„Rolls-Royce“ prägt künftig alle Firmierungen im Geschäftsbereich Power Systems
Rolls-Royce oder MTU Friedrichshafen? Wer ist eigentlich das am Markt operierende Unternehmen, wenn es um Verbrennungsmotoren und Kraftanlagen geht? Das waren Fragen, die auch gut informierte Mitarbeiter des Unternehmens in den letzten Jahren nicht zweifelsfrei beantworten konnten. Darüber hinaus gingen der Markenbegriff „MTU“ und die Firma „MTU Friedrichshafen GmbH“ – also der handelsrechtliche Name des Unternehmens – immer wieder in der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens durcheinander. Nach drei Jahren soll nun alles geklärt werden.
Am 11. Juni 2021 veröffentlichte die Rolls-Royce Power Systems AG in Friedrichshafen mit einer Presseinformation ihre Absicht, zum 15. Juni des Jahres zunächst fünf Unternehmen des Geschäftsbereichs „Power Systems“ umzubenennen und mit „einer neu sortierten Markenarchitektur“ aufzutreten.
Eine gute Stunde später erreichte die Medien eine zweite Presseinformation aus Friedrichshafen, mit der die Wahl eines neuen Aufsichtsrates bekannt gegeben wurde. Vordergründig konterkarierte diese Meldung die erstere, da wieder von der „MTU Friedrichshafen“ die Rede war, die jedoch als Firmierung verschwinden sollte.
Die offizielle Erklärung dazu besagte, dass am selben Tag die Aufsichtsratssitzung stattgefunden habe und insofern die Bestätigung für den Aufsichtsrat auch nur unter der alten Firma habe erfolgen können und „zeitnah“ eine Veröffentlichung erwünscht war. Vier Tage wollte man nicht warten.
Die Neuordnung im Rolls-Royce-Konzern
Die „Rolls-Royce Power Systems Aktiengesellschaft“, mit Sitz in Friedrichshafen, fungiert – mit nur wenigen Hundert Mitarbeitern (offizielle Aussage) – als Dachgesellschaft für alle bislang zum Interessenbereich der MTU Friedrichshafen gehörenden Unternehmen. In der Presseinformation heißt es jedoch: „Rolls-Royce Power Systems … beschäftigt rund 9.000 Mitarbeiter“. Nach Rückfrage wird das so erklärt: Unter dem Dach von RR Power Systems seien grundsätzlich alle Mitarbeiter der dazugehörenden Unternehmen „versammelt, da die Einzelgesellschaften zu 100% im Besitz der Rolls-Royce Power Systems AG sind“.“ Korrekt ist diese Aussage keineswegs, denn, wenn man irgendwo beschäftigt ist, hat man mit demjenigen einen Arbeitsvertrag. Über 8.000 dieser Mitarbeiter haben aber mit der Dachgesellschaft keinen Arbeitsvertrag.
Die MTU Friedrichshafen GmbH – zuständig für „Produkte und Lösungen (Englisch: Solutions)“ – firmiert künftig, wie alle anderen zum Geschäftsbereich Power Systems gehörenden Unternehmen, als „Rolls-Royce Solutions GmbH“, wobei die anderen Gesellschaften einen örtlichen oder entsprechenden Zusatz im Namen erhalten werden, zum Beispiel „Rolls-Royce Solutions Americas Inc.“.
Die „Marken“
Das Kürzel „MTU“ abgeleitet von der ursprünglichen Firmierung „Motoren- und Turbinenunion“ – wird künftig ausschließlich als Marke für Friedrichshafener Produkte und Antriebslösungen verwendet, klein und kursiv geschrieben, also „mtu“.
Warum man allerdings eine „Unternehmens- und Arbeitgebermarke braucht, ist nicht zu erkennen. Wie auch immer, das soll „Rolls-Royce“ sein. Somit werden auch in Zukunft Verwirrspiele kaum zu vermeiden sein. Eine Firmierung, aus vier Wörtern bestehend, ist einfach zu lang, um sie immer wiederholend in Texten zu verwenden. Und nochmals: Wozu benötigt ein Unternehmen eine „Marke“?
Die Vorgeschichte
Die Neuordnung bei Rolls-Royce Power Systems sollte ursprünglich schon im Jahr 2019 abgeschlossen werden. Am 6. August 2019 veröffentlichte Rolls-Royce eine Presseinformation zum Thema „Rolls-Royce Geschäftsbereich Power Systems ordnet seine Marken neu“.
Das verbundene Konzept für die Neuordnung der Gesellschaften wie der Marken konnte nicht, wie es damals offiziell hieß, bis zum Herbst 2019 umgesetzt werden. Aufgrund der Verzögerungen geriet das Vorhaben unter den Einfluss der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Wie es heißt, führten die veränderten Rahmenbedingungen zum Entschluss, die Umsetzung in das Jahr 2021 zu verschieben.
Die Frage nach einem Einfluss des „Brexit“ auf die Verzögerung war bei den gegebenen Parametern und dem zeitlichen Zusammenhang zwangsläufig, wurde aber ausdrücklich verneint.
Wo bleibt „Bergen Diesel“?
Der norwegische Motorenbauer „Bergen Diesel“ gehörte schon zum RR-Konzern, bevor dieser die Tognum AG, Friedrichshafen und damit alles was zur Marke MTU gehörte übernahm. Offenbar hat man in der Konzernleitung erst nach den Akquisitionen darüber nachgedacht, wie das Zusammengekaufte zusammenpasst.
Wer den Motorenmarkt kennt, weiß, dass die so unterschiedlichen Programme von Bergen und Friedrichshafen nicht unter einer gemeinsamen Vertriebsleitung erfolgreich zu vermarkten sind. Da bliebe nur eine Zwei-Marken-Strategie – aber mit allen Konsequenzen. Inzwischen heißt es offiziell, Bergen „ist nicht mehr strategisch“ wichtig.
Schon bald gab es daher Bemühungen, das Geschäft mit den Motoren aus Bergen zumindest aufzuteilen. So war in der September-Ausgabe 2018 der RR-Hauszeitschrift „in depth“ zu lesen, dass Rolls-Royce alle seine Aktivitäten im Bereich der Handelsschifffahrt an Kongsberg verkaufen (!) wolle. Mal abgesehen von der Tatsache, dass dazu dann auch alle entsprechenden Aktivitäten der MTU gehört hätten, hieß es später, Kongsberg solle das weltweite Schiffsmotorengeschäft mit Bergen-Motoren übernehmen und die MTU weiterhin nur den Vertrieb der entsprechenden Motoren für stationäre Anlagen. Da war von einem Verkauf des Bergener Unternehmens zumindest zeitweise keine Rede mehr.
Wie auch immer, schließlich stand der Verkauf des Bergener Unternehmens an die Schweizer Tochtergesellschaft eines russischen Unternehmens im Raum, die jedoch im Frühjahr 2021 von der norwegischen Regierung untersagt wurde. So gehört das Unternehmen in Bergen unverändert zur Rolls-Royce Power Systems AG, ist aber in die Neuordnung offenbar nicht einbezogen worden, da es nach offizieller Aussage unverändert zum Verkauf steht.