Neuigkeiten zur Methanol-Synthese?
Oder: Wie verkauft man eine „Innovation“?
In den Monaten Juni und Juli 2020 haben „bse Engineering“ (Leipzig) und das „Institut für Regenerative EnergieSysteme“ (IRES) der Hochschule Stralsund einige Presseinformationen zur synthetischen Herstellung von Methylalkohol (Methanol) veröffentlicht. Die Überschrift vom 8. Juni lautet: „Erfolgreiche Demonstration der Herstellung von Methanol“. Da fragt sich der interessierte Leser: „Na und? Was ist denn daran neu?“ Die Überschrift vom 3. Juli lautet: „Das IRES hat’s geschafft: Endlich flüssiger Strom“. Strom fließt zwar in den elektrischen Leitungen, aber flüssig ist er deswegen noch lange nicht. Oder?
Natürlich nicht, aber so ist das heute üblich. Plakativ wird versucht, die Neugier der Leser zu wecken, um dann im nachfolgenden Text (vielleicht) zu erklären, worum es technisch-physikalisch oder -chemisch geht. Offiziell heißt es dazu in Stralsund, die Texte sollten allgemeinverständlich sein. Und damit geht die Präzision verloren und wird von hochbezahlten Wissenschaftlern auch noch abgesegnet?
Im Fall der Juni-Meldung folgen dann einige Ungereimtheiten: Wie kann ein Langzeittest, der gerade erst begonnen hat, schon „erste Ergebnisse“ geliefert haben? Das ist weder wissenschaftlich vertretbar noch seriös! Dann soll der Dauertest mit einer Laufzeit von einem Jahr täglich 28 Liter „Rohmethanol“ liefern. Das ist wohl bestenfalls ein Labortest. Und was heißt Rohmethanol? Hinzu kommt noch, dass die 28 Liter ein rein theoretischer Wert sind. Real entstehen pro Tag nur 6 bis maximal 10 Liter. Der Gipfel ist schließlich die Bezeichnung „erneuerbares, regeneratives Methanol“! Lacht da ein „weißer Schimmel“? Und was ist an einem Stoff, den man verbrennt erneuerbar?
Auf Nachfrage wird vom IRES tatsächlich bestätigt, dass es sich bei der in Betrieb genommenen Anlage nur um einen Laborversuch handelt, der nicht auf die bestmögliche Herstellung von Methanol ausgelegt ist sondern mit dem ausschließlich Erfahrungen mit Katalysatoren gesammelt werden sollen, die bse Engineering liefert.
Vom IRES wird sofort eingeräumt, dass der „Satz von der Erhaltung der Energie“ auch für das Institut gilt. Dennoch ist in den Texten ständig von erneuerbarer oder regenerativer „Energie“ zu lesen. In einem Fall ist sogar wörtlich von „Energieerzeugung“ die Rede! Wird im wissenschaftlichen Bereich keine exakte Sprache verwendet, dann bleibt nur, Konfuzius zu bemühen (vgl. Annalen, Kapitel 13, Gespräch mit Tsze-lu).
Bei den technischen Erläuterungen der Presseinformation vom Juni wird der sprachliche Unsinn noch ärgerlicher. Da ist die Rede davon, man habe „die ersten Proben des strombasierten Methanols synthetisiert“.
Zur Technik: Die Verfahren zur synthetischen Herstellung von Methanol sind alt. Von dem kanadischen Unternehmen Methanex Corporation werden seit langem in mehreren Ländern der Welt gewaltige Mengen Methanol produziert. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als weltweit größten Methanol-Produzenten. Ein Tochterunternehmen transportiert mit einer Tankerflotte, die mehr als 20 Schiffe mit bis zu 50.000 TDW umfasst, das Methanol in alle möglichen Länder der Welt. Natürlich erfolgt die Herstellung nicht mit Wind- oder Solarstrom. Insofern ist das alles nicht neu. Auch ist der Ausgangsstoff bei Methanex nicht Wasser – also nicht Wasserstoff, wie beim Stralsunder Verfahren suggeriert wird –, sondern Erdgas (Methan).
Welchen werblichen Charakter die Botschaft aus Leipzig hat, wird deutlich, wenn es um die Wirtschaftlichkeit zu bauender Anlagen geht, denn bislang hat das Projekt nur Laborcharakter (s.o.). Da heißt es einerseits, dass die bevorstehenden Untersuchungen die „Betriebsführungskonzepte“ bestätigen werden (!), andererseits wird alles von einem „positiven Verlauf“ abhängig gemacht. Sollte der eintreten, dann „kann bereits in diesem Jahr mit einer Realisierung gerechnet werden“. Beginn im Juni 2020, ein Jahr Laufzeit und Ende 2020 schon fertige Anlagen? Wie passt das zusammen? Das soll ein nicht optimierter Laborversuch hergeben? Und falls der Verlauf entgegen den Erwartungen nicht „positiv“ verläuft, was dann?
Die Frage nach der benötigten elektrischen Energie, wie viele Kilowattstunden braucht man, um zum Beispiel eine Tonne Methanol herzustellen, wird nur pauschal beantwortet. Mit den von der Bundesnetzagentur für das Kalenderjahr 2019 veröffentlichten nicht genutzten, sondern abgeregelten 6,5 TWh „erneuerbarer Energien“ soll es möglich sein, 600.000 Tonnen Methylalkohol herzustellen. Dazu gehört der Hinweis in der Meldung vom Juli danach „… kann die Energiegewinnung [sic!] und Energiespeicherung jetzt direkt von der Elektrolyse [des Wassers] auf die Synthese [des Methanols] überführt werden“. Es handelt sich also um zwei gekoppelte Prozesse.
Das heißt: Zunächst muss mit der Elektrolyse Wasserstoff in entsprechenden Mengen gewonnen werden, der dann unmittelbar zur Herstellung des Methanols genutzt wird. In den Pressetexten wird versucht, die direkte Nutzung – ohne Zwischenspeicherung – als Innovation hinzustellen. Beim IRES nachgefragt, kommt die Antwort: „Wir haben die Methanol-Synthese nicht erfunden“. Weiter heißt es im Widerspruch zur Verlautbarung, dass ein Speicher als Puffer zwischen der Elektrolyse und der Synthese benötigt wird. Und die Nutzung des Windstroms für die Elektrolyse des Wassers kann ebenfalls nicht als Innovation bezeichnet werden!
Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Jede „abgeregelte“ –also nicht genutzte – Kilowattstunde Windstrom ist vergeudete Energie! Doch solange elektrische Energie nicht im Überfluss zur Verfügung steht, müsste klar verständlich ausgesagt werden, wie die Energiebilanz der Prozesse aussieht. Doch das ist aufgrund des Laborcharakters der Stralsunder Anlage noch nicht möglich, da die Peripherie einer industriellen Anlage fehlt.
Falls es nur darum gehen sollte, dass „in Mecklenburg-Vorpommern produzierter Strom auch in Bayern genutzt werden kann und überschüssiger Strom von Windkraftanlagen für die Rückverstromung [!] bereitgestellt werden kann“, dann fragt man auch unter den Gesichtspunkten der sogenannten Energiewende mit Recht nach einer Nutzen-Kosten-Analyse.
Noch eine Bemerkung zu den Kosten: Die Mitte des Jahres begonnenen Dauerversuche werden, abgesehen von den ohnehin anfallenden Kosten des Hochschulbetriebs, nicht mit staatlichen Mitteln gefördert. Eine Förderung des Projektes soll bereits vor längerer Zeit ausgelaufen sein.