Mehr Potenzial in der Projektlogistik durch Digitalisierung und Vernetzung

Klassisches Beispiel von Projektlogistik, Schwergutschiff Palembang setzt Yachtneubau in Bremerhaven ins Wasser.
Klassisches Beispiel von Projektlogistik, Schwergutschiff Palembang setzt Yachtneubau in Bremerhaven ins Wasser. © C.Eckardt

Intensiver Austausch beim zweiten VIA BREMEN‐Fachforum
„In der Projektlogistik nutzen wir längst noch nicht alle Möglichkeiten der Digitalisierung“, erklärte Dr. Sven Hermann, Head of Solutions, von der PTS Logistics GmbH, Bremen auf dem zweiten VIA BREMEN‐Fachforum Projektlogistik im Januar im Goldenen Saal des Atlantic Grand Hotels in Bremen. Dort tauschten sich die über 160 Besucher aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung, die aus ganz Deutschland, Tschechien und der Slowakei anreisten, intensiv über die Chancen von Digitalisierung und Vernetzung und aktuelle Entwicklungen sowie Zukunftsperspektiven im XXL‐Segment der Logistik aus.
„Es gibt viel Potenzial am Hafen‐ und Logistik‐Standort des Landes Bremen“, sagte Martin Günthner, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen der Freien Hansestadt Bremen, in seinen Begrüßungsworten zum zweiten VIA BREMEN‐Fachforum. Die Infrastruktur weiterzuentwickeln, die Chancen der Digitalisierung wahrzunehmen und Fachkräfte für die Logistik‐Wirtschaft zu gewinnen, seien die drei zentralen Herausforderungen an der Weser. „Mit IT, Digitalisierung und Vernetzung von einer größeren Transparenz zu profitieren, wird im Wettbewerb entscheidend sein“, so Dr. Jörg Breker, Head of Division Logistics, ThyssenKrupp Industrial Solution AG, Beckum. Es gelte auch, klare Schnittstellen zu entwickeln, um Durchlaufzeiten und Kosten zu verringern.
„Angesichts der zunehmenden Spezialisierung in der Multipurpose‐Schifffahrt ist Digitalisierung in vielen Bereichen geradezu existenziell wichtig“, stellte André Milschus, Geschäftsführer HBB Hanseatic Break Bulk GmBH, Hamburg fest. „Noch wichtiger als der Preis sind heute Innovationskraft, Kompetenz und Zuverlässigkeit
von Logistik‐Dienstleistern“, führte Frank Müller‐Nentwig, Senior Manager Logistics, BMA Braunschweigische Maschinenbauanstalt AG, Braunschweig in seinem Vortrag aus. Über webbasierte Kundenportale, gemeinsame Planungskalender und eine detaillierte Fotodokumentation könnten Dienstleister bei ihren Auftraggebern aus der Industrie punkten.
Ein eindrucksvolles Logistikprojekt präsentierte Dr. Ralph Hofferbert, Project Control Manager, Max‐Planck‐Institut für Astronomie (MPIA), Heidelberg: Ganze zwei Jahre planten Logistik‐Experten den herausfordernden Spezialtransport einer astronomischen Kamera über 17.000 km nach Amerika.

Das LN-Team nach erfolgreicher Begutachtung des LINC-NIRVANA-Instruments mit erkennbar großen Ausmaßen im Hintergrund.
Das LN-Team nach erfolgreicher Begutachtung des LINC-NIRVANA-Instruments mit erkennbar großen Ausmaßen im Hintergrund. © Tom Herbst/MPIA

So wurde im letzten Jahr die in einem Zeitraum von zehn Jahren am MPIA gebaute rund 10 t schwere astronomische Riesenkamera „Linc-Nirvana“ (LN) in Bremerhaven für den Transport in die USA verladen, die über ein Binnenschiff an die Weser angeliefert wurde. Das fünf m breite, vier m tiefe und 4,50 m hohe Messinstrument, in ihrer Art das erste astronomische Instrument, das weltweit gebaut wurde, hatte dabei einen langen Weg vor sich. Von Bremerhaven ging es über den Atlantik, durch den Panamakanal bis in die Nähe von Los Angeles. Von dort auf dem Landweg auf den 3100 m hohen Mount Graham im US-Staat Arizona. An diesem Ort mit reiner Höhenluft und kühlen Nächten wurde das Instrument mit zwei Teleskopen verbunden werden, deren Ausmaße mit jeweils 8,40 m Durchmesser – was eine Spiegelfläche von 110 m² ergibt. Die erfassten Daten der beiden Teleskope gelangen so an die Kamera. Mit dieser Kombination ist es möglich, mit dieser Kamera extem hoch auflösende Aufnahmen von sehr schwachen Objekten zu fertigen.
Logistik‐Dienstleister meistern heute immer größere Herausforderungen. Das gilt auch für sehr spezielle Schwertransport‐Projekte in der RoRo‐Schifffahrt, die Wolfgang Rose, Geschäftsführer, Atlantik Hafenbetriebe Geuther & Schnitger GmbH & Co. KG, Bremerhaven auf dem VIA BREMEN‐Fachforum veranschaulichte. Gleichzeitig werde die Projektlogistik durch anspruchsvollere Kundenanforderungen und zeitaufwendige Vorschriften immer komplexer und undurchsichtiger, verdeutlichte Christoph Bruns, Geschäftsführender Gesellschafter, Mund + Bruns Schiffs‐ und Ladungssachverständige GmbH, Marine and Cargo Surveyours, Bremen anhand ausgewählter Praxisbeispiele. Über verschärfte Richtlinien, die im neuen Unionszollkodex ab 01. Mai 2016 für Spediteure gelten, klärten Eva Rehberg, Partner Customs und ihr Kollege von Pricewaterhouse Coopers AG WPG, Hamburg auf dem Fachforum von VIA BREMEN auf.
„Unternehmen sollten ihre ‚unternehmensspezifische Roadmap’ weiter ausarbeiten und die digitale Kompetenz ihrer Mitarbeiter stärken“, appellierte Dr. Sven Hermann, Head of Solutions von der PTS Logistics GmHB, Bremen. Es müsse mehr „Raum für Neues“ geschaffen werden, z.B. durch Kooperationen mit Hochschulen. Sein neues Projekt „Logistik‐Lotsen“ geht für VIA BREMEN im Juni 2016 an den Start. In 2,5‐ tägigen Workshops werden sechs interdisziplinäre Studierendenteams Lösungen zu Logistik‐Herausforderungen erarbeiten.
„Projektlogistik ist ein ‚people business’, das ohne Vernetzung und Ideen von möglichst vielen Beteiligten nicht auskommt“, resümierte Patric Drewes, Vorstand VIA BREMEN Foundation, und Geschäftsführender Gesellschafter, Carl Polzin GmbH Bremen in seinem Schlusswort. „Die äußerst positive Atmosphäre auf der heutigen Veranstaltung ist geradezu eine Aufforderung mit dem VIA BREMEN‐Fachforum in Serie zu gehen“, freute sich Uwe Will, Vorstand und Geschäftsführer, VIA BREMEN Foundation und Geschäftsführer der Bremischen Hafenvertretung e.V.
Die Stiftung VIA BREMEN ist ein im Jahr 2011 gegründeter Marketingverbund, der den Hafen‐ und Logistikstandort des Landes Bremen repräsentiert und sich dessen Vermarktung sowie die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zur Aufgabe gemacht hat. Als unternehmensneutrale Koordinierungs‐, Informations‐ und Kommunikationsplattform dient VIA BREMEN dabei als zentrale Anlaufstelle für alle Belange in der Logistik.
Nach Angaben der Stiftung stellt die Hansestadt Bremen auf dem Gebiet der Logistik mit der breit gefächerten Wirtschaft sowie den lehrenden und forschenden Einrichtungen in ihren beiden Städten Bremen und Bremerhaven ein Kompetenzzentrum dar, das in der Bundesrepublik Deutschland sowie in den europäischen Nachbarstaaten eine anerkannt herausragende Stellung einnimmt. Hierbei soll VIA BREMEN im regionalen Bezug die Kooperation der Wirtschaft mit Aus- und Fortbildungseinrichtungen sowie Forschungsinstituten im Lande Bremen initiieren und unterstützen. Sie vertritt die Logistikkompetenz in Bremen und Bremerhaven auch innerhalb der Metropolregion Bremen/Oldenburg im Nordwesten.
Ab dem 1. April übernimmt Günther Hörbst die Geschäftsführung der Standortmarke Via Bremen als auch der Bremischen Hafenvertretung (BHV). Hörbst, derzeit noch Chefredakteur der Deutschen Verkehrszeitung DVZ, löst den seit Januar 2014 amtierenden Uwe Will ab, der in den Ruhestand geht. Hörbst, der vor der DVZ das Wirtschaftsressort der Bremer Tageszeitung Weser-Kurier leitete, soll der Darstellung des Landes Bremen als Logistikstandort neue Impulse geben.

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Christian Eckardt
Redaktionsmitglied bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schifffahrt und Offshoretechnik.