Teilweise Zustimmung der SDN zum Untersuchungsbericht,
Winschverfahren auf See anders als an Land.
Der kürzlich von der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) vorgelegte Zwischenbericht zur Strandung des Massengutfrachters GLORY AMSTERDAM im Oktober des letzten Jahres vor der Nordseeinsel Langeoog war erforderlich, da es lt BSU aufgrund der Komplexität und Besonderheiten der Havarie nicht möglich war fristgerecht innerhalb eines Jahres einen Endbericht vorzulegen. Dieser Zwischenbericht findet in großen Teilen die Zustimmung der Schutzgemeinschaft Deutscher Nordseeküste SDN.
Besonders begrüßt der Vorsitzer der SDN, Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen, die Stellungnahme der BSU zur fehlenden Kennzeichnung des Notschleppers NORDIC als ein im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland tätiges Einsatzschiff. Der Vorsitzer erläutert, dass in ganz Europa die Notschlepper, ob staatseigen oder gechartert, als Einsatzfahrzeuge im staatlichen Auftrag gekennzeichnet sind, in Deutschland aber im Gegensatz zu den bundeseigenen allerdings nicht die gecharterten Notschlepper. Es bestehe daher der Verdacht, dass der Frachter-Kapitän nicht erkennen konnte, ob es sich bei der NORDIC um einen privaten Bergungsschlepper oder um ein staatliches Einsatzfahrzeug handelte. Die daraus wahrscheinlich folgenden Fehlentscheidungen des Kapitäns haben dann mit zu Verzögerungen geführt, mit schweren Folgen beim weiteren Ablauf der Havarie. Leider seien aber auch von den zuständigen Behörden mindestens vier wertvolle Stunden untätig verschwendet worden, so Harrsen, bevor eine schifffahrtspolizeiliche Anordnung ausgesprochen wurde, die den Frachter-Kapitän verpflichtet, die Notschlepperhilfe anzunehmen. Auch das danach vollkommen falsche Festmachen der Schleppleine durch die Frachter-Besatzung wäre vermeidbar gewesen, wenn die staatlichen Einsatzkonzepte das frühzeitige Absetzen eines On-Scene-Coordinator des Havariekommandos oder eines Lotsen auf dem Havaristen vorgesehen hätten.
Anmerkung der Redaktion: Warum fällt, nach rund sieben erfolgreichen Einsatzjahren der NORDIC, erst jetzt auf dass eine farbliche Kennzeichnung des Notschleppers notwendig ist? Wir meinen: eine sehr fragwürdige Aussage um von den Schwächen des HK abzulenken.
Die SDN teilt daher auch die Auffassung der Behörde, dass bei einem rechtzeitigen Absetzen eines Boardingteam auf dem Havaristen eine Notschleppverbindung zwischen Havaristen und Notschlepper hätte rechtzeitig hergestellt werden können, um eine Strandung zu verhindern.
Auch die Empfehlung der BSU, zukünftig ein Boardingteam an Land zu stationieren, hält die SDN für sinnvoll. Dieses zusätzliche Boardingteam könnte, ergänzend zu dem bereits auf dem Nordsee-Notschlepper vorhandenen, bei bestimmten Wetterlagen in Einsatzbereitschaft versetzt werden. Eine Verlegung des Boardingteams vom Nordsee-Notschlepper an Land, wie im BSU-Bericht angedeutet, ist für die SDN keine zielführende, einsatzverbessernde Option, sondern eine Schwächung dieses bewährten Einsatzmittels. Bisher befindet sich ein Boardingteam auf dem Notschlepper in unmittelbarer Nähe des Havaristen und kann bei Bedarf auch dann, wenn kein Hubschrauber zur Verfügung stehen sollte, über eine kurze Distanz von Notschlepper auf den Havaristen versetzt werden. Befindet sich das Boardingteam ausschließlich an Land, muss bei einem Einsatz der Hubschrauber zunächst von seinem Startpunkt zur Bereitschaftsposition des Boardingteam und kann erst danach zum Einsatzort fliegen.
„Das Scheitern zum Aufnehmen des Boardingteam durch den Hubschrauber der Bundespolizei ist aus Sicht der BSU eindeutig und ausschließlich auf die Auswertung des schweren Seegang in Kombination mit den speziellen baulichen Gegebenheiten des Schleppers NORDIC zurückzuführen“, heißt es weiter in dem Bericht. Dieser Auffassung schließt sich die SDN ausdrücklich nicht an.
„Der Notschlepper NORDIC wurde nach den vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) festgelegten Leistungsanforderungen im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft „Küstenschutz“ von der Peene-Werft in Wolgast mit einer Winschfläche gebaut, die den BMVI-Richtlinien für den Hubschrauber-Versetzdienst entspricht“, sagte der Leiter des SDN-Arbeitskreises „Küstenwache“, Hans von Wecheln. Nach Auffassung der SDN ist der Einsatz des Bundespolizei-Hubschraubers, der zum Versetzen des Boardingteams vom Notschlepper NORDIC zum Havaristen eingesetzt worden war, nicht aufgrund der baulichen Besonderheiten des Notschleppers abgebrochen worden, sondern weil das von der Bundespolizei angewendete „Standard-Winschverfahren“ bei derartigen Einsatzlagen auf See ungeeignet ist. In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage (Drucksache 19/2885) der FDP geht hervor, dass lediglich einmal eine Übung mit der Bundespolizei und dem Notschlepper im vergangenen Jahr durchgeführt wurde. Daher habe sich der Pilot völlig korrekt verhalten und ihm sei kein Vorwurf zu machen, denn was nicht ausreichend geübt wurde, kann auch im Einsatz nicht sicher durchgeführt werden, unterstreicht die SDN.
Anmerkung der Redaktion: Die Ausbildung der Bundespolizei-Hubschrauberpiloten muss also verbessert werden. Ist diese Verbesserung in den Dienstplan der Bundespolizei bereits eingeflossen oder bleibt alles beim Alten?
Allerdings ist die Frage zu stellen, warum die Leitung des HK die erforderlichen „Einsatz-Winschverfahren“ nicht ausreichend üben lässt. Schließlich ist das Standard-Verfahren der Bundespolizei, für das ein Hubschrauberwinschdeck am Heck benötigt wird, nicht mit dem Einsatz-Verfahren für Schiffe ohne Heck-Winschfläche vergleichbar, erst recht nicht bei schwierigen Wetterlagen. Daraus nun zu schließen, dass der bauliche Zustand des Notschleppers, wie von der BSU dargestellt „eindeutig und ausschließlich“, für einen Einsatzabbruch verantwortlich ist, ist nach Eindruck der SDN sachlich nicht begründbar. Auf keinem Einsatzschlepper der Welt gibt es eine für das Standard-Winschverfahren der Bundespolizei notwendige, optimal geeignete Winschfläche. Stattdessen sind diese Spezialschiffe mit ihrem Schleppdeck optimal für sichere Notschleppeinsätze mit hoher Schleppleistung bei schwerem Wetter gebaut und werden mit einem international üblichen Einsatz-Winschverfahren angeflogen. Dazu verweist die SDN auch auf eine Aussage des Parl. Staatssekretär im BMVI, Enak Ferlemann (CDU), von der Indienststellung des Notschleppers NORDIC, die im Internet zu finden ist.
Die SDN setzt nunmehr auf den Endbericht der BSU und hofft, dass darin u. a. auch die vom Havariekommando für solche Einsätze vorgesehenen Einsatzkonzepte kritisch beleuchtet werden sowie auf eine weitere Klarstellung der Abläufe der Havarie, um daraus Konsequenzen für ein verbessertes maritimes Schutzkonzept zu ziehen.