Unfall auf neuem britischen Polarforschungsschiff
Rettungsboote an Bord von Schiffen sollen im Notfall der Rettung von Menschenleben auf See dienen. Doch immer wieder hört bzw liest man von ziemlich schweren Unfällen, die teils auch Menschenleben beklagen. Unfälle, die nicht wegen einer Notwendigkeit, sondern vielmehr bei Bootsübungen im Ruhezustand, vorfallen.
Die MAIB (Britain’s Marine Accident Investigation Branch) stellt in einem kürzlich veröffentlichten Bericht fest: Rettungsboote sind gefährlich!
Laut dieser Untersuchung der MAIB stehen 15% aller Todesfälle (mit professionellen Seeleuten) mit dem Gebrauch von Rettungsbooten in Zusammenhang. Die Gewerkschaft der Seeleute „Nautilus International“ bezeichnet Rettungsbootübungen als notorisch gefährlich, denn es werden mehr Menschen bei Rettungsübungen verletzt, als durch Rettungsboote gerettet. Das Anheben und Absenken von Rettungsbooten ist ein brisanter Vorgang, der laut Meinung vieler Branchenkenner, immer ohne Menschen in den Booten erfolgen sollte. Hinzu kommen in einigen Fällen, schlecht gepflegte Geräte, unklare Anweisungen und mangelhafte Ausbildung der Besatzung.
Eine Untersuchung eines Unfalls von der MAIB bei einer Rettungsbootübung an Bord des hochmodernen Polarforschungsschiffs der britischen Regierung, der RRS SIR DAVID ATTEMBOROUGH, hat ergeben, dass ein kritisches Ausrüstungsstück am Rettungsbootdavit aufgrund schwerer Korrosion beschädigt wurde, die auf mangelnde Wartung des weniger als ein Jahr alten Schiffs zurückzuführen ist.
Die britische Behörde zur Untersuchung von Schiffsunfällen (MAIB) veröffentlichte diese Woche ihren Bericht über den Vorfall vom 4. März 2021.
Der Vorfall ereignete sich, als eine Davit-Verriegelungsvorrichtung während einer Rettungsbootübung vor der Isle of Mull in Schottland versagte, wodurch das Backbord-Rettungsboot des Forschungsschiffs mit drei Besatzungsmitgliedern an Bord ins Wasser fiel. Nachdem es vom Davit auf das Schiffsdeck gefallen war, wurde das Rettungsboot von den sich bewegenden Davit-Armen über die Seite gezogen, bevor es sich von seinen Haken löste.
Glücklicherweise führte der Unfall nur zu leichten Verletzungen.
Die SIR DAVID ATTEMBOROUGH war erst wenige Monate vor dem Unfall von der Schiffswerft Cammell Laird Limited ausgeliefert worden. Das Aussetzen des Rettungsbootes war für die Besatzung die erste Gelegenheit, das Verfahren auf See zu üben.
Die RRS SIR DAVID ATTEMBOROUGH wird vom British Antarctic Survey betrieben und ist eines der modernsten Polarforschungsschiffe der Welt. Das Schiff erlangte während seiner Bauzeit Berühmtheit im Internet, als die Nutzer in einem Online-Wettbewerb mit überwältigender Mehrheit für den Namen „Boaty McBoatface“ stimmten.
Die MAIB-Untersuchung ergab, dass das Versagen einer kritischen Verriegelungsvorrichtung an den Davits der Rettungsboote auf starke Korrosion infolge mangelnder Wartung zurückzuführen war. Die Ermittler stellten fest, dass die vorgeschriebenen Kontrollen und geplanten Wartungsarbeiten an dem Davit nicht durchgeführt worden waren, seit es im November 2019 auf dem Schiff installiert worden war.
Außerdem wurde festgestellt, dass die Installation der Davits für die Rettungsboote nicht vollständig abgeschlossen war und nicht den Anweisungen des Herstellers und den internationalen Vorschriften entsprach.
Nach dem Unfall kehrte das Polarschiff zur Reparatur in die Werft zurück, wo auch der Einbau der Davits abgeschlossen wurde.
Es wurden mehrere Sicherheitsprobleme festgestellt, darunter die Tatsache, dass bei der Überprüfung der Sicherheitsausrüstung nicht festgestellt wurde, dass die Installation des Davits nicht den SOLAS-Vorschriften entsprach. Außerdem hatte die Schiffsbesatzung keine angemessene Schulung für die Bedienung des Davits erhalten, und der Betreiber des Schiffes hatte die Wartung kritischer Ausrüstung ausgesetzt.
Als Ergebnis der Untersuchung gab die MAIB zwei Empfehlungen ab. Erstens wird die Maritime and Coastguard Agency (MCA) aufgefordert, ihre Verfahren zur Übertragung von Überprüfungen der Sicherheitsausrüstung an anerkannte Organisationen zu überprüfen, um die Einhaltung der SOLAS-Vorschriften sicherzustellen. Zweitens wird der MCA empfohlen, ihre Delegationspolitik zu überprüfen, insbesondere in Bezug auf die Erstbesichtigung der Sicherheitsausrüstung von Schiffen, die neu gebaut werden oder in das britische Register aufgenommen werden.