Das Kürzel LNG – liquefied natural gas – hat in den letzten Jahren auch unter Fachleuten zu einem fast beliebigen Sprachgebrauch geführt, der kaum noch zu überbieten ist. Im täglichen Gebrauch wird überhaupt nicht mehr darüber nachgedacht, was „LNG“ eigentlich ist und ob das Kürzel korrekt verwendet wird.
Worum handelt es sich bei dem Stoff, der mit diesem Kürzel belegt wird? Um einen Kraftstoff? Ja aber …, denn dieser befindet sich in einem Aggregatzustand, in dem er nicht verbrannt werden kann. Verflüssigtes Erdgas ist nicht brennbar. Es muss erst aufbereitet, soll heißen, in den gasförmigen Zustand zurückversetzt werden, um im Nieder- oder Hochdruckverfahren einem Motor zugeführt und verbrannt zu werden. Folglich gibt es auch keinen „LNG-Motor“ und „LNG-Antrieb“ ebenfalls kein „LNG-Antriebssystem“, wie selbst in der maritimen Fachpresse häufig zu lesen ist. Weder mit Erdgas, noch mit verflüssigtem Erdgas lässt sich irgendetwas antreiben.
Somit ist auch „LNG-Antriebstechnik“ eine Wortschöpfung, die ebenso wenig eine technisch-physikalische Grundlage hat wie der „LNG-Antrieb“. Zum Vergleich: Wer würde von Gasöl-Antrieb oder von Schweröl-Antriebstechnik sprechen? Keiner? Macht man sich klar, warum niemand diese Begriffe benutzen würde, dann bleibt die Frage offen, warum dann „LNG-Antriebstechnik“? Nun, es ist einfach schick über LNG statt über verflüssigtes Erdgas zu sprechen.
Dasselbe gilt für weitere Wortschöpfungen, die mit der Verwendung von Erdgas als Schiffskraftstoff und somit der Wiedereinführung von Ottomotoren als Schiffsantriebsmaschinen zwangsläufig verbunden sind. Schließlich sind die sogenannten „LNG-Schiffe“ auch nur schlichte Motorschiffe und deren Antrieb – im Gasbetrieb – ein Ottomotor. Eine Spitzenleistung ist in diesem Zusammenhang „eine LNG-angetriebene Schiffsreise“.
Die mit dem Kürzel LNG zusammengesetzten Wörter sind nicht die einzig fragwürdigen Wortschöpfungen in der deutschen Fachsprache. Bei allem Verständnis für einfache Ausdrücke und Ausdrucksweisen, die benutzten Wörter müssen präzise das ausdrücken, was gemeint ist.
Autor: H.-J. Reuß