Der Begriff beschreibt lt. Duden eine ironische Metapher für unrealistisch hohe Anforderungen an Produkte oder Ressourcen.
Das lässt sich nun sehr leicht auf die derzeitige Situation in der Binnenschifffahrt übertragen wenn im nächsten Jahr die NRMM-Richtlinie in Kraft tritt, und von den Motorenherstellern keine geeigneten Antriebsmotoren zur Verfügung gestellt werden können.
Für die Binnenschifffahrt stellt sich die Frage nach dem ‚Warum‘ gibt es keine entsprechenden Motoren und wie entkommt man möglicherweise diesem Dilemma? Wir wollen versuchen ein wenig Licht in den Verordnungsdschungel zu bringen.
Worum geht es?
Mit der am 16. September 2016 veröffentlichten Europäischen Emissionsverordnung (EU) 2016/1628 –Stufe V werden künftig europaweit die strengsten Emissionsgrenzwerte für mobile Maschinen gelten. Alle Maschinen, die in den Non-Road-Mobile-Machine (NRMM) Bereich fallen, also Land-, Bau- und Baustoffmaschinen, Flurförderzeuge, Krane und Binnenschiffe, müssen von 2019 an ihre Abgas-Emissionswerte nochmals weiter reduzieren. Eine nationale Umsetzung der Verordnung ist nicht erforderlich, sie trat 20 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft und ist seit dem 1. Januar 2017 anzuwenden. Die bis dahin gültige Richtlinie 97/68/EC wurde zum 1. Januar 2017 zurückgezogen.
Die neuen, als „Stufe V“ bezeichneten Abgasemissionsgrenzwerte sind eine der Maßnahmen zur Verringerung der gegenwärtig von Fahrzeugen aller Art im Betrieb ausgestoßenen Emissionen von Luftschadstoffen, wie z.B. Partikel, oder von Ozonvorläuferstoffen wie Stickoxiden (NOx) und Kohlenwasserstoffen (HC).
Die Verordnung ist EU-weit ab dem 01. Januar 2017 anzuwenden und muss ab dem Stichtag 01. Januar 2019 umgesetzt werden. Ausnahmen bilden Motoren der Leistungsklasse von 56 kW bis 130 kW für die Motorenkategorie NRE (Motoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte), deren Stichtag erst der 01. Januar 2020 ist.
Für die Binnenschifffahrt ergibt sich somit folgendes Bild:
Ab dem 01. Januar 2019 müssen alle Verbrennungsmotoren, für die Motorenkategorie IWP/IWA (Binnenschifffahrt), den Leistungsbereich bis 300 kW entsprechend der Stufe V erfüllen – und ab dem 01. Januar 2020 Motoren im Leistungsbereich über 300 kW.
Erstmals betrifft es somit Motoren aller Leistungsklassen, die im NRMM-Bereich eingesetzt werden, also von 0 kW bis größer als 560 kW. Egal, ob es sich um Fremdzündungs- (SI) oder Selbstzündungsmotoren (CI) handelt. Ebenfalls findet eine Gleichbehandlung von Motoren mit variabler oder konstanter Drehzahl statt. Auch gelten die Emissionsgrenzwerte für Gasmotoren aller Leistungsklassen. Zusätzlich zur weiteren Reduzierung von Feinstaub (PM), Stickoxiden (NOX), Kohlenwasserstoffen (HC) und Kohlenmonoxid (CO) wird für die NRE-Motoren der Leistungsklassen von 19 kW bis 560 kW ein Partikelanzahlgrenzwert (PN) von 1 x 1012 #/kWh eingeführt.
Auch die Motoren für die Binnenschifffahrt sind davon betroffen: Die Einführung des Partikelanzahlgrenzwerts von 1*1012 #/kWh für die Motorenkategorien IWA/IWP ab 300 kW erfordert aber den Einsatz eines Dieselpartikelfilters (DPF).
Die Verordnung 2016 / 1628 enthält eine Übergangsbestimmung und Ausnahmeregelung (§ 58) mit einer Übergangsperiode von 24 Monaten, in denen noch Motoren einer vorherigen Emissionsstufe in der EU in Verkehr gebracht werden können. Die Übergangsperiode beginnt mit dem Stichtag der Inverkehrbringung für Stufe-V-Motoren und gilt grundsätzlich für alle Motorenkategorien. Sie müssen der vorherigen Emissionsstufe genügen und bis zum Stichtag der Stufe V produziert sein. Die Maschinen mit Übergangsmotoren müssen spätestens 18 Monate nach dem Stichtag der Stufe V produziert und nach spätestens 6 Monaten in Verkehr gebracht worden sein.
Abweichend gelten folgende Ausnahmen: Maschinenhersteller mit einer Jahresproduktion von weniger als 100 Einheiten und Hersteller von Mobilkranen erhalten eine Übergangsperiode von 36 Monaten nach dem Stichtag der Stufe V. Die Maschinen / Mobilkrane müssen spätestens nach 30 Monaten produziert und nach weiteren 6 Monaten in den Verkehr gebracht worden sein.
Um eine komplette Information zur kommenden EU-Stufe V zu veröffentlichen, halten wir es für erforderlich auch die „Motorenkategorien“ (sind in §4 der Verordnung definiert) zu thematisieren:
* NRE: Motoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte
* NRG: Motoren mit einer Bezugsleistung über 560 kW, die ausschließlich zum Einsatz in Generatorsätzen bestimmt sind
* NRSh: handgehaltene Fremdzündungsmotoren mit einer Bezugsleistung kleiner 19 kW
* NRS: Fremdzündungsmotoren mit einer Bezugsleistung kleiner 56 kW, ohne NRSh Motoren
* IWP/IWA: Motoren die ausschließlich in Binnenschiffen zum Antrieb (IWP) oder als Hilfsaggregat (IWA) eingesetzt werden
* RLL/RLR: Motoren, die ausschließlich in Lokomotiven (RLL) oder Triebwagen (RLR) für den Antrieb eingesetzt werden
Und wie sieht die Austauschmotorenregelung nach der neuen Verordnung aus?
Für Binnenschiffe (IWA/IWP) sieht die 2016/1628 keine Regelung vor, d.h. neue Austauschmotoren müssen der jeweils gültigen Emissionsstufe zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung des Austauschmotors entsprechen.
Und was sagen die Motorenhersteller dazu?
Wir haben uns auf der kürzlich zu Ende gegangenen internationalen Schifffahrtsmesse, SMM, umgehört.
Um es kurz zu machen: Keiner der ausstellenden Motorenhersteller, egal ob MAN Truck & Bus, Scania, Volvo, Caterpillar, Yanmar um nur einige zu nennen hat Motoren entsprechend der Stufe V verfügbar!
Die Frage nach dem ‚Warum‘ bleibt offen
Mehr oder weniger häufig hören wir von den Motorenherstellern, dass die vorgegebenen Ziele (Erfüllung der Grenzwerte nach Stufe V), insbesondere für Schiffsantriebe in der Binnenschifffahrt, nicht erreicht werden können:
Zu hoch die Ambitionen, zu aufwändig und damit zu kostspielig die Abnahmeläufe um die Zertifizierungen zu erlangen – obwohl man technisch durchaus in der Lage wäre entsprechende Motoren für die Binnenschifffahrt zu liefern. Ein ganz wesentlicher Grund darf dabei nicht aus den Augen verloren gehen: Für die geschätzten Stückzahlen in der europäischen Binnenschifffahrt, man hört unterschiedliche Angaben die zwischen 200 bis 300 Motoren schwanken, lohne sich der Entwicklungsaufwand nicht! Um diese Anzahl Motoren zanken sich dann die Motorenhersteller.
Bei der geringen Anzahl von Neumotoren, die pro Jahr in ganz Europa zugelassen werden, wird es noch lange dauern, bis von den etwa 10.000 Schiffen auf europäischen Binnenwasserstraßen eine nennenswerte Zahl mit verbessertem, schadstoffreduziertem Dieselantrieb fahren.
Das NRW-Umweltministerium befürchtete aber, dass einige Eigentümer noch vor dem Inkrafttreten der NRMM-Verordnung neue Motoren eingebaut haben, „…die dann zuverlässig über Jahre laufen, aber nicht mit den Abgasgrenzwerten, die in der neuen Richtlinie gefordert sind“. Zudem dürfen auch nicht umgebaute Schiffe solange weiter ohne Einschränkung laufen, bis der Motor gewechselt wird. Eine Pflicht, auch ältere Schiffe nachzurüsten, konnte im Europaparlament nicht durchgesetzt werden. Bis die Abgasverordnung wirklich greift, werden somit wohl noch viele Jahre ins Land gehen.
Was ist zu tun?
Der VDMA bemerkt dazu: Die (EU) 2016/1628 lässt explizit auch folgende Möglichkeit zu: Anstelle eines dezidierten Binnenschiffsmotor der Kategorien IWA/IWP dürfen auch Motoren der Kategorie NRE (allerdings nur bis 560 kW) oder EURO VI LKW-Motoren eingesetzt werden. Die Motorenkategorie NRE ist für die mobilen Maschinen (Bagger, Traktoren, etc.) vorgesehen. Dass es entsprechend zertifizierte NRE-Motoren ab 2019 auf dem Markt geben wird, ist klar.
Die Voraussetzung für den Einsatz von NRE oder EURO VI Motoren ist allerdings, dass das ursprüngliche Typgenehmigungszertifikat dieser Motoren durch den Einbau in ein Binnenschiff nicht verletzt bzw. ungültig wird. Eine solche Verletzung könnte beispielsweise eintreten, wenn bei einem NRE Motor die sog. Inducement Strategie – die die Motorenleistung reduzieren kann, wenn die Harnstofflösung nicht rechtzeitig aufgefüllt wird – angepasst werden muss. Bei einem Binnenschiff könnte durch einen solchen Eingriff natürlich ganz andere Gefahrensituation entstehen als bei einer mobilen Maschine. Dies muss natürlich verhindert werden.
Derzeit wird auf europäischer Ebene (ZKR und Mitgliedsstaaten) darüber diskutiert, wie sichergestellt werden kann, dass das NRE bzw. EURO VI Zertifikat durch den Einbau ins Binnenschiff seine Gültigkeit nicht verliert. Die beteiligten Kreise sind zuversichtlich, dass eine solche einvernehmliche Lösung zeitnah gelingt. Durch dieselelektrische Mehrmotorenanlagen wären mit diesen Motoren entsprechend auch größere Leistungen abzudecken.
Eine weitere Möglichkeit, die von den Motorenherstellern verschiedentlich ins Spiel gebracht wird, ist eine Angleichung der EU-Grenzwerte an die US EPA Grenzwerte. Dies hätte Entwicklung und Zertifizierung wesentlich vereinfacht bzw. hätte sich aufgrund des deutlich größeren Marktes wirtschaftlich gelohnt.
Aber: Sind die regulierten Emissionsgrenzwerte der EU-Stufe V und der US (EPA) Tier 4 Final identisch?
Was die Grenzwerte für Dieselmotoren betrifft, sind sie auf den Leistungsbereich der Motoren bezogen fast identisch. Nur: in der EU-Verordnung Stufe V besteht ein schärferer Grenzwert von 0,015 bei der Partikelmasse (PM) und sie beinhaltet auch einen Partikelanzahlgrenzwert (PN) von 1 x 1012 #/kWh für die Motorenleistungsklasse von 19 kW bis < 560 kW.
Der Hauptunterschied zwischen EU-Stufe V und US (EPA) Tier 4 Final besteht darin, dass die EU-Stufe V für alle Verbrennungsmotoren (Diesel, Benzin, Gas) gültig ist und die Tier 4f in den USA nur für dieselbetriebene Motoren gilt.
Die Motorenindustrie erklärt dazu:
Bei den Stufe V-Motoren wird es vor allem um die Feinstpartikel gehen. Nach dem heutigen Stand der Technik geht das nicht mehr ohne spezielle Abgasnachbehandlungssysteme, wie z.B. Partikelfilter, EATS (Exhaust-After-Treatment-Systems), etc. Bis zur Einführung der verschärften Abgasgrenzwerteregelung Anfang 2019 sind es nur noch drei Monate. Wenn nach 2019 eine Neumotorisierung erforderlich wird, ist es aufgrund des Gesamtsystems Motor plus Abgasnachbehandlungsanlage nur klar, dass die Kosten drastisch ansteigen werden. Weiterhin ist es in einigen Schiffen aus Platzgründen kaum möglich die zusätzlichen Abgasreinigungssysteme einzubauen.
Und nicht zu vergessen: Sollten Reedereien und / oder Partikuliere es schaffen noch vor 2019 eine Remotorisierung durchzuführen, zählt auch weiterhin der Bestandsschutz sowie die finanzielle Unterstützung aus dem Förderprogramm der Bundesregierung.