Mit der am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Schiffsbesetzungsverordnung ist die Bemannung für Schiffe unter deutscher Flagge festgeschrieben. Dabei galt bis vor Kurzem, das in Abhängigkeit von der Schiffsgröße bis zu vier Unionsbürger als Schiffsoffiziere an Bord tätig sein sollen. Zudem war ein Schiffsmechaniker vorgeschrieben. Am 1. Juli 2016 ist nun eine Neufassung dieser Verordnung in Kraft getreten. Seitdem muss jedes Schiff ab 8.000 BRZ (Bruttoraumzahl) unter deutscher Flagge nur noch mit einem EU-Kapitän und einem EU-Offizier besetzt sein, für Schiffe bis 8.000 BRZ ist die Besetzung mit einem EU-Kapitän ausreichend. Grundsätzlich gilt weiterhin: Die Anzahl und Qualifikation der Besatzung im Hinblick auf Seemannschaft, Navigation, Nachrichtenwesen und Maschinentechnik muss dem Typ, der Größe, der Maschinenanlage und der Ausrüstung des Schiffes entsprechen. Dafür muss an Bord ein Schiffsbesatzungszeugnis oder ein gleichwertiges Dokument mitgeführt werden.
Die Auswirkungen dieser Neuregelung werden nach vier Jahren überprüft und bewertet. Im Rahmen des Maritimen Bündnisses für Ausbildung und Beschäftigung erfolgt während dieser Zeit ein Monitoring der Auswirkungen auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Kritiker der geänderten Schifffahrtsverordnung sehen in der mit ihr verbundenen Reduzierung von deutschen und EU-Seeleuten einen Rückschritt. Sie würde zum einen dem Schifffahrtsstandort die Basis für den Erhalt des maritimen Know-hows entziehen und zum anderen jungen Seeleuten eine wichtige Möglichkeit zum Sammeln von Berufserfahrung nehmen.
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sieht das aber ganz anders: „Deutschland ist eine der weltweit führenden Schifffahrtsnationen – mit einer starken Marke „German Shipping“. Diese Spitzenposition müssen wir halten, um die Wohlstandschancen durch zunehmendes Verkehrswachstum, Globalisierung und Digitalisierung zu nutzen. Wir steigern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Flagge, indem wir unter anderem die Schiffsbesetzungsverordnung reformieren.“
Spricht man aber mit Fachleuten aus der Branche, so sind Nachwuchssorgen in der deutschen maritimen Wirtschaft offensichtlich. Die Situation für deutsche Seeleute ist schwierig. Die Lohnkosten sind ein gewichtiges Argument, deutsche Absolventen haben es daher schwer. Die geänderte Schiffsbesetzungsordnung wurde außerhalb des Maritimen Bündnisses mit dem Bundesverkehrsminister vereinbart. Das Argument war, dass mehr Schiffe unter deutscher Flagge zu mehr Arbeitsplätzen führen sollten. Das Ergebnis ist noch offen. Das Problem daran ist in jedem Fall, dass zu den EU-Bürgern auch osteuropäische Seeleute zählen, die deutlich weniger verdienen als etwa die Deutschen und deren westliche Nachbarn. Grundsätzlich gibt es nach wie vor einen hohen Bedarf an nautischen und technischen Qualifikationen. Politik und Reeder müssen dafür Sorge tragen, dass die Kompetenzen und Qualifikationen hier in Deutschland bleiben.
Nach wie vor besteht das Problem, dass einige Reeder keinen Arbeitsplatz bereitstellen können (oder wollen?). Inzwischen gibt es auf See mehr Ausbildungsverhältnisse als Praktikumsplätze.
Wird es deswegen weniger Nautikabsolventen geben, verschärft sich auch der Nachwuchsmangel bei den Lotsen. Zum Beispiel werden Lotsen dringend gesucht, können aber nach geltendem Recht erst nach fünf Jahren auf See in diesen Beruf einsteigen. Hier gibt es nun Überlegungen, einen speziellen Studiengang zu schaffen, der vom Lotsenverband unterstützt werden sollte – denn Lotsen müssen nicht alles können, was ein Kapitän tut, beispielsweise den Ladungsumschlag überwachen.
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