Gotlandsbåten am Ende

Die EXPRESS im Hafen von Visby.
Die EXPRESS im Hafen von Visby. © Gotlandsbåten

Die neue schwedische Fährreederei Gotlandsbåten stand von Beginn an unter keinem guten Stern. 2014 gegründet, musste das Unternehmen seinen Start zunächst verschieben, dann ganz absagen. Loslegen konnte Gotlandsbåten erst 2016 – und war nach nur einer Saison auch schon wieder am Ende.

Ein Team unter der Führung der beiden schwedischen Geschäftsleute Lars Meijer und Pigge Werkelin sah 2014 Bedarf an zusätzlicher Fährkapazität auf den Verbindungen zwischen dem schwedischen Festland und der Insel Gotland. Hier hielt zu diesem Zeitpunkt die Rederi AB Gotland eine Konzession inne, die ihr für die Dauer von zehn Jahren (2008 – 2017) einen subventionierten Betrieb auf den beiden Linien Nynäshamn – Visby und Oskarshamn – Visby erlaubte. Zum Einsatz kommen bei Destination Gotland die beiden konventionellen RoPax-Fähren VISBY und GOTLAND (beide Baujahr 2003) und, vorwiegend im Sommer, die beiden Schnellfähren GOTLANDIA und GOTLANDIA II (Baujahr 2003 bzw. 2006).

Der neue Anbieter Gotlandsbåten sah insbesondere in der Sommersaison Bedarf für zusätzliche Kapazität und sicherte sich die Charter der griechischen Fähre PRINCESS T (Baujahr 1986), die im Gotland-Verkehr als VÄSTERVIK zum Einsatz kommen sollte. Vorgesehen war ein Betrieb auf den Linien Västervik – Visby und Nynäshamn – Visby. In der Inselhauptstadt Gotlands war man allerdings trotz der zusätzlichen Kapazität für Insulaner und Touristen alles andere als begeistert über ein fünftes Schiff, mussten doch im kleinen Hafen von Visby erst noch die Voraussetzungen geschaffen werden für den neuen Anbieter.

2014 allerdings wurde daraus ohnehin nichts mehr, denn als sich der Umbau der VÄSTERVIK auf der griechischen Werft immer weiter in die Länge zog, musste Gotlandsbåten den geplanten Start erst von Juni auf Juli verschieben und dann schließlich ganz absagen. 45.000 Tickets hatte das noch junge Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits verkauft, die nun zähneknirschend auf die Schiffe der Konkurrenz umgebucht bzw. erstattet werden mussten, vom entstandenen Image-Schaden der ambitionierten Reederei ganz zu schweigen. Unter der Leitung des neuen Vize-Präsident (und wenig später Präsidenten) Ralph Axelson blieb Gotlandsbåten nichts anderes übrig, als die alte Firma zu schließen und 2015 noch einmal ganz von vorne anzufangen. 2015 stand daher ganz im Zeichen der Suche nach einem neuen geeigneten Schiff, denn ob und wann der Umbau der VÄSTERVIK abgeschlossen werden würde, war weiterhin nicht klar. Dafür war man sich bewusst, dass man im Jahr 2015 keine Abfahrten zwischen dem schwedischen Festland und Gotland würde anbieten können, zu knapp war die Zeit, vom Anfang des Jahres bis zum Sommer eine neue Vertriebsorganisation aufzubauen. Stattdessen konzentrierte sich Gotlandsbåten darauf, im Folgejahr 2016 einen neuen Versuch zu starten.

Die EXPRESS im Rahmen ihres Charter-Einsatzes für P&O Ferries.
Die EXPRESS im Rahmen ihres Charter-Einsatzes für P&O Ferries. © P&O Ferries

Fündig wurde man in der Zwischenzeit in der 1998 als CATALONIA gebauten Katamaran-Schnellfähre EXPRESS, deren Kapazität für 220 Autos und 836 Passagiere für den Gotland-Verkehr geeignet erschien und deren Charter an P&O Ferries im Herbst 2015 auslief. Das maximal 48 Knoten schnelle Schiff vom Typ InCat 91würde die Verbindung von Visby nach Nynäshamn in 3 Stunden und die von Visby nach Västervik in 2 Stunden zurücklegen können. Der Katamaran wurde im Oktober 2015 von Nordic HSC gekauft, nach Schweden umgeflaggt und umgehend an Gotlandsbåten verchartert. Nach einer Renovierung bei Öresund Dry Docks in Landskrona im Winter 2015/16 sollte es im Frühjahr 2016 endlich losgehen bei Gotlandsbåten, zwei Jahre nach dem ursprünglich angekündigten Zeitpunkt. Die erste Abfahrt der EXPRESS im neuen Gotlandsbåten-Kleid fand tatsächlich am 29.04.2016 statt. Vier wöchentliche Rundreisen auf beiden Linien führte das Schiff fortan durch, die in der Sommersaison (13.06. bis 21.08.) auf tägliche Abfahrten erhöht wurden. Und wie angekündigt trug das zusätzliche Schiff tatsächlich zu einer Steigerung der Touristenzahlen auf der Insel Gotland bei. 11% mehr Sommer-Fährpassagiere zählte man 2016 in Visby, 100.000 mehr als im Vorjahr, als Gotlandsbåten nicht verkehrte. Die Insel Gotland insgesamt verzeichnete sogar eine Steigerung um 12% bei den Übernachtungen, während die Übernachtungszahlen im Rest des Landes 2016 mehr oder weniger stagnierten. Gotlandsbåten selber sah sich derweil nicht als Konkurrenz, sondern bescheiden als „Ergänzung“ des Angebotes von Destination Gotland.

Am 04.09. fand die letzte Abfahrt des Jahres statt; 354 Fahrten insgesamt hatte die EXPRESS durchgeführt und ihre Reederei 160.000 Tickets verkauft. Mit den Worten „What a fantastic season“ schloss Ralph Axelson das Geschäftsjahr im September ab und kündigte für 2017 an: „We will be there“. Hierzu wäre allerdings eine Kapitalerhöhung über 30 Mio. SEK (ca. 3 Mio. €) nötig gewesen, doch die Suche nach weiteren Geldmitteln blieb erfolglos. Am 08.11. musste Axelson das Aus für Gotlandsbåten verkünden und die Entlassung dreier fester und diverser Teilzeit-Angestellter. Die seitdem im Hafen von Västervik aufgelegte EXPRESS ist nun für eine Charter verfügbar. Unterdessen sind in China zwei Neubauten für die Rederi AB Gotland im Bau. Die LNG-getriebenen Schiffe sollen 2017/18 in Fahrt kommen, das erste davon lief am 18.11.2016 unter dem Namen VISBORG vom Stapel. Auch der Umbau der VÄSTERVIK ist inzwischen übrigens abgeschlossen. Im Sommer 2016 verkehrte das Schiff für die griechische Reederei EMC zwischen Bari, Korfu, Igoumenitsa in der Adria.

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Kai Ortel
Redaktionsmitglied bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Kreuz- und Fährschifffahrt.