatz kommen könnten, dann ist der gegenwärtige Preis ohne jede Bedeutung. Derartige Diskussionen hat die Mineralölindustrie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder ausgelöst und damit neutrale Betrachtungen verhindert.
Warum die Klimaziele nicht zu erreichen sind
Anlässlich der Internationalen Automobilausstellung 2019 in Frankfurt beklagte Kanzlerin Angela Merkel sinngemäß, dass trotz aller Bemühungen, den Kraftstoffverbrauch zu senken und damit die unerwünschten Emissionen zu mindern, die mit dem Straßenverkehr verbundene absolute Menge an Schadstoffen steigt. Die Parallele dazu für die Schifffahrt präsentierte Frank Dubielzig von der Reederei Hamburg Süd.
Während die Emissionen des Straßenverkehrs steigen, weil die Zahl der Fahrzeuge und die Leistung der eingebauten Motoren zunehmen, ist gegenwärtig offenbar eine Zunahme der absoluten CO2-Emission der internationalen Schifffahrt nicht zu verhindern, weil in dem Maße Transportkapazität nachgefragt wird, dass mehr und größere Schiffe zum Einsatz kommen. In beiden Fällen – Straßenverkehr wie Schifffahrt – ist letztlich das Verhalten des Endverbrauchers bestimmend für die Emissionen. Vance Packard und die „Geheimen Verführer“ lassen grüßen.
Bekanntlich waren die Hauptmaschinen der meisten Handelsschiffe in der Vergangenheit viel zu hoch ausgelegt, doch das hat sich mittlerweile geändert. Das zeigen auch die Ansätze für die ehrgeizigen Ziele von Hamburg Süd hinsichtlich des Klimaschutzes. Der Wettbewerber Hapag Lloyd hat bereits vor einiger Zeit damit begonnen, einige Schiffe auf Hauptmaschinen mit deutlich geringer Leistung, als es der Erstauslegung entsprach, umzurüsten.
In den neun Jahren zwischen 2009 und 2017 haben sich die CO2-Emissionen der Hamburg-Süd-Flotte zwar relativ um fast 40 Prozent verringert – bezogen auf TEU und Kilometer, aber absolut gesehen sind die Emissionen der Flotte, wenn auch mit leichten Schwankungen, um gut ein Fünftel gestiegen.
Wie Dubielzig das sinngemäß formulierte, konterkarierte das Wachstum des Unternehmens die Effizienzsteigerung beim Betrieb der Schiffe und die Senkung der spezifischen Emissionen. Das damit verbundene Problem für alle Beteiligten ist die extreme Herausforderung, die in den Klimazielen steckt. Für Hamburg Süd bedeutet das: weitere Senkung der relativen Emissionen bis zum Jahr 2030 gegenüber 2008 um 60 Prozent sowie bis 2050 eine absolute CO2-Neutralität für den Schiffsbetrieb zu erreichen. Eine wichtige Aussage dazu: „Die Maßnahmen zum zweiten Ziel sind nicht vorgezeichnet“.
Im Klartext heißt das nichts anderes, als dass Hamburg Süd und die Muttergesellschaft Mærsk noch keine konkreten technischen Lösungen dafür haben. Aber das trifft ja nicht nur für diese beiden Unternehmen zu. Der Verfasser hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ziele der IMO für das Jahr 2050 schwieriger zu erreichen sein werden, als die für das Jahr 2100. Nur mit den Vorbereitungen muss begonnen werden und das ist absolut nicht zu erkennen. Insofern ist leider nicht zu verstehen, dass Hamburg Süd die Ziele der IMO schon 50 Jahre früher erreichen will.
Dem Wunsch von Hamburg Süd „2030 sollten CO2 neutral fahrende Schiffe eine realistische Option sein“ kann leider nur mit dem Hinweis auf die offenbarenden Äußerungen der Motorenindustrie (vgl. SMM 2018, Aussagen von Frank Starke, Geschäftsführer Caterpillar Motoren) wie dem Verhalten der Mineralölindustrie jede Chance abgesprochen werden.
Zur Begründung: Ausgehend von einer Lebensdauer zum Beispiel der Containerschiffe zwischen mindestens 20 und vielleicht 30 Jahren, hätten die Reedereien bereits vor rund zehn Jahren dazu übergehen müssen, in ihre Schiffe andere Motoren einbauen zu lassen, die leicht auf alternative, Co2-neutral herzustellende Kraftstoffe umgerüstet werden können. Zwar gibt es erste Ansätze dazu, aber die Realität sieht anders aus. Dennoch erwartet Hamburg Süd „bahnbrechende Innovationen“, um das selbstgesteckte Ziel für 2030 zu erreichen. Auf jeden Fall stellt man klar, dass sowohl die Entwicklung der Geschäftstätigkeit, wie auch der Austausch alter Schiffe gegen CO2-neutrale Schiffe, Voraussetzungen für das Erreichen der Ziele von 2050 seien. Damit verlagert sich ein großer – wenn nicht der größte – Teil des Problems zwangsläufig von der Reederei auf den Schiffbau und die Schiffbauzulieferindustrie.
Kraftstoffsparende Segel
Auf die grundsätzliche Bedeutung der Flettner-Rotoren wurde bereits oben hingewiesen. Zur Geschichte dieser Technik wird auf den ausführlichen Beitrag des Verfassers unter dem Titel „Flettner-Rotorschiffe – Alte Technik für neue Schiffe“ verwiesen (HANSA 2007 Nr. 12, Seite 16ff.) Inzwischen gibt es einige Schiffe und Projekte, bei denen mit mehr oder weniger nützlichen Hilfssegeln Kraftstoff gespart werden soll. Dazu gehören unter anderem, die Technik von Skysails und die jüngsten Weiterentwicklungen der Flettner-Rotoren. Letztere waren das Thema von Michael Vahs, Professor an der Hochschule Emden-Leer.
Vahs berichtete über das Projekt MariGreen, das unter der Leitung seiner Hochschule in den Jahren 2015 bis 2019 durchgeführt wurde. Dabei ging es um die Ausrüstung eines Frachtschiffes mit einem Rotor und die Erprobung auf See. Damit sollte vor allem das hohe Leistungspotential von Flettner-Rotoren unter realen Rahmenbedingungen nachgewiesen werden. Darüber hinaus ging es um die Anpassung der Rotortechnik an die Anforderungen des heutigen Schiffsbetriebs.
Nach umfangreichen Berechnungen erfolgte die Ausrüstung des Mehrzweckfrachters FEHN POLLUX (BRZ 2844, Tragfähigkeit 4250 t) der Reederei Fehn Ship Management in Leer mit einem 18 Meter hohen Rotor von 3 Meter Durchmesser, der auf dem Vorschiff platziert wurde. Dabei mussten sowohl die optische Sicht, wie die Sicht des Radars gewährleistet sein. Prognostiziert waren bei der Segelfläche von nur 54 m2 eine durchschnittliche äquivalente Leistung des Rotors zwischen 108 und 162 kW, je nach Windbedingungen.
Wie Vahs weiter berichtete, liegen inzwischen umfangreiches Datenmaterial aus mehreren Messfahrten und entsprechende Auswertungen vor. Dazu ein Beispiel: Das Schiff läuft bei abgeschaltetem Rotor mit einer Leistung der Hauptmaschine von 600 kW knapp 8 kn. Wird dann der Rotor bei einer Windstärke von 7 BFT quer, entsprechend 30 kn, eingeschaltet, dann erhöht sich die Geschwindigkeit auf 10 kn. Die damit verbundene Leistung entspricht rund 700 kW.
Zusammenfassend lässt sich zu dieser Technik festhalten: Mit einem weiterentwickelten Flettner-Rotor wurde ein hohes Leistungspotenzial nachgewiesen, bei gleichzeitiger Erfüllung aller Anforderungen des heutigen Schiffsbetriebs. Was fehlt, ist „Starthilfe“ für eine breite Einführung in der Schifffahrt.
Schlussbemerkungen
Der sprachliche Erfindungsreichtum bringt die Schifffahrt nicht weiter, auch nicht im Hinblick auf den Umweltschutz und die Klimaziele. Begriffe wie „technologieoffen“ und „Flexibilität“ beim Kraftstoff stehen meist nur für die Unsicherheit, dass man nicht weiß, wohin die Reise geht. Von vielen Alternativen beim Kraftstoff zu sprechen, ist schlicht Unsinn. Die Schifffahrt hat, wie die Auswahl des DNV GL zeigt, bei genauer Betrachtung nur ganz wenig Alternativen beim Kraftstoff. Die vielbeschworenen Effizienzsteigerungen gleichen dem Drehen an Stellschrauben, tragen jedoch nur wenig zum Erreichen der Ziele bei. Und die sogenannte Elektrifizierung kann zwar lokal oder auch regional zur Entlastung der Umwelt beitragen, absolut gesehen führt sie jedoch zu höherem Kraftstoffverbrauch. Was bei einer Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung (auf See!) vergessen wird, ist die daraus resultierende Konsequenz, dass, um die Warenströme aufrechtzuerhalten, zusätzliche Schiffe mit entsprechendem Kraftstoffverbrauch zum Einsatz kommen würden.
Letztlich kann mit allen Veranstaltungen zum weltweiten Umweltschutz zur Zeit das Problem der Klimaziele solange nicht erreicht werden, wie aus parteipolitischen Gründen keine Koalitionen zustande kommen, die in der Lage und Willens sind, statt immer wieder nur Ziele zu stecken, auf der Grundlage technisch-physikalischer Erkenntnisse konkrete Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen. Der Preis dafür kann nicht von einer Branche oder von einem Land gezahlt werden. Das hält keine Volkswirtschaft aus.