Maritimes Notfallmanagement auf Nord- und Ostsee
Der Nautische Verein zu Emden hatte am 16. Januar 2018 zu einem Vortrag zu obigem Thema eingeladen und außergewöhnlich viele Gäste folgten der Einladung. Ostfrieslands Landräte und Vorsitzende der IHK waren ebenso zugegen wie die vielen maritimen Fachleute des Vereins. Die Erwartungshaltung der Zuhörer war groß – erhoffte man sich doch vor allem erklärende Informationen einerseits zu den Einsatzkonzepten bei Havarien und andererseits zu den Ereignissen, die zur Strandung des Massengutfrachters GLORY AMSTERDAM vor wenigen Wochen vor Langeoog geführt haben.
Das Havariekommando (HK) nahm 2003 „zum Aufbau und zur Durchführung eines gemeinsamen Unfallmanagements auf Nord- und Ostsee“ als gemeinsame Einrichtung des Bundes und der fünf Küstenländer ihre Arbeit auf. Ursache für die Gründung dieser Koordinierungsstelle war die Strandung des brennenden Holzfrachters PALLAS 1998, auf den Tag genau 19 Jahre vor der Strandung der unbeladenen GLORY AMSTERDAM: als Folge des Behördenchaos bei der Strandung vor Amrum sollte u. a. das gemeinsame Unfallmanagement von Bund und Küstenländern durch das Havariekommando geplant, vorbereitet und durchgeführt werden.
Der Vortragende, Hans-Werner Monsees, Leiter des Havariekommandos, berichtete in seiner schmucken, maritimen Uniform mit extrem viel „Lametta“ auf dem Ärmel voller Stolz über die erfolgreiche Bewältigung vieler „komplexer Schadenslagen“ in den Jahren seit dem Wirken dieser Einrichtung. Schaut man sich diese „Erfolge“ genauer an, wird die von Monsees präsentierte Liste ganz schön kurz. Ob beim Freischleppen der CSCL INDIAN OCEAN, dem Abarbeiten des Schadensfall MSC FLAMINIA oder dem Brand auf der LISCO GLORIA: ausschlaggebend für den Erfolg war nicht die Gesamt-Einsatzleitung des Havariekommandos aus dem Lagezentrum in Cuxhaven, sondern die gründliche Planung, Vorbereitung und Durchführung durch das vom Reeder beauftragte Bergungsunternehmen oder das beherzte Eingreifen der hilfeleistenden Einsatzkräfte. Erfolgreich ist das HK vor allem bei der (Selbst-) Darstellung in der Öffentlichkeit.
Ausschlaggebend für diese erfolgreiche Arbeit seien, lt. Monsees, unter anderem regelmäßige Übungen auf See. Bis zu 160 pro Jahr würden vom Havariekommando durchgeführt, bei einigen Übungen stellen sogar Reeder ihre Schiffe zur Verfügung. „Durch unsere Notfallkonzepte können wir zudem sicherstellen, dass wir innerhalb von 45 Minuten einsatzbereit sind – jeden Tag rund um die Uhr!“ betonte Monsees.
Überhaupt war es dem Vortragenden wichtiger, eine detaillierte und langatmige Analyse der Verwaltungsstruktur des Havariekommandos darzulegen, als der Öffentlichkeit zu erklären, welche Maßnahmen das HK in seinen Notfallplänen bei drohenden Strandungen vorgesehen hat.
Die berechtigten Fragen aus dem Auditorium zur Strandung der GLORY AMSTERDAM wurden daher vom HK-Leiter in bestem Beamtendeutsch mit Verweis auf das „laufende Verfahren“ abgeschmettert. Kein Wort zu dem vom HK geplanten Vorgehen, wenn die Kommunikation mit dem Havaristen nicht klappt, schifffahrtspolizeiliche Anweisungen nicht beachtet oder Hilfsangebote abgelehnt werden. Kein Wort über die Leistungsfähigkeit der beiden eingesetzten Notschlepper NORDIC und MELLUM mit ihrer umfangreichen, modernen Ausrüstung und ihren qualifizierten, hochmotivierten Besatzungen. Kein Wort über die Möglichkeiten des HK, durch schnelle Recherchen in internationalen Datenbanken festzustellen, ob ein auf die Küste zutreibender, unbeladener Massengutfrachter wie die GLORY AMSTERDAM über eine schützende Doppelhülle verfügt. Kein Wort darüber, wie das HK die Öffentlichkeit zeitnah und sachlich über Ereignisse und Hintergründe informieren will.
Dass es auch anders geht, zeigt eine Einladung des niedersächsischen Umweltministers, Olaf Lies, der für Freitag, den 19. Januar 2018, um 13:00 Uhr in die Aula der NLWKN Betriebsstelle Aurich Vertreter der (niedersächsischen) Küstenlandkreise und Inseln zu einer Informationsveranstaltung zur Havarie der GLORY AMSTERDAM eingeladen hat. Geplant ist lt. Minister-Einladung nach einer „Begrüßung durch Minister Olaf Lies“ (10 min) ein „Sachstandsbericht über die Maßnahmen der Havarie „Glory Amsterdam‘“ durch Hans-Werner Monsees, Ltd. PD, Leiter des Havariekommandos“ mit 30 Minuten Dauer, anschließend ist eine Stunde für Diskussion vorgesehen. Ob Monsees Antworten auf konkrete Fragen der teilnehmenden Landräte und Landtagsabgeordnete wieder mit dem Hinweis auf „laufende Verfahren“ ablehnt, bleibt abzuwarten.
Für die Mitglieder und Gäste des Nautischen Vereins zu Emden, die der Einladung zum Vortrag gefolgt waren, gab es zumindest keine Informationen. Der Leiter des Havariekommandos hat diese Gelegenheit versäumt, über die Einsatzplanungen und Konzepte zu berichten, um die Sorgen der betroffenen Bevölkerung um Sicherheit von Küste und Wattenmeer ernst zu nehmen und mit Fakten zu entkräften.
Die Erwartungshaltung der Anwesenden war groß – ihre Enttäuschung noch größer!