„Electric & Hybrid“ – eine ganz spezielle Ausstellung in Amsterdam
Im Juni 2015 fand in Amsterdam unter dem anspruchsvollen Namen „Electric & Hybrid Marine World Expo“ die zweite Spezialausstellung für elektrische Schiffsantriebe statt.
Im Gegensatz zu den großen Fachausstellungen, wie der SMM in Hamburg und der Europort in Rotterdam, konzentrieren sich hier Ausstellung und Vortragsprogramm auf einen Schwerpunkt, der bereits heute von größtem Interesse für den internationalen Schiffbau und die Zulieferindustrie ist. Die elektrische Antriebstechnik wird künftig im unteren und im mittleren Leistungsbereich erheblich an Bedeutung gewinnen, völlig unabhängig davon, welche Primärenergie zum Einsatz kommt. Sie wird maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Schiffsbetriebs gewinnen, zumal sie beste Voraussetzungen für umweltfreundliche Antriebe bietet, und zu Wettbewerbsvorteilen führt.
Die überlieferte Aussage, dass die elektrischen Schiffsantriebssysteme mit einem schlechten Nutzungsgrad arbeiten, also mit deutlich höheren Verlusten verbunden sind als mechanische Antriebssysteme, und somit nur in Sonderfällen zum Einsatz kommen, kann als „technisch überholt“ bezeichnet werden. Diese Erkenntnis ist nicht neu! Sie hat sich in der maritimen Wirtschaft nur noch nicht hinreichend durchsetzen können. So schwören heute noch namhafte Reedereien der Kreuzfahrtbranche auf konventionelle, mechanische Antriebsanlagen.
Den entscheidenden Einfluss auf eine zunehmende Verwendung elektrischer Antriebe hatte die Entwicklung der Halbleitertechnik der letzten zwei Jahrzehnte. Standen seinerzeit nur Komponenten für wenige Hundert Kilowatt zur Verfügung, so sind heute Einheiten für mehrere Tausend Kilowatt verfügbar. Damit können bei intelligenter Aufteilung der an Bord benötigten elektrischen Energie auf mehrere Bordaggregate wirtschaftliche elektrische Schiffsantriebe hoher Leistung realisiert werden. Sie verbrauchen nicht nur weniger Kraftstoff als vergleichbare mechanische Antriebe, sondern sind auch wesentlich umweltfreundlicher.
Die Schlüssel hierfür sind:
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Verwendung von Asynchrongeneratoren und folglich Wegfall der Synchronisierung,
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konsequenter Betrieb der Aggregate mit variabler Drehzahl und Start-Stopp-Funktion,
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Verwendung von Umrichtern und einem Gleichstromzwischenkreis,
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individuelle Anpassung von Spannung und Frequenz an die einzelnen Verbraucherkreise bzw. einzelne große Verbraucher wie Haupt- und Hilfsantriebe mit Umrichtern.
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100% Drehmoment ab der Ersten Umdrehung verfügbar
Die Vorteile derart aufgebauter Stromversorgungs- und Antriebsanlagen liegen auf der Hand: Die Aufteilung der maximal benötigten elektrischen Leistung für den Antrieb und den Bordbetrieb bietet große Flexibilität bei geringstmöglichem Kraftstoffverbrauch. Der Verzicht auf die Synchronisierung führt zu extrem kurzen Zeiten für das Hochlaufen von Aggregaten und die Lastaufschaltung. Das ist durchaus ein Sicherheitsfaktor. Darüber hinaus ist der Raumbedarf für die Schaltanlagen gut ein Drittel geringer als bei konventionellen Anlagen.
Bei Vergleichsfahrten von Schiffen, eines mit einem noch relativ einfachen elektrischen System und einem zweiten mit konventionellem Antrieb, wurden schon vor einigen Jahren nach Aussage der betreffenden Reederei Kraftstoffeinsparungen von 10 Prozent gemessen. Dabei waren weder Aggregate mit variabler Drehzahl im Einsatz noch die Start-Stopp-Technik. Daraus lässt sich erkennen, dass bei konsequenter Nutzung des Standes der Technik, im Vergleich zu zahlreichen kleinen Maßnahmen der Vergangenheit, erhebliche Kraftstoffeinsparungen mit dieser Technik möglich sind. Zweifellos sind derartige Anlagen etwas teurer als konventionelle. Doch neben den erheblichen Vorteilen für den gesamten Bordbetrieb und den Komfort an Bord ist in recht kurzer Zeit eine Amortisation der Mehrkosten zu erzielen.
Rein elektrische Schiffsantriebe
Immer wieder werden die Vorzüge rein elektrischer Antriebe für Schiffe gepriesen, so auch in Amsterdam. Damit sind Schiffe gemeint, deren Antrieb allein von der an Bord gespeicherten elektrischen Energie abhängig ist, die also Akkumulatoren mit einer Kapazität an Bord haben müssen, die ihrem Einsatzspektrum und den Möglichkeiten der Aufladung entsprechen.
Hinsichtlich der Aufladung der Akkus gibt es Varianten, die von nächtlicher Ladung mit Landstromanschluss über Solartechnik bis zu Brennstoffzellen reichen. Die Achillesferse solcher Wasserfahrzeuge sind, wie bei der sogenannten Elektromobilität auf der Straße, die unverändert nicht zu behebenden Nachteile der Akkumulatoren.
Hier sollen nun nicht alle Argumente für oder gegen den akku-gestützten elektrischen Antrieb wiederholt werden. Nur so viel: Wer sich für den Einsatz von Akkumulatoren entscheidet, muss wissen, dass diese in einer Reihe stehen mit Gasturbinen, Stirlingmotoren und Brennstoffzellen – sie vertragen alle keine Lastwechsel.
Das spricht nicht dagegen, dass zum Beispiel Fähren oder kleine Passagierschiffe mit derartigen Anlagen in sensiblen Regionen betrieben werden. Vergessen werden darf dann allerdings nicht, dass es sich um Einzelanwendungen handelt, die nicht als Pilotprojekte hingestellt werden können bzw. sollten.
Zweifellos können die Akku-Hersteller für ihre Produkte Fortschritte melden. Dazu tragen unter anderem speziell entwickelte Schaltanlagen bei, mit denen sich der Akkubetrieb optimieren lässt. Dennoch ist ein Quantensprung bei der Energiedichte nicht zu erwarten. Die Akkus werden auf lange Zeit schwer bleiben, viel Raum beanspruchen und eine mehr oder weniger stark begrenzte Zahl an Ladezyklen vertragen.
Hybride Schiffsantriebe
Völlig anders als bei den rein elektrischen Schiffsantrieben sieht die Situation bei hybriden Schiffsantrieben aus. Diese sind, solange fossile Kraftstoffe zur Verfügung stehen, für zahlreiche Schiffe eine ebenso wirtschaftliche wie umweltfreundliche Lösung. Sie bieten Betriebsarten, die mit konventionellen Anlagen nicht darzustellen sind, es sei denn mit erheblichem Aufwand.
Da der Gebrauch des Wortes „hybrid“ in der maritimen Wirtschaft äußerst unsauber ist, hier ein kleiner Hinweis auf die Bedeutung dieses griechischen Wortes. Es steht im technischen Bereich für „gemischt“ im Sinne gemischter, zweierlei Herkunft. Übertragen auf den Schiffsantrieb handelt es sich um eine hybride Antriebsanlage, wenn das Drehmoment des Propellers zum Beispiel einmal von einem Verbrennungsmotor und dann von einem Elektromotor erzeugt wird, die beide über ein zum Beispiel gemeinsames Getriebe mit der Propellerwelle verbunden sind. Die Stromversorgung des Elektromotors kann dann von einem Bordaggregat kommen oder von Akkumulatoren. Nutzt man bei einem Bordaggregat zusätzlich zur elektrischen Energie des Generators die Wärme aus dem Kühlwasser des Motors, dann ist das schlicht eine Kraft-Wärme-Kopplung. Mit hybrid hat das nichts zu tun.
Für hybride Schiffsantriebsanlagen werden in jedem Fall besondere Getriebe benötigt, die in Standardausführung Anschlüsse für zwei Motoren und zugehörige schaltbare Kupplungen haben müssen, um mit dem einen oder alternativ mit dem anderen Motor fahren zu können.
Darüber hinaus bieten diese Getriebe den Vorteil, mit beiden Motoren gleichzeitig fahren zu können und somit ein entsprechend hohes Drehmoment zur Verfügung zu haben. Ein weiterer Vorteil dieser Getriebe ist die Möglichkeit, den Elektromotor als Generator zu betreiben, um die vom Propeller nicht benötigte Leistung des Verbrennungsmotors zur Stromerzeugung zu nutzen.
Mit entsprechenden Umrichtern kann die so erzeugte elektrische Leistung in das Bordnetz eingespeist oder zur Ladung von Akkumulatoren genutzt werden. So wäre zum Beispiel bei entsprechender Auslegung einer Antriebsanlage mit ausreichender Akku-Kapazität die Revierfahrt mit äußerst geringen Schadstoffemissionen möglich. Was oben zu den Akkumulatoren ausgesagt wurde, gilt jedoch auch hier.