Lichtblicke im internationalen Seeverkehr
So wie überall auf der Welt haben Wirtschaft und Verkehr auch in der Türkei mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen, wobei aber Infrastruktur und Logistik zu Land und See bisher glimpflich durch die Krise gekommen sind. Der Wirtschaftsabschwung des Landes dürfte sich im laufenden Jahr 2021 mit einem Minus von 4-5 Prozent einpendeln. Schon im Sommer 2020 hatte die Regierung in Ankara mit einem großangelegten 33 Mrd. USD schweren Hilfspaket, Zins- und Steuersenkungen, sowie staatlich gestützten Kreditvergaben die Abfederung krisenbedingter Einbrüche auf den Weg gebracht. Die Maßnahmen, mit denen die Zentralbank große Mengen an frischem Kapital auf den heimischen Markt gepumpt hat, hatten zwar einerseits eine stabilisierende Wirkung, es zeigten sich auch unerwünschte Nebeneffekte wie steigende Inflationsrate und gewaltige Abwertung der Landeswährung Lira um etwa 20 Prozent gegenüber dem USD. Nicht allein coronabedingt kamen dazu der Einbruch im Tourismus, außenpolitische Konflikte mit Griechenland und Zypern wegen der Abgrenzung der Hoheitsgewässer im Mittelmeer und eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Moody’s.
Besonders betroffen davon waren gewisse infrastrukturelle Megaprojekte, für die die Türkei auch berüchtigt ist. Bauarbeiten musste im Frühjahr 2020 vorübergehend gestoppt werden und laufen seither nur zögerlich weiter, auch weil deren Finanzierung vor dem Hintergrund eines Konjunktureinbruches in Frage gestellt wurde. Betroffen waren u.a. der weitere Ausbau des neuen Flughafens von Istanbul und durch Mauteinnahmen finanzierte Projekte wie die 2016 eröffnete dritte Brücke über den Bosporus, der Marmaray-Tunnel unter dem Bosporus im Stadtgebiet von Istanbul, die Osman Gazi-Brücke auf der Autobahn Gebze – Orhangazi – Izmir, ferner die Brücke über die Dardanellen bei Canakkale (soll 2022 fertig werden). Es sind alles Projekte, die die Türkei mit Hilfe von Public Private Partnership-Modellen (PPP) finanziert, wobei man von einer Refinanzierung durch Mautzahlungen und einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von jährlich fünf Prozent ausgegangen war. Letzteres war 2018 und 2019 auf unter zwei Prozent gesunken.
Aber es gibt auch einige Lichtblicke, vor allem im Seeverkehr, beim Warenverkehr zwischen der Türkei und Europa und bei den Wirtschaftsbeziehungen mit Ostasien.
Die 1993 gegründete türkische Reederei UN Ro-Ro ist von der dänischen Reederei DFDS mehrheitlich übernommen worden und operiert jetzt unter dem Namen DFDS Seeways Mediterranean. Neben den bisher 12 eingesetzten Schiffen sind zwei weitere zur Flotte dazugekommen, mit denen Fahrten auf der Adria und dem Mittelmeer abgedeckt werden. Auf 12 Ro-Ro Schiffen können jeweils bis zu 300 Sattelauflieger und 45-Fuß Container verladen werden. Auf den beiden neuen Schiffen (TROY SEEWAYS und EPHESUS SEEWAYS) ist nach Angaben von DFDS-Vertretern Platz für jeweils bis zu 450 Fahrzeugen. Die Schiffe, die von Triest aus den griechischen Hafen Patras und die türkischen Häfen Pendik, Mersin und Ambarli anlaufen, befördern Fracht, die auf von DFDS eingesetzten Hinterlandzügen nach Triest kommt. Alle Züge sind so gut wie voll ausgebucht. Die Züge rollen von Wels (Österreich), Ostrava (Tschechien), sowie München, Ludwigshafen und Köln (Deutschland) nach Triest (bzw. umgekehrt). Die Buchung von Stellplätzen erfolgt per E-Mail über die DFDS Seeways Mditerranean-Niederlassung in Istanbul.
Das DFDS-Unternehmen hat auch eine Rollende Landstraße zwischen Triest und Salzburg eingerichtet, jene von Triest nach Wien soll verstärkt werden, um dem steigenden Lebensmittelexport von der Türkei nach Österreich gerecht zu werden. Dieses Transportvolumen möchte DFDS auf der Straße abfangen und auf „intermodale Schiene“ mit Fährschiff und Bahn umleiten. Die Kapazität per Zug soll bei 32 Ladeinheiten liegen, es sollen aber auch Sattelauflieger und 45-Fuß Container zum Zug kommen – alles im Interesse eines Beitrages zur politisch immer wieder geforderten Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene.
Seit Sommer 2020 werden seeseitig neben den vorhin genannten Destinationen auch die Routen zwischen Pendik und Patras, sowie zwischen Triest und Patras befahren, wodurch sich für europäische Exporteure in Richtung Griechenland attraktive Verlademöglichkeiten eröffneten. Aus dem Hafen Yalova am Südufer des Marmara-Meeres gibt es eine Verbindung nach dem südfranzösischen Hafen Sete (3 x pro Woche), sowie nach Bari in Süditalien (2 x pro Woche).
Dem DFDS-Vertreter zufolge hat die neue Reederei die Auswirkungen der Corona-Krise bisher nicht verspürt, das Frachtaufkommen habe sich seither sogar erhöht.
Vor dem Hintergrund der Corona-Krise stehen dem türkischen Transportunternehmen EKOL nach Angaben seiner Managerin Arzu Akyol Ekiz verschiedene Transportmodelle zur Verfügung. Nur Unternehmen, die nicht über solche Optionen verfügten, hätten in dieser Zeit laut Ekiz größte Probleme gehabt. Ihr Unternehmen biete schon seit 12 Jahren erfolgreich intermodale Transporte an. Zum Schutz der Mitarbeiter vor dem Virus seien größte Vorsichtsmaßnahmen ergriffen worden. Ladungen aus der Türkei würden von türkischen Fahrern gelenkten LKW vom eigenen Terminal im Hafen Yalova auf Ro-Ro Schiffe verladen. Während Fahrer LKW in Yalova blieben, würden die Auflieger nach Italien und Frankreich verschifft. Auflieger, die im EKOL-Terminal in Triest ankommen, würden per Bahn nach Deutschland und in die Tschechische Republik transportiert, in Frankreich vom Hafen Sete nach Paris. Unterwegs würden dann in verschiedenen Städten die Auflieger von Fahrern aus den jeweiligen Ländern übernommen, so dass die Versorgungsketten zu den Fabriken eigener Kunden nicht unterbrochen würden.
Ladungen per Ro-Ro ohne LKW und Fahrer würden vom türkischen Hafen Karasu nach dem rumänischen Constanta verschifft, wo sie von eigenen Fahrern entgegengekommen und in die übrige EU transportiert würden. Auflieger würden bei jedem Lade- und Entladungsvorgang desinfiziert, um das Virus-Übertragungsrisiko zu vermindern.
Die Investitionen hat EKOL-Türkei der aktuellen Situation im Gefolge der Corona-Pandemie angepasst. Der seit 2017 bestehende EKOL-Terminal in Yalova ist auf Grund seiner günstigen geographischen Lage als einziger Terminal noch ausbaufähig, wegen der kontinuierlichen Zunahme der Exporte aus der Türkei war von Anfang an eine zweite Ausbauphase geplant. Wegen der mit der Pandemie einhergehenden Unsicherheit werde aber diese Investition langsamer angegangen. Ansonsten aber will EKOL-Türkei die Optimierung nach den Worten Frau Ekiz mit Effizienz auf allen Gebieten vorantrieben.
Der Hamburger Hafen hat einer Aussendung zufolge, einen neuen Liniendienst mit den beiden türkischen Häfen Mersin und Iskenderun aufgenommen. Wöchentliche Abfahrten nach diesen Häfen werden vom Container-Liniendiest NC LEVANT EXPRESS bedient, die Abfertigung des Containerdienstes in Hamburg von EUROGATE-Containerterminal vorgenommen. Damit gibt es dank attraktiver Transitzeiten gute Transportmöglichkeiten zwischen den beiden türkischen Häfen und einer Reihe europäischer Schlüsselhäfen. Denn wegen der Rolle Hamburgs als „Nördliche Drehscheibe“ können Exportladungen von dort schnell in Richtung Skandinavien und k Ostseeländern weiterbefördert werden.
Der Containerverkehr zwischen Hamburg und türkischen Häfen und umgekehrt konnte trotz coronabedingten Einschränkungen gegen den Trend wachsen. In den ersten Quartalen 2020 wurden in Hamburg insgesamt 114.000 TEU im Containerverkehr mit der Türkei umgeschlagen, ein Plus von 18,8 Prozent. Schon vor Corona wurde 2019 im Containerverkehr Hamburg-Türkei mit 132.000 TEU und einem Seegüterumschlag von 2,2 Mill. t ein neuer Umschlagrekord aufgestellt werden. Insgesamt neun Liniendienste verbinden derzeit Hamburg mit Häfen in der Türkei. Dabei handelt es sich um 6 Containerdienste (wöchentlich), zwei Mehrzweckdienste (monatlich oder nach Bedarf) und einen Fahrzeugtransport (ebenfalls wöchentlich).
Die vorhin angeführten Lichtblicke in Sachen Logistik zur See fallen in eine Zeit, da die Kooperation zwischen der Türkei und China ein neues Hoch erreicht. Rund drei Mrd. USD soll China bereits in der Türkei investiert haben und will 2021 seine bisherigen Investitionen auf etwa 6 Mrd. USD verdoppeln. Peking hat dabei vor allem Infrastrukturprojekte im Auge, sowohl im Bereich Energieversorgung als auch in der Verkehrsinfrastruktur.als Teil seiner Belt and Road Initiative („Neue Seidenstraße“) Das Interesse an der strategischen Position der Türkei lässt sich an zwei Beispielen gut ablesen. So hat Chinas Logistikkonzern China Ocean Shipping Company (COSCO) bereits 2015 um 940 Mill. USD einen Mehrheitsanteil am größten Istanbuler Containerterminal Kumport erworben. Bereits Ende 2019 war die Ankunft des ersten Güterzuges gefeiert worden, der von China Railway Express über den „Mittleren Asiatischen Korridor” vom chinesischen Xian nach Prag geführt wird und dabei durch den Marmaray-Tunnel unter dem Bosporus von Asien nach Europa übersetzt.