Notschleppkonzept bisher bewährt
Welches Glied in der Rettungskette hat versagt?
„Auf solch ein Jubiläumsgeschenk hätten wir gerne verzichtet“, sagte der Vorstandssprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN, Hans von Wecheln, anlässlich der Strandung des Massengutfrachters GLORY AMSTERDAM am 29. Oktober 2017 vor der Nordseeinsel Langeoog. Genau 19 Jahren zuvor war an diesem Tag der brennende, von seiner Besatzung verlassene Holzfrachter PALLAS nach gescheiterten Bergungsversuchen vor der nordfriesischen Insel Amrum gestrandet.
Die aktuelle Havarie vor der ostfriesischen Küste beunruhigt den kommunalen Umweltverband: In den vergangen neunzehn Jahren wurde vieles – nicht zuletzt auf Forderung des Umweltverbands – an den deutschen Küsten für mehr Sicherheit auf Nord- und Ostsee getan. So wurden als Ergebnis der Aufarbeitung der PALLAS-Havarie unter anderem das Havariekommandos in Cuxhaven als gemeinsame Koordinierungseinrichtung von Bund und den Küstenländern eingerichtet sowie das vorhandene Notschleppkonzept überprüft und um Boardingteams erweitert. Zur Umsetzung des Konzeptes werden von der Bundesregierung besonders leistungsfähige, auch flachwassertaugliche Notschlepper vorgehalten. Die Erfahrungen aus den Havarien haben seitdem immer wieder die Fähigkeiten der beteiligten Einsatzkräfte bestätigt. So wurde 1999 der ähnlich große Massengutfrachter Lucky Fortune, der ebenfalls ohne Ladung trotz ausgebrachter Anker auf Sylt zutrieb, bei noch schlechterem Wetter zwei Stunden vor der Strandung erfolgreich durch einen Notschlepper gesichert – damals war der Motor ausgefallen.
Für den Umweltverband stellt sich daher die Frage, welches Glied dieser mehrmals bewährten Rettungskette versagt hat und sieht erheblichen Aufklärungsbedarf, warum mehrfach Schleppverbindungen nicht gehalten haben.
Nach Ende der Bergung durch die niederländischen Experten muss unverzüglich und zeitnah geklärt werden, welche Schwachstellen zu dieser Strandung geführt haben, fordert die SDN. „Voreilige Forderungen und Aktionismus sind jetzt nicht angebracht. Wir brauchen eine zügige Unfalluntersuchung, damit zeitnah anhand von Sachinformationen Konsequenzen aus dieser Strandung gezogen werden können“, mahnt SDN-Vorstandssprecher von Wecheln. Die SDN schließt sich daher dem niedersächsischen Umweltminister an, der als Ergebnis eines Informationsbesuchs im maritimen Lagezentrum nach der Bergung des gestrandeten Frachters eine genaue Analyse notwendiger Verschärfungen der Sicherheitsvorschriften im Schiffsverkehr gefordert hat.
Anmerkung der Redaktion:
Die zuständige Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) muss nun ihre Untersuchungen unverzüglich beginnen und in kürzester Zeit einen genauen Unfallbericht der Öffentlichkeit vorlegen damit sofortige Maßnahmen zum Schutz der Nordseeküste eingeleitet werden können. Die Erfahrungen der letzten Zeit haben allerdings gezeigt dass die BSU viel zu viel Zeit benötigt (Red.:…zu wenig Personal?) um solche dringend erforderlichen Ergebnisse vorzulegen.
Nach und nach kommen allerdings Informationen zu Tage die kein gutes Licht auf die Schiffsführung der GLORY AMSTERDAM werfen (siehe hierzu auch Veröffentlichungen der Tagespresse: „…Polizei ermittelt gegen Kapitän des havarierten Schiffes“!).
Daher besteht der Verdacht dass die Bekämpfung der Havarie im Anfangsstadium anscheinend zu zögerlich begonnen wurde, denn das Notschleppkonzept sieht eine Leinenverbindung zwischen Notschlepper, in diesem Fall die NORDIC, und dem Havaristen GLORY AMSTERDAM, innerhalb von zwei Stunden nach Erreichen des havarierten Wasserfahrzeugs vor. Es wurde berichtet dass, wegen fehlender Kooperationsbereitschaft der Schiffsführung der GLORY AMSTERDAM, die ersten Bergungsversuche gescheitert seien und das Schiff auf einer Sandbank vor Langeoog gestrandet sei. Im Klartext: Es besteht der Verdacht, dass die Schiffsführung die gesamte Zeit Hilfe durch die NORDIC oder Übernahme eines Boarding Teams abgelehnt und verzögert hat! Hat möglicherweise der Kapitän auf Anweisungen seiner Reederei gehandelt?
Es besteht weiterhin der Verdacht, dass Anweisungen der NORDIC immer wieder von der GLORY AMSTERDAM nicht durchgeführt wurden. (Nennt man das Verständigungsprobleme?). So soll die Maschine des Havaristen während der NORDIC-Anläufe am Vorschiff mehrfach gestartet und voraus gefahren worden sein.
Das bedeutet Lebensgefahr für die NORDIC!
Die Notschleppleine soll gegen ausdrückliche Anweisungen der NORDIC durch eine falsche Seitenklüse geführt und auf falschem Poller falsch belegt worden sein. Auf der Webseite des Havariekommandos kann man auf einem Foto erkennen, wie an der Stb-Seite die Reling am Ende teilweise zerstört ist, da die Besatzung die Schleppleine seitlich anstatt achterlich angebracht hat und der überlastete Poller somit „seinen Geist aufgegeben hat“ und die Klüse gleich mitnahm.
Und auch das Havariekommando (HK) scheint bei der gesamten Aktion nicht gut wegzukommen: Hier besteht der Verdacht, dass das HK das Notschleppkonzept zu zögerlich umgesetzt hat, da die Übergabe des Boarding Teams NORDIC trotz Alternativen um 12:00 Uhr abgebrochen wurde und das Boarding Team Ostsee erst 4,5 Stunden später (16:30 Uhr) auf der GLORY AMSTERDAM abgesetzt wurde.
Darüber hinaus bestehen weitere offene Fragen die noch nicht geklärt sind, wie z.B.: Warum hat die Schiffsführung nur einen Anker, wie berichtet, ausgeworfen, anstatt bei dem sehr schlechten Wetter nicht beide Anker? Hat es eine Ankerwache gegeben die das Nichthalten des einen Ankers bei entsprechend guter seemännischer Ausbildung sofort bemerkt hätte und Gegenmaßnahmen eingeleitet hätte? Warum ist das Schiff trotz defekter Ruderanlage überhaupt aus Hamburg ausgelaufen? Ist der Kapitän der alleinige Schuldige oder ist maßgeblich auch seine Reederei für die Havarie mitverantwortlich?
Fragen über Fragen – die BSU tut gut daran die Havarie schnellstmöglich gründlich aufzuklären.