Alternative Kraftstoffe für die Seeschifffahrt

LNG wird gebunkert.
LNG wird gebunkert. © Skangass/Gasum

Eigenschaften, Betriebssicherheit, Chancen

In der Vergangenheit gab es eine klare Auffassung: was an Land eine hervorragende technische Lösung ist, musste an Bord noch lange nicht verwendbar sein. Eine direkte Übertragung technischer Lösungen auf den Bordbetrieb wurde, von Ausnahmen abgesehen, für ausgeschlossen gehalten und daher auch nicht in Erwägung gezogen. Beobachtet man die vielfältigen Strömungen des maritimen Marktes, das Verhalten der Klassifikationsgesellschaften wie das der Interessenverbände, dann bietet sich heute ein völlig anderes Bild.

Da wird zum Beispiel, wenn es um Fragen der Antriebstechnik oder der Kraftstoffe geht, sogar auf die Automobilindustrie geschaut und deren Auffassungen nicht nur für beispielhaft erklärt, sondern gleich in die eigene Argumentation und in das Regelwerk eingebaut.

Wen wundert es dann, wenn der Hamburger Wirtschaftssenator Westhagemann einen Leuchtturm im Hamburger Hafen sehen möchte: Nicht nur eine Elektrolyseanlage zur Gewinnung von Wasserstoff möchte er dort sehen, sondern die größte der Welt! Und: Hamburg soll Wasserstoff-Hauptstadt werden. Hat Herr Westhagemann vorher mal ein Gespräch mit der Hamburger Hafenfeuerwehr geführt? Vermutlich nicht. Die hatte aber, wie zu hören ist, schon bei der Verwendung von Methan Probleme gesehen.

Der Wunsch des Senators klingt kaum noch utopisch, wenn die VDI nachrichten in der ersten Ausgabe dieses Jahres das Jahr 2020 zum Wasserstoff-Jahr erklären und dem Wasserstoff die größten Chancen als alternativen Kraftstoff der Zukunft einräumen.

Mit klarem Blick für die heute greifbaren Fakten sind die Perspektiven für alternative Kraftstoffe alles andere als erfreulich zu beurteilen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird ein bunter Strauß vorgetragen, ohne unter Berücksichtigung der benötigten Mengen, die Alternativen von vornherein auszuschließen, die bestenfalls Nischenlösungen sein können.

Nachfolgend eine Übersicht zu den Alternativen und was im Einzelfall zu beachten ist.

Die alternativen Energieträger

Hier zunächst die Liste der immer wieder in den Raum gestellten Energieträger und ihre wichtigsten Eigenschaften:

  • Erdgas                    Methan                    CH4
  • Autogas / LPG         Propan/Butan          CnH2n+2
  • Methanol                 Methylalkohol         CH3OH
  • Ammoniak                                              NH3
  • Bio-Kraftstoffe                                        –
  • Wasserstoff             Hydrogenium          H2

Bei Methan sowie Propan und Butan handelt es sich um Gase, die zwar alle drei am unteren Ende der Kohlenwasserstoffreihe stehen, aber durchaus andere Eigenschaften haben. Erdgas ist leichter als Luft, entweicht folglich bei kleinen Leckagen in die Atmosphäre, aber wesentlich schädlicher als Kohlendioxid, was den Treibhauseffekt betrifft. Autogas, auch als „Flüssiggas“ bezeichnet, ist schwerer als Luft, würde sich folglich bei auftretenden Leckagen in der Bilge sammeln und möglicherweise ein zumindest gut brennbares Gemisch bilden.

Methanol ist der spezifisch leichteste Alkohol, der in großen Mengen heute schon gewonnen und um die Welt transportiert wird. Er hat den großen Vorteil, dass er bei Normaltemperatur flüssig ist und daher weder unter Druck gesetzt oder tiefgekühlt gelagert werden muss.

Ammoniak ist ein stechend riechendes, selbst in kleinsten Mengen hoch giftiges Gas und bedarf daher besonderer Vorsichtsmaßnahmen für den Transport und die Lagerung.

Wasserstoff ist ein Gas, das mit dem Sauerstoff der Luft ein hochexplosives Gemisch bildet, das sogenannte Knallgas. Insofern sind bei der Verwendung von Wasserstoff umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Die größten Probleme bieten unverändert seine Lagerung und der Transport.

Die alternativen Energieträger im Vergleich

Methan – Von allen immer wieder diskutierten Alternativen zum Dieselkraftstoff hat Methan (Erdgas) bei der Verbrennung eine um rund 25 Prozent geringere CO2-Emission, gleichgültig ob es sich um fossiles oder synthetisches handelt. Dasselbe gilt für den Methanschlupf. Das ist die Menge des unverbrannten Gases, das mit dem Abgas den Motor verlässt. Der Heizwert des Methans liegt bei etwa der Hälfte des Dieselkraftstoffs. Zu berücksichtigen ist, dass es entweder tiefgekühlt auf -164 °C verflüssigt (LNG) oder unter einem Druck von bis zu 200 bar (CNG) gelagert werden muss. Der Aufwand an Gewicht und Raum für die Lagerung in Isolier- oder Drucktanks muss in einen Vergleich mit Dieselkraftstoff einbezogen werden, denn er relativiert den Heizwert erheblich. Die für das Bunkern und die Aufbereitung des Gases erforderliche Technik relativiert den Nutzen von Erdgas weiter.

Zusammenfassend lässt sich zu Methan festhalten: Auch unter Berücksichtigung des Methanschlupfes bietet fossiles Gas eine leicht verbesserte Treibhausgas-Emission, synthetisch hergestellt bleibt der Nachteil des Methanschlupfes. Der Aufwand für die Technik an Bord ist vergleichsweise hoch und erfordert für deren Handhabung Spitzenpersonal.

Propan/Butan – Die auch als Autogas / LPG bezeichnete Mischung von überwiegend Propan und Butan hat entsprechend ihrem schlechteren Kohlenstoff-Wasserstoff-Verhältnis höhere CO2-Emissionen als Erdgas. Die Lagerung erfolgt verflüssigt, entweder unter einem Druck von 8 bis 10 bar oder bei Umgebungsdruck tiefgekühlt, wobei der Siedepunkt vom Mischungsverhältnis abhängig ist. Für Propan liegt er bei -42 °C und für Butan bei -5 °c. Der Heizwert ist zwangsläufig ebenfalls vom Mischungsverhältnis abhängig. Der von Propan beträgt 12,9 kWh/kg und der von Butan 12,7 kWh/kg. Auch beim Autogas ist eine weitere Relativierung des Heizwertes aufgrund der Anforderungen an die Lagerung nicht zu vermeiden.

Die Vorteile von Autogas gegenüber Erdgas liegen vor allem darin, dass es als solches keinen klimaschädlichen Einfluss hat und die Peripherie für Bunkern und Lagern weniger aufwendig ist. Eine flächendeckende Alternative zu Dieselkraftstoff lässt sich wohl ausschließen, zumal der Energiebedarf für die synthetische Herstellung höher ist als beim Methan.

Methanol – chemische Bezeichnung Methylalkohol CH3OH, ist ein vergleichsweise einfach synthetisch herzustellender Energieträger. In der Energiekrise der 1970er Jahre ist bereits nachgewiesen worden, dass die chemischen Prozesse großtechnisch umsetzbar sind. Unter den Gesichtspunkten des Klimaschutzes kann davon ausgegangen werden, dass Methanol aus dem Kohlendioxid in der Luft und Wasser mit Hilfe von elektrischer Energie aus Windkraft sogar klimaneutral gewonnen und folglich auch genutzt werden kann.

Die Vorteile von Methanol als Energieträger der Zukunft liegen, im Gegensatz zu mehreren, anderen alternativen Kraftstoffen, in der vergleichsweise einfachen Handhabung an Land wie an Bord eines Schiffes. Der Alkohol ist einfach zu transportieren und zu lagern, bei Atmosphärendruck und Umgebungstemperatur. Auch die motorische Verbrennung bietet keine Schwierigkeiten, funktioniert allerdings nur im Ottoverfahren mit elektrischer Zündung oder Zündstrahl.

Der wesentliche Nachteil von Methylalkohol liegt in seinem gegenüber Dieselkraftstoff deutlich niedrigeren Heizwert, der bei gleicher Menge zwangsläufig zu halber Reichweite führt. Technisch beherrschbar, aber zu beachten ist, dass sein Flammpunkt mit 9 °C seht niedrig ist und verdampfendes Methanol mit Luft unter bestimmten Voraussetzungen explosionsfähige Gemische bilden kann.

Ammoniak – Der einzige Vorteil, den Ammoniak gegenüber den bisher behandelten Energieträgern hat, ist der fehlende Kohlenstoff in seiner Zusammensetzung. Daher entstehen bei seiner Verbrennung weder Kohlendioxid noch Kohlenmonoxid. Sein Siedepunkt bei rund -33 °c zwingt zu einer Lagerung in Druckbehältern. Ein weiterer Nachteil: Sein Heizwert beträgt weniger als die Hälfte von dem des Methans. Auf die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen wurde oben schon hingewiesen. Der Hinweis auf die positiven Erfahrungen mit der Verwendung von Ammoniak in den Kälteanlagen von Fischereifahrzeugen ist nicht zielführend. Der Mengenvergleich zwischen einer Kälteanlage mit geschlossenem System und dem Tankvolumen auch nur für ein küstennah operierendes Schiff zeigt, wo die Risiken liegen.

Biokraftstoffe – Ob Straßenfahrzeuge oder Schiffe, ihre Verbrennungsmotoren können durchaus mit Biokraftstoffen betrieben werden. Transport und Lagerung bieten keine Probleme. Die Frage ist nur, woher sollen die Mengen kommen, die in der Seeschifffahrt benötigt werden? Allein aus diesem Grund bleiben Biokraftstoffe ein Nischenprodukt. Niemand kann im Ernst eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelgewinnung wünschen. Warum Mitarbeiter von Klassifikationsgesellschaften dennoch Biokraftstoffe immer wieder als eine „realistische Alternative“ betrachten, bleibt unerklärlich.

Wasserstoff – Lagerung und Transport in ausreichend großen Mengen sind das entscheidende Problem für seine Nutzung als Schiffskraftstoff. Das schließt – wie auch in anderen Fällen – zum Beispiel im Kurzstreckeneinsatz, seine Verwendung nicht grundsätzlich aus, doch vielleicht wird das nur eine Nische bleiben. Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Wasserstoff zur Stromerzeugung in einer Brennstoffzelle verwendet wird oder besser motorisch verbrannt wird. Die jüngsten technischen Entwicklungen zum Umgang mit Wasserstoff sind derart weitreichend, dass sie in einem separaten Beitrag umfassend behandelt und bewertet werden sollen. Der gegenwärtige Stand bei der Alternative „Wasserstoff”: hoher Aufwand sowohl für die Gewinnung über die Elektrolyse, wie für Lagerung und Nutzung sowie für die Sicherheitsvorkehrungen.

Zusammenfassung

Da die maritime Energiewende nur über den Kraftstoff gehen kann, ist noch nicht abzusehen, welchen Weg sie nehmen wird. Die seit mindestens 20 Jahren von einigen Motorenherstellern vertretene sogenannte Kraftstoff-Flexibilität hat jedenfalls keine nachhaltige Wirkung gezeigt. Im Gegenteil: Abgesehen von Einzelanwendungen blieb die Reaktion auf das Angebot von Wechselmotoren (dual fuel) bis heute äußerst zurückhaltend. Den meisten Reedern ist die zusätzliche Gastechnik an Bord einfach zu teuer. Sicher fehlt auch hinreichend geschultes Personal für den Umgang damit.

Und in welche Richtung führt der Weg bei den Kraftstoffen? Unter Berücksichtigung der verkündeten Klimaziele für 2030 und 2050, der benötigten Infrastruktur an Land wie an Bord sowie entsprechender Tanker und Bunkerschiffe, kann das nur ein synthetischer Kraftstoff sein, der unter Umgebungstemperaturen flüssig ist und die vorhandenen  Infrastrukturen ohne großen Aufwand nutzen kann. Das ist aus heutiger Sicht nur mit Methanol möglich.


Vorheriger ArtikelMegayacht SOARING pünktlich abgeliefert
Nächster ArtikelGigantomanie und kein Ende?
Hans-Jürgen Reuß
Der Autor betreibt ein Pressebüro mit den Schwerpunkten Schifffahrt, Schiffbau, Schiffbauzulieferindustrie und Schifffahrtsgeschichte.