Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Die Nationale Wasserstoffstrategie – nichts als heiße Luft?

Seit Mitte 2020 gibt es die Nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung. Dieses Dokument legt auf 32 Seiten dar, wie sich die Bundesregierung die kommende Rolle des Wasserstoffs vorstellt und was sie dafür in den nächsten Jahren beabsichtigt zu unternehmen

Erinnern Sie sich? Unser Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in einem vollmundigen Statement im Juni 2020:

Wasserstoff ist ein Energieträger der Zukunft! Mit der Wasserstoffstrategie stellen wir die Weichen dafür, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird. Die Zeit für Wasserstoff und die dafür nötigen Technologien ist reif.“ 

Von einer ernsthaften Energie- und Klimastrategie sollte man erwarten, dass sie diverse Optionen zur Erreichung vorgegebener Ziele sorgfältig analysiert und im Hinblick auf ihre wesentlichen Qualitäten oder Probleme vergleicht.

Wie üblich bei politischen Aussagen / Statements wird auch hier wiedermal ganz allgemein und oberflächlich geredet. Es fehlen die konkreten Aussagen – aber das ist etwas Unbekanntes in der Politik. So fehlt hier der gesamte Seetransportbereich: Wie soll die Schifffahrt emissionsfrei fahren? Es gibt zwar erste Ansätze von Firmen-Kooperationen die Tests mit Wasserstoff durchführen wollen. Aber bis zur Serienreife solcher Systeme werden noch etliche Jahre vergehen – wenn überhaupt! So hat der Energie- und Automatisierungstechnik-Konzern ABB eine Absichtserklärung mit Hydrogène de France (HDF) zur gemeinsamen Herstellung von Megawatt-Brennstoffzellensystemen für den Antrieb von Überseeschiffen unterzeichnet. Ähnliche Projekte gibt es inzwischen auf der ganzen Welt. Die Reederei Aida Cruises hat vor, ab 2021 ein Kreuzfahrtschiff mit Brennstoffzellen zu testen. Der Wasserstoff, mit dem die Brennstoffzelle betrieben wird, stammt dabei aus Methanol.

Die vorliegende Wasserstoffstrategie lässt offenkundig sehr viel zu wünschen übrig:

Rüdiger Paschotta (Autor PR-Energie Lexikon) sagt dazu: „Sie zählt alle möglichen Ansätze auf, mit denen Wasserstoff genutzt werden könnte. Eine umfassende Analyse von deren Vorzügen, Nachteilen und Begrenzungen fehlt jedoch. Man scheint noch gar keine genaue Vorstellung davon zu haben, wie weit man mit den verschiedenen Ansätzen kommen könnte, zu welchem Preis, und ob es anders nicht günstiger ginge. Beispielsweise geht man einfach mal davon aus, dass im Gebäudesektor sicherlich noch ein großer Wärmebedarf bleiben wird, den man vielleicht irgendwie mit Wasserstoff zum Teil abdecken könnte – ohne aber zu prüfen, ob dies überhaupt sinnvoll wäre.

Gänzlich unambitioniert wirkt das Papier auch bei der Frage, woher all der Wasserstoff kommen soll. Man scheint sich nicht einmal so genau dafür zu interessieren, mit welcher Technik er hergestellt werden soll, von wem, und wie er schlussendlich auf verlässliche Weise zu uns kommen soll. Dies, obwohl man anpeilt, den größten Teil der benötigten Mengen zu importieren auf einem Markt, der noch gar nicht besteht. Auch wenn ich persönlich durchaus kein Anhänger einer ganz hohen Priorität für eine möglichst vollständige Energieautarkie bin, halte ich es für sehr problematisch, sich dermaßen auf Importe abstützen zu wollen, wenn entsprechende Angebote noch gar nicht einigermaßen konkret absehbar sind.

Insbesondere bleibt die Berücksichtigung von Effizienz bzw. Energie und Kosten weitgehend auf der Strecke. Dabei sind dies entscheidend wichtige Aspekte für den Erfolg. Die Effizienz bestimmt nämlich direkt die notwendigen Erzeugungskapazitäten, die aber bekanntlich nicht in beliebigem Umfang und zu marginalen Kosten geschaffen werden können. Und die Kosten entscheiden offenkundig ganz wesentlich mit über die Realisierbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz.

Hätte die Regierung einen klaren Plan, wie sie wesentliche Beiträge zur Entschärfung der Klimaproblematik mit einer Wasserstoffstrategie erzielen könnte, würde sie dies sicherlich sehr gerne kommunizieren. Danach sieht es aber leider nicht aus.

Will die Bundesregierung wirklich eine grüne Stromerzeugung?

Was die vorgesehene inländische Erzeugung grünen Wasserstoffs angeht, können wir außerdem nicht übersehen, dass die Prioritäten der Bundesregierung in den letzten Jahren ganz andere waren. Sie gingen dahin, die erneuerbare Stromerzeugung nicht etwa zügig auszubauen, sondern im Gegenteil sogar möglichst kräftig auszubremsen:

Man hat das System der Einspeisevergütung zum guten Teil durch ein Ausschreibungsmodell ersetzt, welches klar absehbar die Planungssicherheit massiv reduzierte, und zusätzliche bürokratische Behinderungen eingeführt, nicht zuletzt auch überzogene Abstandsregelungen für Windenergieanlagen, die die Auswahl an möglichen Standorten ganz massiv eingeschränkt haben. Der Erfolg dieser Politik ist, dass der Ausbau der Windenergie in den letzten Jahren massiv eingebrochen ist, was nebenbei bemerkt auch eine große Anzahl von Arbeitsplätzen betrifft.

Auf ähnliche Weise wurde auch die deutsche Solarwirtschaft ein paar Jahre zuvor massiv geschädigt. Auch hier gingen unzählige Arbeitsplätze verloren, während aber die viel geringere Zahl von Arbeitsplätzen in der Kohlewirtschaft immer wieder mit mahnenden Finger thematisiert wird. Es ist also nicht so, dass die Erhaltung von Arbeitsplätzen stets Priorität hat – es kommt eben darauf an, ob es Arbeitsplätze in den Sektoren sind, die der Regierung (und den Parteispendern?) passen.

Auch um das Problem der zunehmenden Zahl von Solar- und Windanlagen, die demnächst aus der EEG-Förderung ausscheiden, geht die Bundesregierung nicht an. Viele dieser Anlagen könnten schon mit einer recht geringen Einspeisevergütung weiter klimafreundlich erzeugten Strom einspeisen, oder aber durch neue, leistungsfähigere Anlagen ersetzt werden (Repowering). Daran scheint die Regierung aber kein Interesse zu haben.

Es ist also schon nicht mehr direkt lustig, wenn trotz allem im Strategiepapier gesagt wird: “Für den Markthochlauf der Wasserstofftechnologien und deren Export ist eine starke, nachhaltige und zur Energiewende beitragende inländische Wasserstoffproduktion und Wasserstoffverwendung – ein ”Heimatmarkt“ – unverzichtbar. Für eine langfristig wirtschaftliche und nachhaltige Nutzung von Wasserstoff müssen Erzeugungskapazitäten für Strom aus erneuerbaren Energien (insb. Wind und Photovoltaik) konsequent weiter erhöht werden.”

Fazit

Der Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft gehört zu den Lieblingsthemen der Freunde technischer Lösungen – gerne auch mit dem gönnerhaften Hinweis, man verfolge ja das Ziel des Klimaschutzes ganz ernsthaft, nur eben mit intelligenteren Lösungen, eben mit besserer Technik anstatt mit Sparen und Verzicht. So tritt auch die Bundesregierung gerne auf. Jedoch fehlt es sehr an einer ernsthaften Beschäftigung mit der Thematik; was als die neue “Wasserstoffstrategie” gefeiert wird, ist zwar etwas mehr als ein Schulaufsatz, aber leider noch viel weniger als eine solide Komponente einer ernsthaften Energie- und Klimapolitik. Dazu fehlt zum einen die Bereitschaft, den Ausbau der grünen Stromerzeugung zu fördern und nicht etwa massiv zu behindern, und zum anderen eine klare Analyse der theoretischen Optionen und eine sinnvolle Auswahl davon für ein stimmiges Gesamtkonzept. Darüber kann auch ein “Aktionsplan” mit 38 Maßnahmen nicht hinwegtäuschen.

So bleibt Wasserstoff weiterhin ein schönes Instrument für die Erzeugung heißer Luft. Damit werden unrealistische Erwartungen geweckt, wohl um der Bevölkerung vorzugaukeln, man müsse die Regierung einfach so weiter werkeln lassen, und die Probleme würden dann schon irgendwie gelöst, auch ohne irgendwelche Zumutungen für die Wähler. Beispielsweise kann ein Verkehrsminister hier und da öffentlichkeitswirksam die Eröffnung einer Wasserstofftankstelle feiern, um mit diesem Tröpfchen auf einen heißen Stein davon abzulenken, dass er sich mit Händen und Füßen gegen jede substanzielle Änderung stemmt, die für eine wirksame Verkehrswende nötig wäre.

Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass man Lösungsbeiträge mit Wasserstoff vergessen sollte. Am naheliegendsten ist die Einsicht, dass Dutzende von Terawattstunden grauer Wasserstoff, die jährlich bereits verbraucht werden, baldmöglichst durch grünen Wasserstoff ersetzt werden müssten. Der springende Punkt ist hierbei eine zunehmende Erzeugung grünen Wasserstoffs, also umweltfreundlichen Stroms; genau hier liegt auf absehbare Zeit der Flaschenhals und somit auch die Baustelle, an der die Politik arbeiten müsste. Wenn dies einmal geschafft ist, werden weitere Verbrauchssektoren fast von selbst dazukommen, beispielsweise die Stahlindustrie.

Angesichts des schon für die vorhandenen Verwendungsmöglichkeiten viel zu wenig vorhandenen grünen Wasserstoffs sind in etlichen Sektoren der Energiewirtschaft tatsächlich andere Ansätze viel zielführender, insbesondere die weitere Erhöhung der Energieeffizienz und die Elektrifizierung, etwa mit Wärmepumpenheizungen und Elektromobilität. Und wegen der verbummelten Jahrzehnte werden auch erhebliche Beiträge vom Konzept der Suffizienz kommen müssen. Zur Erinnerung: Gerade um unseren Wohlstand weitestmöglich zu bewahren, muss der Klimaschutz unbedingt sehr bald erfolgreich werden – und soweit das nicht rein technisch gelingt, muss Verzicht dazukommen“.

Bleibt hinsichtlich der politischen Entscheider nur noch festzustellen: Nieten in Nadelstreifen!

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Dipl. -Ing. Peter Pospiech
Redaktionsleitung bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schiffsbetriebstechnik, Transport, Logistik, Schiffahrt, Hafen und dem weitreichenden Thema Umweltschutz sowie gesetzliche Auflagen für Antriebsmaschinen.