Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie vor schwierigen Aufgaben

Impressionen aus dem Turbomaschinenbau – Detailaufnahme vom Laufrad eines Kompressors.
Impressionen aus dem Turbomaschinenbau – Detailaufnahme vom Laufrad eines Kompressors. © VDMA

VDMA Arbeitsgemeinschaft legte Jahresbericht 2015 vor

Verhielten sich in der Vergangenheit der weltweite Schiffbau und die entsprechenden Aktivitäten im Offshore-Bereich über mehr als zwei Jahrzehnte gegenläufig, wirkte sich die schon 2014 gleichsinnig verlaufende Geschäftsentwicklung beider Marktbereiche entsprechend negativ auf die Geschäfte der deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie aus. Dennoch ist man bei der VDMA Arbeitsgemeinschaft „Marine Equipment and Systems“ unverändert optimistisch, von der Krise der weltweiten Werftenindustrie nicht angesteckt zu werden.
Noch wirkt sich die veränderte Marktsituation nicht stark auf den Umsatz aus. War bis 2014 ein leichter Anstieg des Umsatzes zu verzeichnen, so ist er im vergangenen Jahr leicht gesunken und auch die für das erste Halbjahr 2016 vorliegenden Zahlen lassen kein positives Vorzeichen erkennen. Nachdem die Erwartungen für 2015 schon nicht erfüllt wurden, wird der Umsatz im laufenden Jahr voraussichtlich stark sinken. Produkt- und wertbedingt verlaufen die Geschäfte jedoch recht unterschiedlich. Während 40 Prozent der Mitgliedsunternehmen für 2015 schon einen Umsatzrückgang meldeten, verzeichnet ebenfalls 40 Prozent noch ein Wachstum.

Umsatzentwicklung:
2014 11,9 Mrd Euro + 1,7 Prozent
2015 11,7 Mrd Euro – 1,7 Prozent
2016 voraussichtlich 10 Mrd Euro – 14,5 Prozent

Der Maschinenbau ist am Umsatz der Branche mit 71 Prozent beteiligt, die Elektrotechnik mit 12 Prozent und der Dienstleistungsbereich inzwischen mit 15 Prozent. Unverändert ist der Handelsschiffbau mit 68 Prozent der stärkste Umsatzträger. Lieferungen für den Marineschiffbau gewinnen zunehmend an Bedeutung und lagen 2015 bei 20 Prozent. Der restliche Umsatz fällt mit 12 Prozent im Bereich Meerestechnik an. Schlecht sieht es beim Auftragseingang aus, der letztlich die Beschäftigung sichern muss.

Auftragseingänge:
2014 + 4,3 Prozent
2015 – 7,5 Prozent
2016 voraussichtlich – 10 … 12 Prozent

Die Branche lebt seit Jahrzehnten mit einem außerordentlich hohen Exportanteil von mehr als 70 Prozent. Im vergangenen Jahr lag die Exportquote sogar bei 79 Prozent, entsprechend einem absoluten Betrag von 9,24 Mrd Euro. Davon gingen 37 Prozent auf die drei großen Märkte in Asien, im Vorjahr waren es noch 46 Prozent! Der größte Anteil betraf mit knapp 2 Mrd Euro (22 Prozent) Lieferungen an chinesische Werften. Gut 30 Prozent des Auslandsumsatzes gingen 2015 in EU-Länder. Konnte in diesen Ländern ein leichtes Wachstum erzielt werden, so verzeichnet die Branche in Nordamerika sowie im Nahen und Mittleren Osten „ein deutliches Wachstum“.

Die Hintergründe für diese Entwicklung liegen sowohl in der Schifffahrt wie im Schiffbau. Der Einstieg Chinas in den Schiffbau hatte vor einigen Jahren einen Boom gebracht, inzwischen ist eine mehr als ausreichende Transportkapazität vorhanden, die Nachfrage sinkt unverändert. Entsprechend rückläufig sind die Neubauaufträge der jüngsten Zeit. Im ersten Quartal 2015 wurden weltweit zwar noch 425 Schiffe bestellt, aber das war nur noch die Hälfte des Vorjahreszeitraums. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Bestellungen im ersten Quartal auf 172. Allerdings lag der weltweite Auftragsbestand im ersten Quartal 2016 immer noch bei rund 5800 Schiffen. Die Verschiebungen auf den oberen Rängen zeigen deutlich die Unsicherheiten auf dem Schiffbau-Weltmarkt. War China im ersten Halbjahr 2015 auf den dritten Platz abgerutscht, so liegen seine Werften im ersten Quartal 2016 wieder auf Rang 2. Hatte Südkorea den ersten Rang eingenommen, so musste es diesen inzwischen an Japan abtreten und mit dem dritten vorliebnehmen.

Nach einer Meldung von Ende 2015 sollen zu diesem Zeitpunkt in China noch rund 1400 Schiffbaubetriebe bestanden haben. Der VDMA geht von rund 1000 Werften aus, die im internationalen Geschäft tätig sind, und erwartet die Schließung von etwa 700 Betrieben. In diesem Zusammenhang befürchtet die Arbeitsgemeinschaft erhebliche Veränderungen des Marktgeschehens, da damit eine „Lokalisierung“ der Zulieferung einhergehen soll. Wie zu hören ist, sollen künftig wertmäßig 90 Prozent der Zulieferungen aus dem eigenen Land kommen. Da ähnliche Pläne auch in Südkorea anstehen, wäre das aus Sicht der Zulieferer eine erhebliche Einschränkung des freien Welthandels. Zweifellos sind die Voraussetzungen für eine „lokale Produktion“ der Zulieferteile in Südkorea besser als in der VR China. Aus der Vergangenheit ist hinreichend bekannt, dass in China zum Beispiel für die Herstellung von Propellern erhebliche Kapazitäten aufgebaut wurden, die mangels Know-how nicht ausgelastet werden. Ein bedingter Know-how-Transfer konnte in der Vergangenheit nur über ein Joint Venture erfolgen. Was die Zukunft hier bringen wird ist völlig offen.

Ein weiterer Punkt, der zu erheblichen Veränderungen im Bereich der Zulieferindustrie führen wird, betrifft das Stichwort „Digitalisierung“. Das zielt nicht nur auf zahlreiche Abläufe des täglichen Schiffsbetriebs und deren Überwachung, sondern reicht bis zum sogenannten „Selbstfahrenden Schiff“. Die weltweite Automobilindustrie ist auf dem besten Weg zum selbstfahrenden Auto und in der Bundesrepublik Deutschland wird bereits ein Verkehrsgesetz diskutiert, mit dem die Voraussetzungen für die Nutzung derartiger Fahrzeuge geschaffen werden sollen. Aktuell: Daimler stellt den ersten selbstfahrenden Autobus vor.

Die Schifffahrt ist auch nicht mehr allzu weit weg vom autonom fahrenden Schiff. Jedenfalls wurde im Rahmen der Jahrespressekonferenz des VDMA das Thema „teil-autonome“ Schiffe angesprochen. Danach sollen in Norwegen demnächst mehrere Fähren mit Fahrzeiten zwischen 30 und 40 Minuten, ohne Schiffsführung auf der Brücke, von einem Punkt aus ferngesteuert bzw. überwacht fahren.
Damit sind Herausforderungen in den Bereichen Elektrotechnik und Elektronik verbunden, an denen seit geraumer Zeit intensiv gearbeitet wird. Aber auch die Geräte- und Systemlieferanten sind hier gefordert, denn sie müssen für die Einbindung ihrer Produkte in die übergeordneten Systeme brauchbare Schnittstellen schaffen. Gerade hier bieten sich der deutschen Zulieferindustrie bedeutende Chancen für die Behauptung am Weltmarkt. Wie erfolgreich die Unternehmen sein werden, hängt weitgehend vom Verhalten der Reeder ab. Die Klagen über Zurückhaltung gegenüber Neuerungen sind an der Küste nicht neu. Verwunderlich ist nur, dass nachweisliche Verbesserungen des Schiffsbetriebs, die zu einer Senkung der Lebensdauerkosten führen, keinen durchschlagenden Erfolg haben und in einzelnen Fällen mit dem Hinweis auf mangelnde Finanzierbarkeit scheitern.

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Hans-Jürgen Reuß
Der Autor betreibt ein Pressebüro mit den Schwerpunkten Schifffahrt, Schiffbau, Schiffbauzulieferindustrie und Schifffahrtsgeschichte.