50% weniger Schiffsneubauten

Schiffseigner, die sich mit drohenden Fristen für den Einsatz umweltfreundlicherer Kraftstoffe konfrontiert sehen, haben die Zahl der bestellten neuen Schiffe reduziert, weil sie nicht wissen, auf welche alternative Technik sie umsteigen sollen.

Ammoniak, Wasserstoff, Biokraftstoffe und Elektrifizierung sind einige der vielen Kraftstoffanwärter für den Betrieb der zukünftigen Handelsflotte, aber die meisten befinden sich erst im Versuchsstadium und werden frühestens in einem Jahrzehnt skalierbar sein. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer eines kommerziellen Schiffes von etwa 20 Jahren könnte die Entscheidung für eine Technik, die sich nicht durchsetzt, sehr kostspielig sein.

Aber den Eignern läuft die Zeit davon, eine Entscheidung zu treffen. Im Jahr 2018 setzte sich die International Maritime Organization, IMO, das Ziel, die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt bis 2050 gegenüber 2008 zu halbieren. Die Frist veranlasste einige Schiffseigner, mit neuen Aufträgen zu warten, bis klarer wird, welche neuen Kraftstoffe die beste Option sind – ein Rückgang, der sich mit den folgenden globalen Handelsstreitigkeiten und der Pandemie zu einem Einbruch entwickelt hat.

Die Neubauaufträge fielen 2019 um fast 10 % und 2020 um mehr als 50 % auf den niedrigsten Stand seit mindestens zwei Jahrzehnten, zeigen Daten von IHS Markit, ein börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in London welches Daten- und Informationsdienste für eine Vielzahl von Branchen wie z.B. die Schifffahrt anbietet. Wenn die Aktivität nicht wieder anzieht, könnte das in einigen Jahren zu einem Mangel an Schiffen und einem Anstieg der Frachtraten führen.

„Reeder bestellen keine Schiffe, weil wir nicht wissen, womit wir sie betanken können“, sagt Morten Aarup, Leiter der Marktforschung beim dänischen Schiffseigner D/S Norden A/S. „Ingenieure und Schiffsdesigner müssen dringend zusammenkommen, um die beste Lösung zu finden“, sagte er kürzlich in einer Podiumsdiskussion über Schifffahrtstrends.

Schiffseigner, die nicht auf neue, sauberere Schiffe umsteigen, könnten einen Wettbewerbsnachteil erleiden, da immer mehr Kunden umweltfreundliche Transporte fordern. Nach Angaben von Drewry Maritime Services verfügen etwa 12,3 % der bestellten Schiffe über einen Antrieb, bei dem alternative Kraftstoffe gefahren werden, verglichen mit nur 0,6 % der aktuellen weltweiten Flotte.

Doch der Einsatz von alternativen Kraftstoffen in der Schifffahrt steckt noch in den Kinderschuhen, wobei viele der großen Schiffseigner verschiedene Alternativen verfolgen. Die Trafigura Group, einer der größten Energiehändler der Welt, ist an einem Unternehmen beteiligt, das Biokraftstoffe für die Schifffahrt vertreibt, die Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register hat mehreren mit Ammoniak betriebenen Schiffsprojekten die grundsätzliche Zustimmung erteilt und die schwedische Tankerlinie Stena Bulk AB plant, einige ihrer Schiffe mit Altspeiseöl zu betreiben.

Die Ziele der IMO im Jahr 2018 fordern eine Reduzierung der Kohlenstoffintensität der internationalen Schifffahrt um 40 % bis 2030 und um 70 % bis 2050 gegenüber dem Niveau von 2008. Die Kohlenstoffintensität vergleicht die Menge der Emissionen mit einer Einheit der Wirtschaftsleistung. Diese Ziele könnten noch ehrgeiziger werden, wenn die UN-Organisation sie im Jahr 2023 überprüft.

Die IMO hat außerdem Anfang 2020 Regeln eingeführt, die Schiffskraftstoffe mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,5 % für Schiffe verbieten, die nicht mit emissionsmindernden Abgasnachbehandlungsanlagen ausgestattet sind.

„Die Ziele haben zum Rückgang der Neubestellungen von Schiffen beigetragen“, sagte Jayendu Krishna, ein Direktor bei Drewry. „Während mehrere Projekte für alternative Kraftstoffe begonnen wurden, ist es unklar, welche davon skalierbar sein werden“, sagte er.

Methan ist ein Hauptanwärter für einen Übergangskraftstoff auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung, genau wie bei der Stromerzeugung. Die Royal Dutch Shell Plc ist dabei, 40 Dual-Fuel-Schiffe für den Einsatz auf dem Rhein zu chartern, die mit Methan betrieben werden sollen. Das Gas ist zwar immer noch ein fossiler Kraftstoff, aber die CO2-Emissionen sind geringer als bei konventionellem Schiffskraftstoff und es ist leicht verfügbar. „Mit Methan betriebene Schiffe machen bereits 8 % der neuen Schiffsbestellungen aus“, so Krispen Atkinson, Hauptberater bei IHS Markit.

„Die Verwendung von Methan würde die Treibhausgasemissionen von Schiffen im Vergleich zu Schweröl um fast 20 % senken“, so Christos Chryssakis, Business Development Manager bei der Klassifikationsgesellschaft DNV GL.

A.P. Moller-Maersk, die größte Containerreederei der Welt, sieht das anders. „Wir haben keine Zeit mehr für so genannte Übergangskraftstoffe“, sagt Chief Technical Officer Palle Laursen. „Das dänische Unternehmen strebt stattdessen ausschließlich Netto-Null-Emissions-Kraftstofflösungen an und sieht Kraftstoffe auf der Basis von Ammoniak, Alkoholen und Alkohol-Lignin-Mischungen als am vielversprechendsten an“, sagte er. „Maersk hat seine Flottenkapazität seit 2018 konstant gehalten und hat in letzter Zeit nicht in große neue Schiffe investiert“, sagte Laursen.

Laut Atkinson von IHS sind Ammoniak und Wasserstoff im Moment wahrscheinlich die Favoriten für saubere Kraftstoffe. „Die Elektrifizierung von Schiffen ist eine weitere Möglichkeit, obwohl dies aufgrund des Leistungsgewichtsverhältnisses wahrscheinlich nur für Schiffe auf kürzeren Routen sinnvoll ist“, sagte er.

„Wenn Eigner über Neubauten nachdenken, sind sie verunsichert“, sagte Chryssakis von DNV GL. „Zukünftige Kraftstoffe werden frühestens 2030 in großem Maßstab verfügbar sein. Obwohl alle Lösungen erforscht werden müssen, kann es sich die Branche nicht leisten noch länger zu warten“, sagte er.

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Dipl. -Ing. Peter Pospiech
Redaktionsleitung bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schiffsbetriebstechnik, Transport, Logistik, Schiffahrt, Hafen und dem weitreichenden Thema Umweltschutz sowie gesetzliche Auflagen für Antriebsmaschinen.