LNG = Flüssiggas?
Oder: Die Arroganz ist nicht zu toppen
Seit der hausgemachten Energiekrise des Jahres 2022 ist das Kürzel „LNG“ wieder in aller Munde. Das Problem dabei: Die meisten Benutzer des Kürzels dürften kaum wissen, worum es sich dabei handelt, denn das lässt sich aus der Art, wie sie es benutzen und welche Ausführungen sie daran knüpfen erkennen.
Bei den vielen fehlerbehafteten Presseinformationen, die täglich auf dem Bildschirm erscheinen, sollte man eigentlich zur Tagesordnung übergehen, denn die Fachkenntnisse in den Redaktionen der Tages- und Wirtschaftspresse sind ohnehin so gering, dass der weiteren Verbreitung von falsch benutzten Fachbegriffen Tür und Tor geöffnet sind. Doch wenn die Fehler von Fachinstituten oder Hochschulprofessoren verbreitet werden, dann ist eine öffentliche Kritik wohl angebracht.
Bekanntlich wird der Aggregatzustand der Stoffe vom auf sie einwirkenden Druck und ihrer Temperatur bestimmt, wobei die Formen fest, flüssig oder gasförmig sind. Ist von LNG die Rede, dann handelt es sich um den flüssigen Zustand des tiefgekühlten Methans CH4. Dieser Zustand wird für das Gas zum Transport auf Schiffen gewählt, weil es dann im Vergleich zum gasförmigen Zustand nur noch ein 600stel seines Volumens hat. (LNG = liquefied natural gas = verflüssigtes Erdgas).
Leider hat sich für das verflüssigte Erdgas kein deutsches Kürzel aus dem dafür üblichen Fachbegriff „Flüssigerdgas“, (nicht zu verwechseln mit Flüssiggas), entwickelt. Letzteres ist ein in Deutschland seit Jahrzehnten üblicher Fachbegriff für ein chemisch völlig anderes Gas, das auch in der sogenannten Energiekrise stets in völlig ausreichender Menge preisgünstig zur Verfügung stand und, wie der dafür zuständige Fachverband, der „Deutsche Verband Flüssiggas“, kürzlich wieder meldete, auch in Zukunft eine preiswerte Alternative zum Beispiel für die häusliche Heizung sein wird.
Zur Klarstellung: Flüssiggas = Autogas = LPG = Liquefied Petroleum Gas = eine Mischung von Propan und Butan.
Wenn in der politischen Debatte die Begriffe LNG, Flüssigerdgas und Flüssiggas immer wieder synonym verwendet werden und sogar von LNG-Antrieben die Rede ist, so mag man das hinnehmen – auch wenn es ärgerlich ist, immer wieder feststellen zu müssen, wie wenig noch eine präzise Ausdrucksweise gefragt ist.
Der jüngste Fall in der Fachwelt
Da hält ein Hochschullehrer „im Rahmen des Jubiläumsjahres ‚50 Jahre Hochschule in Ostfriesland‘“ einen Vortrag über Alternativen zum heutigen Schiffsantrieb. Da darf natürlich LNG nicht fehlen. Und so ist dann in der Presseinformation zu lesen, die Reederei AG Ems habe das Motorschiff OSTFRIESLAND schon vor einigen Jahren „auf den Betrieb mit LNG umgerüstet“. Mit Verlaub: Mit LNG kann niemand etwas betreiben, schon gar nicht einen Verbrennungsmotor. Dazu gehört eine „Gasstrecke“, in der das flüssige Gas nicht nur rückvergast wird, sondern auf den Zustand gebracht wird, mit dem der Motor es verbrennen kann, also Gas. Am Rande vermerkt handelt es sich auf der OSTFRIESLAND nicht um einen „gas-elektrischen Antrieb“, sondern bestenfalls um einen otto-elektrischen im Gegensatz zum diesel-elektrischen. Die Erklärung dafür: Im Gasbetrieb arbeitet ein Wechselmotor (engl. dual-fuel) mit dem Ottoverfahren.
Die Glanzleistung der Presseinformation besteht allerdings darin, dass LNG mit Flüssiggas gleichgesetzt wird. Wörtlich heißt es bei der Betrachtung alternativer Kraftstoffe: „LNG, also Flüssiggas“. Das ist nicht zu überbieten!
Nicht nur das: Der aufmerksame Leser der Presseinformation des Hochschullehrers ist erstaunt darüber, dass man unserem studentischen Nachwuchs einen Methusalem, der über eine Dienstzeit an der Hochschule von „2010 Jahren“ verfügt, als Lehrkraft vorsetzt! Toll! Man kann auch sagen: Arme Studierende!
Doch es kommt noch schlimmer. Wir von der Redaktion haben versucht mit dem Hochschullehrer ein klärendes Gespräch zu führen. Hier die Original-Antwort: „Ihr Angebot, eine Deutschstunde für die richtige Verwendung von Begriffen in meinem Fachgebiet zu bekommen, kann ich leider nicht annehmen. Weitere Klarstellungen sind aus meiner Sicht nicht nötig“. Von Arroganz keine Spur?