Die deutsche Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie erwirtschaftet mit etwa 65.000 Mitarbeitern in 400 Unternehmen einen Jahresumsatz von 11,1 Mrd. Euro. Im weltweiten Vergleich steht die deutsche Schiffbau-Zulieferindustrie bei Produktion und Export weiterhin an erster Stelle. Der Exportanteil am Umsatz liegt bei 78 Prozent.
Auch wenn die Umsätze der deutschen Schiffbauzulieferer im dritten Jahr in Folge sanken und die Talsohle bei den Auftragseingängen noch nicht erreicht ist, so erkennt der VDMA „…einen Silberstreifen am Horizont…“.
Die Schiffbau- und Offshore-Zulieferer in Deutschland müssen auch in diesem Jahr erhebliche Anstrengungen leisten, um der anhaltend schwachen Nachfrage aus dem Ausland und wachsendem Wettbewerbsdruck auf den globalen Schifffahrtsmärkten zu begegnen. Neue Märkte zu erschließen, Produktinnovationen, Digitalisierung und Vernetzung als Chance zu begreifen, zahlt sich für die Unternehmen durchaus aus. „Unsere High-Tech-Branche mit ihren über 65.000 Beschäftigten hat die Talsohle der Auftragseingänge noch nicht erreicht, ein Silberstreif am Horizont ist aber zu erkennen. Das liegt zum einen an der Flexibilität der Schiffbau- und Offshore-Zulieferer, zum anderen an den sich jetzt abzeichnenden guten Konjunkturdaten aus dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau“, erklärt Dr. Alexander Nürnberg, Vorstandsvorsitzender VDMA Marine Equipment and Systems. „Insgesamt hat der Maschinenbau seine Prognose für die reale Maschinenproduktion 2017 auf plus 3 Prozent erhöht. Davon ist der maritime Bereich im Mittel allerdings weit entfernt. Zwar ist der Umsatz im vergangenen Jahr nur leicht auf 11,1 Milliarden Euro gesunken, dem steht aber ein signifikanter Rückgang im Auftragseingang von 14 Prozent gegenüber. Auch für 2017 können wir für die gesamte Branche keine deutliche Besserung erkennen“, sagt Nürnberg.
Einzelne maritime Märkte und Segmente blicken jedoch durchaus positiv voraus: Im Bereich der Fährschiffe besteht kurz- und mittelfristig große Nachfrage, ebenso bei Systemen und Komponenten aus der Elektrotechnik, die im Rahmen der fortschreitenden Automatisierung enorme Bedeutung für einen reibungslosen, effizienten Betrieb von Schiffen und Anlagen haben.
„Mittelfristig werden sich hoffentlich die erfreulichen Konjunkturentwicklungen des Maschinenbaus auch auf den gesamten maritimen Bereich positiv auswirken“, betont Nürnberg.
Exportmärkte mit unterschiedlichen Entwicklungen
Das europäische Ausland ist seit Jahren das erste Mal wieder wichtigster Exportmarkt der deutschen Zulieferer (37 % der Exporte, Vorjahr: 31 %). Hintergrund ist die stabile Auftragslage führender europäischer Schiffbaubetriebe in ihren jeweiligen Spezialsegmenten. Der langjährige Spitzenreiter Asien folgt mit 34 %. Die wichtigsten asiatischen Länder China und Korea behielten etwa ihre Anteile am Export deutscher Zulieferer bei: China mit 21 %, Korea mit knapp 10 %, wohingegen das restliche Asien 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich von 6,5 % auf 3,5 % zurückfiel. Auch der Handel mit Nordamerika hat sich anteilig verringert: Er betrug 2015 noch 11 %, 2016 nur noch 9 %.
Markt konsolidiert sich weiter
Unterdessen konsolidiert sich der Schifffahrtsmarkt weiter, neue Geschäftsmodelle verändern die Angebotssituation und bisher etablierte Modelle verlieren an Bedeutung. „Die wachsenden digitalen Möglichkeiten gilt es, intelligent im Zusammenspiel zwischen Betreibern, Werften, Zulieferern und darüber hinaus zu nutzen“, erläutert Martin Johannsmann, Vorstand im VDMA Marine Equipment and Systems. „Branchenübergreifend voneinander lernen“ ist dabei die Devise der Komponenten- und Systemanbieter, deren Lösungen nicht nur im Schiffbau, sondern auch im angrenzenden maritimen Umfeld wie Logistik, Hafentechnik und Energie gefragt sind.
Schiffsneubauaufträge auf niedrigem Niveau
Es werden heute deutlich weniger Schiffe bestellt als zu den besten Jahren. Das betrifft vor allem Containerschiffe und andere Standardfahrzeuge, die auf den Werften in Asien gebaut werden. Im ersten Quartal 2017 wurden 223 Schiffe bestellt, im gesamten Vorjahr waren es nur 798. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahrzehnten waren es 2000 bis 3000 Neubauten pro Jahr. „Einzelne maritime Märkte blicken jedoch durchaus positiv voraus“ sagt Nürnberg.
Digitale Lösungen in der Anwendung
Viel wird derzeit über Industrie 4.0 gesprochen, die Umsetzung und gewinnbringende Anwendung der vernetzten Produktion und Services stellt viele Unternehmen aber vor beachtliche Hürden. In der maritimen Wirtschaft geht dieser Prozess schnell und kontinuierlich voran. „Wir liefern heute aus den Daten der verschiedensten Sensoren an Bord wichtige Informationen für die gesamte Schifffahrt“, erläutert Martin Johannsmann ein neues Geschäftsmodell aus seinem betrieblichen Umfeld. „In Finnland ist bereits die autonome Entladung von Frachtschiffen aus dem Forschungsstadium heraus und die Erprobung eines Prototypen hat begonnen, dank integrierter Systeme unserer Unternehmensgruppe“, ergänzt Alexander Nürnberg. Darüber hinaus liefern Hafenkrane deutscher Hersteller weltweit Informationen nicht nur zum Betriebszustand und zur Leistungsoptimierung, sondern auch zum Zustand der Ladung und kooperieren dabei mit vor- und nachgelagerten Logistiksystemen. „Wer hier nicht dabei ist, wird zu den Verlierern der Digitalisierung gehören“, warnt Johannsmann. Auch in der Produktion maritimer Technologien sind Wettbewerbsvorteile durch intelligente Automatisierungslösungen realisiert. Neue Sensorik, Datenauswertungsalgorithmen und Schnittstellendefinitionen (OPC UA) sind zu integrieren.
Maritime Energiewende muss jetzt beginnen
Die digitalen Lösungen tragen maßgeblich dazu bei, die wirtschaftlichen und ökologischen Ziele im Schiffsverkehr zu erreichen. Dabei geht es zum einen um die Nutzung elektrischer hybrider Antriebssysteme, wie sie auf Fähren bereits im Einsatz sind. Das Ergebnis sind geringere Umweltbelastungen aufgrund geringerer Emissionen. Zum anderen lassen sich im Überseeverkehr die gesetzten Klimaziele durch die intelligente Nutzung alternativer Kraftstoffe erreichen, die die fossilen Brennstoffe auf Schiffen sukzessive ersetzen können. Den sogenannten „e-Fuels“ wird dabei eine besonders wichtige Rolle zufallen. Hersteller von Großmotoren und der VDMA fordern deshalb den Einstieg in eine maritime Energiewende. Dabei ist es wichtig, über den reinen Verbrennungsmotor hinaus zu denken und das Gesamtantriebssystem zu betrachten.
Digitaler Service
Die Betreiber (Reeder) sehen laut einer Umfrage des Fraunhofer CML fast alle (93 Prozent) in den kommenden Jahren eine breitflächige Digitalisierung ihrer Instandhaltungsprozesse voraus und erwarten Lösungsvorschläge der Industrie. In einer ersten VDMA-Studie konnte festgestellt werden, dass gerade besonders erfolgreiche Unternehmen im After-Sales-Geschäft den Schwerpunkt auf Maßnahmen aus dem Themenfeld Industrie 4.0 legen, nämlich Remote Services und Condition-Based-Maintenance sowie die Steuerung der Services über Management-Informationssysteme. „Die derzeit laufende, von uns in Auftrag gegebene zweite Studie beschäftigt sich mit dem Digitalen Service. Hier erwarten wir konkrete Anregungen für unsere Branche“, erläutert Dr. Jörg Mutschler, Geschäftsführer im VDMA.