Erstbetrieb mit synthetischem Erdgas in 2020
Das weltweit erste Containerschiff, das für den Betrieb mit Erdgas umgerüstet wurde, wird erstmals Gas aus umweltfreundlichen Energiequellen nutzen. MAN Energy Solutions und Wessels Marine haben angekündigt, dass das 2017 auf den Betrieb mit Erdgas (LNG) umgerüstete 1.036-TEU-Containerschiff WES AMELIE im Frühjahr 2020 erstmalig synthetisches Erdgas (SNG=Synthetic Natural Gas) als Kraftstoff einsetzen wird.
Das verwendete SNG wird aus umweltfreundlicher Energie gewonnen und ist klimaneutral. Im Rahmen einer technischen Demonstration sollen 20 der insgesamt 120 Tonnen LNG die das Schiff üblicherweise pro Einsatz verbraucht, durch klimaneutrales SNG ersetzt werden. Der Einsatz des klimaneutralen „drop-in fuels“ wird die während der Fahrt freigesetzten CO2-Emissionen um 56 Tonnen reduzieren. Das synthetische Erdgas wird in der Power-to-Gas-Anlage von Audi im ostfriesischen Werlte aus Windenergie erzeugt und ist zu 100 % klimaneutral. Eine Gas-Verflüssigungsanlage zur Gewinnung von LNG befindet sich derzeit im Bau und wird Anfang des kommenden Jahres fertiggestellt werden. Nach Inbetriebnahme der Anlage kann die Fahrt durchgeführt werden.
Die WES AMELIE befindet sich im Besitz der Wessels Reederei (Haren/Ems) und sorgte bereits im Jahr 2017 für Schlagzeilen, als aus der bestehenden MAN 8L48/60B-Hauptmaschine ein MAN 51/60DF-Motor wurde. Es handelte sich weltweit um die erste Umrüstung einer Antriebsanlage in einem Container-Feeder mit umweltfreundlichem Erdgas.
Stefan Eefting, Leiter von MAN PrimeServ in Augsburg, erklärte: „Wir stellen heute einen weiteren wichtigen Meilenstein der maritimen Energiewende vor, denn dieses Projekt ist ein Machbarkeitsnachweis für das von uns seit langem vorgeschlagene Konzept zur Dekarbonisierung der Schifffahrt. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Wechsel auf zunächst Erdgas und später SNG als Kraftstoff den Weg in eine dekarbonisierte Zukunft der Schifffahrt weisen kann. Mit der Wessels Reederei haben wir den perfekten Partner und wollen diesen Beweis gemeinsam antreten.“
„Beim Projekt WES AMELIE ging es schon immer darum, das technisch Machbare zu demonstrieren und zugleich aufzuzeigen, welche Maßnahmen auf der regulatorischen und politischen Ebene getroffen werden müssen, damit daraus eine Lösung für die Schifffahrts-Branche werden kann“, ergänzte Christian Hoepfner, geschäftsführender Gesellschafter von Wessels Marine, Hamburg. „Schon die initiale Umrüstung des Schiffs war auf Fördermittel der deutschen Bundesregierung angewiesen, um für ein Privatunternehmen überhaupt wirtschaftlich stemmbar zu sein. Mit Blick auf die Umweltbelastung war die Umrüstung aber ein Riesenerfolg, denn wir konnten die klimaschädlichen Emissionen teils drastisch senken. Das seither eingerichtete Förderprogramm der Regierung zur Umrüstung weiterer Schiffe ist ganz maßgeblich ein Erfolg unserer Initiative mit der WES AMELIE.“ Hoepfner weiter: „Jetzt gehen wir den nächsten Schritt und wollen mit einer weiteren Weltpremiere zeigen, dass wir die Schadstoffemissionen durch den Einsatz eines klimaneutralen Kraftstoffs noch weiter reduzieren können. Auch hier gilt aber: Die dabei zurzeit noch entstehenden Kosten sind viel zu hoch, als dass ein dauerhafter Einsatz möglich wäre. Dafür gäbe es auch gar nicht genug SNG am Markt. Deshalb müssen Regierungen und Regulierungsbehörden eng zusammenarbeiten, damit für die Reeder aus dieser technischen Möglichkeit eine praktikable und verfügbare Option für die Schifffahrt wird.“ Stefan Eefting fügte hinzu: „Für eine erfolgreiche Senkung der zukünftigen Emissionen aus den Lieferketten des Welthandels, spielen synthetische Kraftstoffe eine entscheidende Rolle. Insbesondere in der Schifffahrt ist die Verwendung von Batterien als Energiequelle keine praktikable Option. Eine erfolgreiche Dekarbonisierung kann deshalb nur über den Kraftstoff erreicht werden. Die Power-to-X-Technologie ermöglicht die Erzeugung von 100 % klimaneutralem Erdgas aus umweltfreundlichen Energien und verfügt über ein enormes Potenzial. Jetzt muss es darum gehen, diese Technik im industriellen Maßstab zu entwickeln und in die Lage zu versetzen, dem Markt große Mengen klimaneutraler Kraftstoffe zu wirtschaftlichen Preisen zur Verfügung zu stellen.“
MAN Energy Solutions ist ein Pionier der Power-to-Gas-Technik und hat die Methanisierungsanlage in Werlte in Partnerschaft mit Audi im Jahr 2013 in Betrieb genommen. Die 6-MW-Anlage ist bis heute die größte in Europa. Inzwischen bietet MAN aber schlüsselfertige Power-to-X-Lösungen in industrieller 50 MW-Skalierung an: „Wir müssen die Power-to-X-Technik aus den Laboren heraus und in den Markt führen, um umweltfreundliche Kraftstoffe wettbewerbsfähig zu produzieren“, so Eefting abschließend.
Die Maritime Energiewende
MAN Energy Solutions setzt sich bereits seit 2016 aktiv für eine ‚Maritime Energiewende‘ ein und treibt die Etablierung klimafreundlicher Techniken in der Schifffahrt voran. Das Unternehmen fördert dabei vor allem die Etablierung von erst klimaschonenden und später klimaneutralen Gasen als Schiffskraftstoff. Voraussetzung für eine so gestaltete globale Wende der Schifffahrt ist ein geschlossenes Vorgehen der International Maritime Organisation (IMO), Politik und Industrie zur Realisierung der notwendigen Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur und zur Schaffung der regulatorischen Voraussetzungen. Eefting: „Industrie und Regierung müssen jetzt Anstrengungen unternehmen und in die LNG-Infrastruktur investieren, um so den Weg für eine SNG-basierte, klimaneutrale Schifffahrt von morgen zu ebnen. Jedes auf LNG umgerüstete Schiff kann später klimaneutral mit SNG betrieben werden – das wollen wir zeigen.“ MAN Energy Solutions hat bislang in ca. 400 Projekten Schiffe mit Dual-Fuel Motoren ausgestattet, die mit emissionsarmen Kraftstoffen wie LNG und LPG betrieben werden. Dies unterstreicht die führende Position des Unternehmens in diesem kritischen Marktsegment.
Der Retrofit der WES AMELIE
Die Umrüstung der WES AMELIE auf Dual-Fuel-Betrieb im Jahr 2017 war eine Pionierleistung auf dem europäischen Container-Feeder-Markt und belegte, dass sich die Abgaslast von Motoren im Bestand mit einem Retrofit auf Erdgas-Betrieb deutlich reduzieren lassen. Die WES AMELIE konnte ihre SOx-Emissionen aufgrund des Umstiegs um über 99 %, die NOx-Emissionen um ca. 90 % und das emittierte CO2 um bis zu 20 % reduzieren. Das Schiff erfüllt damit sowohl die Tier-II- als auch die Tier-III-Emissionsvorgaben der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO).