Rolls-Royce Power Systems kündigt neues Brennstoffzellen-Projekt an – der zweite Versuch in Friedrichshafen
Anfang Juli dieses Jahres flatterte der erste „mtu Report“ unter der neu definierten „Marke“ auf die Bildschirme vieler Leser. Mancher mag sich gewundert haben, dass im Betreff zu lesen war:„Mit großen Schritten zu unserer ersten Brennstoffzelle“. Denn von einer ersten Brennstoffzelle des Friedrichshafener Unternehmens (im weitesten Sinne) kann keine Rede sein. Doch der Reihe nach.
Am 1. Juli 2009 wurde in Warnemünde mit großem Aufwand das ehrgeizige Leuchtturmprojekt „e4ships“ auf einem AIDA-Schiff vorgestellt. Ein Teilprojekt betraf die Entwicklung von Brennstoffzellen für den Einsatz auf Schiffen. Partner in diesem Projekt war die damalige Tognum-Gruppe – heute Rolls-Royce Power Systems. Aus dem „Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ der Bundesrepublik Deutschland, das bis 2016 mit einem finanziellen Gesamtaufwand von 1,4 Milliarden Euro gefördert wurde, ist bislang kein erkennbarer langfristiger Nutzen entstanden. Auch vom Nachfolgeprojekt ist noch nichts zu sehen, was sich auch nur in die Nähe von Marktreife bewegt.
Federführend für die Entwicklung von Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff oder Methan als Energieträger arbeiten sollten, war die Tochtergesellschaft der Tognum AG, die „MTU Onsite Energy GmbH“ in Ottobrunn. Schon ein Jahr nach Vorstellung des Projektes zog sich diese Gesellschaft aus allen betroffenen Bereichen zurück. In der Branche war das ein offenes Geheimnis. Insofern kam die ad-hoc-Meldung der Tognum AG vom 29. Dezember 2010 zum totalen Ausstieg aus dem Brennstoffzellen-Geschäft nicht überraschend.
Überraschend war nach der Euphorie im Sommer 2009 eher die Begründung für den Ausstieg. Offiziell lautete sie: „Nach Vorlage der neuesten Absatzprognosen und einer sorgfältigen Abwägung von Chancen und Risiken hat sich Tognum gegen ein weiteres Engagement im Bereich Brennstoffzellen entschieden.“ Zunächst aussichtsreiche Verhandlungen mit einem asiatischen Vertragspartner waren gescheitert.
Überraschend auch die von Tognum auf stationäre Anlagen bezogene Aussage, dass sich das Geschäft mit Brennstoffzellen auf der Basis von Wasserstoff „mittelfristig unter den weltweit erkennbaren Markt- und Förderbedingungen nicht kommerziell gestalten lässt“. Eine derartige Aussage nach eineinhalb Jahren? Hat man das nicht vorher zu erkennen vermocht? Und warum ist das Unternehmen dann soweit in das Projekt eingestiegen, dass zumindest für die Erprobung eine stationäre Anlage mit Brennstoffzelle im Werk I in Friedrichshafen eingerichtet wurde und sogar der Einbau und die Erprobung einer Einheit an Bord eines Schiffes stattfand? Letztere arbeitete jedoch nicht mit Wasserstoff als Energieträger, sondern mit Methan.
Wie bei der Projektvorstellung verkündet, sollten in der ersten Stufe innerhalb von drei Jahren Brennstoffzellen-Module mit einer Leistung bis zu 500 kW entstehen. Bis Ende 2014 sollten dann Module entwickelt werden, die eine elektrische Leistung von einem Megawatt abgeben und im Schiffseinsatz erprobt werden konnten.
Was hat Tognum seinerzeit realisiert?
Unmittelbar an einer Zufahrt zum Werk I der MTU Friedrichshafen GmbH nahm die „Technische Werke Friedrichshafen GmbH“ bereits Mitte 2008 ein „Kraftwerk“ in Betrieb, das mit einer Brennstoffzelle Strom und Wärme lieferte. Hersteller der Brennstoffzelle war die Tognum-Tochter CFC Solutions GmbH (später aufgegangen in der MTU Onsite Energy GmbH).
Ein Jahr später erfolgte die Inbetriebnahme eines Kleinkraftwerks mit Brennstoffzelle bei einer Brauerei in Erding. Die MTU Onsite Energy GmbH hatte ein Modul geliefert, das mit Biogas betrieben eine elektrische Leistung von 240 kW und eine thermische Leistung von 200 kW abgeben konnte.
Im Rahmen des Forschungsprojektes „FellowShip“ wurde im September 2009 ein Brennstoffzellen-Modul an Bord des norwegischen Versorgers „Viking Lady“ zur Ergänzung der Bordstromversorgung in Betrieb genommen. Die mit Methan als Energieträger arbeitende Brennstoffzelle konnte eine elektrische Leistung von 320 kW in das Bordnetz speisen. Einen Erfahrungsbericht hat es dazu nach dem Ausstieg von Tognum bzw. MTU Onsite Energy leider nicht mehr gegeben.
Wie ging es weiter?
Mit einer Presseinformation vom 9. März 2011 wird dann eine „Partnerschaft mit Daimler und Rolls-Royce“ begrüßt, die unter anderem den Verkauf der Brennstoffzellen-Aktivitäten an Rolls-Royce ankündigt. Wörtlich heißt es dazu: „Es ist weiter vorgesehen, dass Rolls-Royce auch das Brennstoffzellen-Geschäft von Tognum übernehmen würde, dessen Einstellung ohnehin aus kommerziellen Gründen[sic!] beschlossen wurde.“
Zwei Tage zuvor hatte der Vorstand der Tognum AG die Aktionäre der Gesellschaft darüber informiert, dass die Daimler AG und die Rolls-Royce-Gruppe eine Mehrheitsbeteiligung an der Tognum AG über eine gemeinsame Gesellschaft, die Engine Holding GmbH, anstreben. Diese Transaktion dauerte schließlich drei Jahre. Danach war Rolls-Royce alleiniger Eigentümer der nun als „Rolls-Royce Power Systems AG“ firmierenden Gesellschaft.
Die aktuelle Situation in Friedrichshafen
Bei der Rolls-Royce Solutions GmbH (ex MTU Friedrichshafen GmbH) soll im Werk I ein Brennstoffzellen-Demonstrator zur stationären Stromversorgung aufgestellt werden, der eine elektrische Leistung von 250 kW abgeben kann. Damit verkündet das Unternehmen das Gegenteil von dem was vor rund zehn Jahren galt. Wörtlich heißt es: „Wir sind davon überzeugt, dass die Brennstoffzellen-Technologie einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Energiewende leisten wird.“
Zweifellos sind in den vergangenen zehn Jahren einige Fortschritte bei der Brennstoffzellen-Technik erzielt worden, doch einen Quantensprung, der eine Kehrtwende rechtfertigt, ist nicht zu erkennen. Wenn schon der Vorsitzende des Vorstandes sich nicht dazu äußert, was heute besser sein soll als vor zehn Jahren, so hätte man einige vergleichende Aussagen doch vom leitenden Techniker erwarten dürfen. Das gilt besonders unter dem Gesichtspunkt, dass der das Thema behandelnde Pressetext sich nicht auf die „erste“, sondern auf eine „neue“ Brennstoffzelle bezieht. Folglich gab es auch eine „alte“ Brennstoffzelle. Nun wüsste man als Fachredakteur gern, worin die Unterschiede bestehen und warum unter der Leitung von Rolls-Royce alles viel besser ist als unter Tognum. Die Frage nach der Verwendung – stationär oder an Bord eines Schiffes – spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Auch beim ersten Versuch, in das Geschäft mit Brennstoffzellen einzusteigen, stand letztlich der Gedanke an das stationäre Geschäft im Vordergrund des unternehmerischen Interesses.
Und sollte es allein eine Frage des Energieträgers sein: Wasserstoff oder Methan? Wohl kaum, denn auch das hätte man seinerzeit in die Abwägungen einbeziehen können. Schließlich gab es außer bei MTU Onsite Energy einige Ansätze zur Entwicklung von Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben wurden.
Bedauerlicherweise gab es in Friedrichshafen an maßgeblicher Stelle keine Bereitschaft – trotz Zusage – sich den Fragen, „Was galt 2009, was gilt heute?“ zu stellen. Damit bleibt zur aktuellen Situation die Frage: „Wird auch wieder eine für den Einsatz an Bord von Schiffen geeignete Brennstoffzelle vom Tognum-Nachfolgeunternehmen kommen?“