Sie heißen ECAs (Emissions-Überwachungsgebiete) – aber wird hier wirklich kontrolliert?

Fehlende Kontrollen verleiten zur Umgehung der Vorschriften

Weltweit ist der Seeverkehr in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Bis 2020 wird eine jährliche Zunahme von 2 bis 3 Prozent erwartet. Derzeit erfolgen etwa 90 Prozent des Welthandels auf dem Seeweg. Von etwa einem Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen liegt der Ziel- oder Abfahrtshafen in der EU. Nord- und Ostsee gehören damit zu den am häufigsten und dichtesten befahrenen Meeren der Welt. Beispielsweise durchqueren jährlich mehr als 30.000 Schiffe den Nord-Ostsee-Kanal und etwa 2.000 Schiffe fahren täglich und zu jeder Zeit auf der Ostsee.

Das Gebiet der ECA’s.
Das Gebiet der ECA’s.

In unmittelbarer Nähe der deutschen Küste konzentriert sich der Schiffsverkehr in der Nordsee auf die südliche Deutsche Bucht und in der Ostsee auf die Kadetrinne. In diesen Küstengebieten befinden sich in ihrer räumlichen Ausdehnung einmalige Ökosysteme wie zum Beispiel das Wattenmeer mit Seegraswiesen und Muschelbänken. Intensiver Schiffsverkehr und insbesondere Schiffsunfälle, bei denen große Mengen an Öl und Schadstoffen ins Meer gelangen, haben gravierende Auswirkungen auf diese Lebensräume und ihre Lebensgemeinschaften.

Die Meeresumwelt generell wird von der Seeschifffahrt erheblich belastet. Umweltgefährliche Chemikalien im Schiffsanstrich, das Einschleppen von standortfremden Organismen mit dem Ballastwasser, das Einbringen von Abwasser und Abfällen ins Meer sowie die Schadstoffe aus Abgasen oder Ölverunreinigungen beeinträchtigen den Zustand der Meeresumwelt. So ist der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren schon heute für über zwei Prozent der klimaschädlichen globalen CO2-Emissionen verantwortlich. 2012 betrugen diese ca. 940 Millionen Tonnen CO2. Das sind mehr als die gesamten Emissionen Deutschlands im Jahre 2012 in Höhe von 926 Millionen Tonnen CO2 . Schätzungen deuten darauf hin, dass ohne politische Gegenmaßnahmen die CO2-Emissionen des Seeverkehrs in Abhängigkeit von der ökonomischen Entwicklung bis 2050 sogar um 50 bis 250 Prozent im Vergleich zu 2012 ansteigen könnten (Third IMO GHG Study 2014).

Vorschriften im Seeverkehr

Der Seeverkehr wird aufgrund seiner globalen Ausrichtung in erster Linie von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organisation – IMO) geregelt. Fragen des Umweltschutzes werden dort im Umweltausschuss (Marine Environmental Protection Committee – MEPC) behandelt und sind überwiegend im „Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung von Schiffen“ (MARPOL=International Convention for the Prevention of Marine Pollution from Ships) festgeschrieben.

Das Vertragswerk MARPOL besteht aus dem ursprünglichen Übereinkommen, zwei zusätzlichen Protokollen und sechs Anlagen. Die Anlagen I bis VI des Übereinkommens regeln die verschiedenen Arten von Verschmutzungen im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb, wobei die Anlage VI, im Folgenden im besonderen Fokus steht.

Die Anlage VI (am 19.05.2005 in Kraft getreten) dient der Verhütung der Verschmutzung der Luft    verursacht von Seeschiffen. In dieser Anlage wurden u.a. Grenzwerte für Stickoxide und Schwefeloxide festgelegt.

Diese Anlage wurde am 10.09.2008 mit Erweiterungen versehen und, völkerrechtlich ratifiziert, zum 01.07.2010 in Kraft gesetzt. Mit der Überarbeitung wurde die Schaffung von ECA (Emission Control Area) beschlossen. Die SECA wurde von der sogenannten ECA abgelöst: Die Schwefelgrenzwerte können mit NOx- und Feinstaubgrenzwerten erweitert werden.

Des Weiteren wurden Anforderungen an die Qualitäten von Schiffskraftstoffen und ein Standard für NOx-Emissionen von Schiffsmotoren über Stufen (Tier/Stufe I bis III) festgelegt, sowie ECA-Befahrensregelungen für Schiffsneubauten ab dem 01.01.2016.

Umweltschutzmaßnahmen im Seeverkehr

Wirksame Umweltschutzmaßnahmen im Seeverkehr bereits auf nationaler Ebene zu ergreifen und durchzusetzen, ist schwierig, da es sich um einen international tätigen Verkehrsträger handelt. Die Vorschriften internationaler Abkommen werden zwar in deutsches Recht überführt und finden sich beispielsweise in der Verordnung über das umweltgerechte Verhalten in der Seeschifffahrt (SeeUmwVerhV) wieder, auf deren Basis Verstöße in Deutschland entsprechend geahndet werden können. Jedoch steht es Reedereien beispielsweise frei, ihren Flaggenstaat, also den Staat, in dessen Schiffsregister das Fahrzeug eingetragen wird und dessen Flagge es führt, frei zu wählen. Laut Artikel 91(1) des Internationalen Seerechtsübereinkommen (SRÜ) haben „… Schiffe die Staatszugehörigkeit des Staates, dessen Flagge zu führen sie berechtigt sind.“  Darüber hinaus bestimmt Artikel 94 Absatz 1 des SRÜ, dass „…jeder Staat seine Hoheitsgewalt und Kontrolle in verwaltungsmäßigen, technischen und sozialen Angelegenheiten über die seine Flagge führende Schiffe wirksam ausübt.“ Reeder wählen aus Kostengründen häufig „Gefälligkeitsflaggen“, also Staaten mit Rechts- und Steuersystemen, in denen die Lohnkosten aufgrund von geringeren Abgaben deutlich niedriger liegen als beispielsweise in Deutschland. Diese Staaten setzen internationales See- und Schifffahrtsrecht nicht konsequent um oder verfolgen Verstöße weniger streng. Schiffen dieser Flaggenstaaten kann jedoch das Recht auf die friedliche Durchfahrt nach Artikel 17 SRÜ durch das Küstenmeer anderer Staaten nicht verwehrt werden.

Wer und wie wird kontrolliert?

Die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ).
Die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), der sogenannte Entenschnabel, mit 12 Meilenzone. © BSH

Die Einhaltung der Regelungen wird im Rahmen der MARPOL-Kontrollen nach Artikel 4 des MARPOL-Übereinkommens mit Hilfe der zuständigen Behörden, der Wasserschutzpolizeien der Länder, im Rahmen der wasserschutzpolizeilichen Vollzugsaufgaben und im Rahmen der Hafenstaatkontrollen mit der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft, BG Verkehr, überprüft. Die Küstenwachen überwachen innerhalb der AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone), aber außerhalb des Küstenmeeres (12 Seemeilenzone). Bei Verstoß werden Ermittlungsergebnisse an die zuständige Behörde BSH zur weiteren Bearbeitung (OWi-Verfahren bzw Bericht an den Flaggenstaat) übersandt.

Wie wird sichergestellt, dass Schiffe, die in die ECA-Zone einfahren, nach Vorschrift auf schwefelarmen Kraftstoff umgestellt haben?

Grundsätzlich sind Kontrollen und das Verhängen von Bußgeldern oder strafrechtliche Maßnahmen gegen ein Schiff erst möglich, wenn es einen Hafen anläuft. Je nach Staat sind die Kontrollen der Umweltschutzvorschriften und ggf. Sanktionsmaßnahmen mehr oder weniger ambitioniert. Oftmals ist auch der Nachweis eines Verstoßes oder einer Straftat auf See schwierig. Je nach Staat sind die Bußgelder bzw. das Strafmaß vergleichsweise gering gegenüber dem Vorteil, den der Reeder / Charterer aus dem Verstoß zieht. Beispielsweise bedeutet das Fahren mit höher schwefelhaltigem Kraftstoff als zulässig (derzeit in ECAs 0,1%), eine große Kostenersparnis im Vergleich zu möglichen Strafen, sofern ein Verstoß mit Unterstützung der Behörden überhaupt nachgewiesen und sanktioniert werden kann.

Das wirft weitere Fragen auf:

Wieviel Schiffe werden beispielsweise im Hamburger Hafen in welchen Zeiträumen auf Einhaltung der Vorschriften kontrolliert?

Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, werden nur rund fünf Prozent der Schiffsanläufe kontrolliert (etwa 550 Schiffe in Hamburg)

Nach welchen Kriterien werden Schiffe z.B. im Hamburger Hafen „ausgesucht“ und kontrolliert?

Da es keine direkten Vorgaben gibt (aber eventuelle Verdachtsmomente mit Hilfe der Sniffer-Anlage Wedel), wird eine Detektierung nach polizeilichem Ermessen durchgeführt. Das können ältere Schiffe, oder Schiffe die erstmals den Hamburger Hafen anlaufen, sein. Weiterhin ziehen die ausführenden Behörden Erkenntnisse aus den computergestützten Programmen Equasis (www.equasis.org/EquasisWeb/public/HomePage) sowie Thetis-EU (http://emsa.europa.eu/ship-inspection-support/thetis-eu.html) zwecks zu kontrollierender Schiffe.

Wissen Schiffseigner und –führungen, wie wenig kontrolliert wird und „lassen es draufankommen“?

Verstöße gegen das MARPOL-Übereinkommen rechnen sich kaufmännisch; jede Rechtsabteilung kann anhand SeeUmwVerV und BVKatBin-See die Höhe der Bußgelder berechnen.

Im Vergleich zu anderen Staaten (siehe USA) fällt auf, dass die Bußgelder / Verwarnungen in Deutschland als viel zu niedrig anzusehen sind. Verführt das Schiffseigner / Charterer zur Umgehung der Vorschriften?

Wenn z.B. ein Frachtschiff mit einer angenommenen Antriebsleistung von etwa 20.000 kW in den Englischen Kanal, und damit in die ECA-Zone (5 Grad West: Spätestens jetzt muß auf den regelkonformen Kraftstoff umgestellt werden), mit Zielhafen Hamburg, einfährt, sind es rund 520 Seemeilen bis zum Eintritt in die deutsche AWZ. Für diese Strecke benötigt das Schiff etwa 30 Stunden bei einer angenommenen durchschnittlichen Geschwindigkeit von 18 kn. Mit der Nutzung des preisgünstigeren Kraftstoffes (RMG 380 = höherer Schwefelanteil (bis zu 3,5%)) werden bis zum Eintreten in die deutsche AWZ Kraftstoffkosten eingespart die locker im höheren 5-stelligen Eurobereich liegen. Demgegenüber stehen Bußgelder gemäß BVKatBin-See, siehe Anhang 1, Seite 160, (Motorleistung größer 30.000 kW) von maximal 22.000 EURO, die man mit „…wird aus der Portokasse beglichen“ bezeichnen kann – obwohl nach § 6 Abs. 3 des Gesetzes über die Verwendung von schwefelhaltigem Schiffskraftstoff Bußgelder von bis zu 50.000 Euro verhängt werden können!

Erst kurz vor Eintreten in die deutsche AWZ wird auf schwefelarmen Kraftstoff umgestellt – und das wird dann bei einer möglichen Kontrolle im Zielhafen genauestens überprüft! Aber eine Kontrolle nach dem Verlassen der Elbmündung, wenn kein weiterer Hafen innerhalb der ECA (z.B. Rotterdam, Antwerpen) mehr angelaufen wird, findet nicht statt.

Was wären geeignete Mittel und Wege schärfere Kontrollen bzw Bußgelder einzuführen?

In erster Linie schlagen hier Experten der Szene eine enge Zusammenarbeit aller MARPOL-Ermittlungsbehörden (WSPen und PSC) der europäischen Anrainerstaaten vor, die AWZ-übergreifend z.B. verdächtige („räuchernde“ Schiffe) innerhalb der ECAs unangekündigt / verdachtsunabhängig kontrollieren, (siehe § 13 Absatz (4) SeeUmwVerhV: Die Bediensteten der Wasserschutzpolizeien können bei Verdacht von dem Schiffsführer verlangen, aus dem Brennstoffsystem, soweit durchführbar, und aus verschlossenen Behältern an Bord von Schiffen Proben zu ziehen oder ziehen zu lassen, um festzustellen, ob auf den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Wasserflächen oder innerhalb eines Emissionsüberwachungsgebiets Schiffskraftstoff mit einem über Absatz 1 hinausgehenden Schwefelgehalt verfeuert worden ist) kann / darf. Weiterhin muss eine grundsätzliche Änderung des Bußgeldverfahrens mit Abschöpfung der Vermögensvorteile (geldwerter Vorteil für den Reeder; Charterer) bzw. eine Erhöhung des maximalen Bußgeldes von 50.000 EURO auf 1.000.000 EURO durchgeführt werden.

Fazit: Eine wirkungsvolle Abgas-Emissionsüberwachung innerhalb der ECAs (Nord- und Ostsee) gibt es nicht. Jeder EU-Anrainerstaat kontrolliert nach eigenem Ermessen mehr oder weniger ambitioniert. Die fehlende europäische Zusammenarbeit nutzen Reedereien / Charterer aus und verschmutzen ungeniert einerseits das ECA-Gebiet und verdienen sich andererseits eine „goldene Nase“ bei der Nutzung von schwefelhaltigem Kraftstoff.
Das gemeinsame Ziel muss sein: Weg von der Kleinstaaterei hin zur europäischen Zusammenarbeit.

Wie heißt es zur europäischen Idee im 21. Jahrhundert in Bezug auf den Klimaschutz?: In der Energiepolitik und beim Klimaschutz wird die EU gemeinsam mit den nationalen Staaten vorgehen, um die globale Bedrohung des Klimawandels abzuwenden.

Wasserschutzpolizei entlarvt Umweltsünder

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Dipl. -Ing. Peter Pospiech
Redaktionsleitung bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schiffsbetriebstechnik, Transport, Logistik, Schiffahrt, Hafen und dem weitreichenden Thema Umweltschutz sowie gesetzliche Auflagen für Antriebsmaschinen.