Der Präsident des Verbands Deutscher Reeder, Alfred Hartmann, im Gespräch mit VEUS-Shipping.
Mit Beginn des Jahres 2015 wurde Alfred Hartmann, der Inhaber der Reedereigruppe Hartmann aus dem ostfriesischen Leer, zum neuen Präsidenten des Verbands Deutscher Reeder (VDR) gewählt. Der heute 68-jährige Kapitän ist seit 1998 Mitglied im Verwaltungsrat des VDR und gehört seit Dezember 2013 dem Präsidium an.
VEUS Shipping: „Sie sind nun seit gut einem Jahr Präsident des VDR. Was hat sich seitdem für Sie in Ihrem Alltag verändert?“
Alfred Hartmann: „In meinem Alltag hat sich insofern einiges verändert, als dass ich viele Termine außerhalb Leers wahrnehme und die Arbeit doch einen bedeutenden Teil meiner Arbeitszeit in Anspruch nimmt.“
VEUS Shipping: „Können Sie das prozentual bewerten?
Alfred Hartmann: „Ich denke schon, dass es 30 bis 40 % sind, die ich für die Verbandsarbeit aufbringe“
VEUS Shipping: „Was bedeutet die Präsidentschaft für Sie?“
Alfred Hartmann: „Als Präsident ist man das Gesicht einer Organisation. Man muss versuchen die Meinungen der Mitglieder zusammenzufassen und am Ende auch ein Ergebnis daraus ableiten, das von allen getragen werden kann. Es gibt viele Themen, mit denen wir uns permanent befassen, beispielsweise die Weiterentwicklung der nationalen, europäischen und internationalen Vorschriften.“
VEUS Shipping: „Was bedeutet das „Ergebnis“ des Klimagipfels von Paris für die Schifffahrt und welchen Herausforderungen in diesem Zusammenhang müssen sich die deutschen Reeder stellen?“
Alfred Hartmann: „Die Staats- und Regierungschefs haben in ihrem Abkommen Schiff- und Luftfahrt ausgenommen. Als internationaler Verkehrsträger lassen sich die Emissionen der Schifffahrt nicht an Staatsgrenzen festmachen. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Branche von der IMO reguliert wird. Wir brauchen rasch ein verbindliches weltweites System zur Sammlung von CO2-Daten aller Handelsschiffe. Wir müssen genau wissen, wie viel CO2 unsere Schiffe tatsächlich emittieren, um dann mit den Regierungen weltweit die nächsten Schritte zu beraten.
Die deutschen Reeder müssen sich, wie auch die internationalen Reeder, darauf einstellen, die Emissionen weiter zu reduzieren. Der Brennstoffverbrauch ist der größte Kostenfaktor beim Schiffsbetrieb. Die Reeder haben deshalb großes Interesse, die Effizienz der Schiffe zu verbessern und dadurch die CO2-Emissionen zu senken. Man darf dabei nicht übersehen, dass die wirtschaftliche Situation vieler Reeder im Moment sehr angespannt ist. Für hohe Investitionen in energiesparender Technik oder alternativen Antrieben fehlen mitunter die finanziellen Mittel.“
VEUS Shipping: „Sind in diesem Zusammenhang Erdgas, oder andere alternative Kraftstoffe, ernstzunehmende Alternativen?“
Alfred Hartmann: „Ich denke wohl, dass Erdgas als der Kraftstoff der Zukunft angesehen werden kann. Wir haben damit die Möglichkeit, die Emissionen drastisch zu reduzieren, nicht nur von CO2, sondern auch von Schwefel-, Stickoxiden und Feinstäuben. Ob sich allerdings der Einsatz von Erdgas bei Bestandsschiffen durchsetzen wird – da habe ich meine Bedenken. Bei Neubauten ist das etwas anderes – hier sind bereits einige Schiffe in Fahrt. Auch wir haben die ersten Schiffe damit ausgerüstet und ich halte Erdgas für eine interessante Alternative, die sich durchsetzen wird.“
VEUS Shipping: „Die Stena-Reederei hat mit Methanol als Kraftstoff sehr gute Erfahrungen gemacht. Wäre das eine Option für Sie?“
Alfred Hartmann: „Ja sicher, wir haben ja zurzeit einen neuen Gastankertyp in Auftrag gegeben der in der zweiten Hälfte 2016 zur Ablieferung kommen soll. Die Antriebsanlage, ein MAN D&T Zweitaktmotor der neuesten Generation, kann nicht nur Schweröl, Gasöl oder Erdgas verbrennen, sondern auch Ethan – und kann dabei sogar das Boil-Off Gas der Ladung nutzen.“
VEUS Shipping: Warum ist es in Deutschland so schwierig die Reederschaft von den Vorteilen des Erdgases zu überzeugen?“
Alfred Hartmann: „Der Ausbau von Erdgas in der maritimen Wirtschaft leidet unter einem – auch in anderen Bereichen – bekannten „Phänomen“: Dem sogenannten „Henne-Ei-Problem“. Auf Erdgas heruntergebrochen heißt das: Ohne aktuelle Nachfrage wird es auch keine belastbare LNG-Infrastruktur (oder Angebot) geben – und umgekehrt. Für beide Seiten sind der finanzielle Anreiz zu niedrig und das unternehmerische Risiko zu hoch um aktiv zu werden. Solange der Vorteil des Erdgas-Einsatzes aufgrund einer unzureichenden LNG-Versorgung nicht realisiert werden kann, werden die Reeder in der aktuell noch angespannten Marktphase aber nicht bereit und nicht in der Lage sein, das volle Investitionsrisiko zu tragen. Ein Neubau mit erdgasbetriebenem Motor kostet etwa ein Viertel mehr als ein herkömmliches Schiff. Deshalb brauchen wir in der Anfangsphase eine öffentliche Förderung, damit sich LNG als Brennstoff durchsetzen kann Und man darf auch nicht vergessen, dass die Mehrkosten bei den Schiffseignern hängen bleiben und zumeist nur die Charterer als Brennstoffkostenträger einen Vorteil aus dem Antriebssystem ziehen könnten. Zudem verhindern rechtliche Hürden, dass LNG-Schiffe in jeden Hafen einlaufen und dort auch bunkern können – dabei machen umfangreiche Sicherheitsvorschriften sowie jahrzehntelange Erfahrung die Schiffe zu den sichersten der Welt. Bisher ist in ganz Europa kein einziges mit LNG angetriebenes Schiff ohne staatliche Zuschüsse in Fahrt gebracht worden. Meiner Meinung nach sollte hier Deutschland als führender maritimer Standort zu den Vorreitern gehören.“
VEUS Shipping: „Welchen Einfluss hat der derzeit günstige Kraftstoffpreis auf notwendige Innovationen in Bezug auf alternative Kraftstoffe, Abgasgrenzwerteverschärfungen und wie sehen Sie die weitere Preisentwicklung (kurzfristig, mittelfristig)?“
Alfred Hartmann: „Der momentan günstige Ölpreis reizt natürlich nicht dazu in alternative Energien zu investieren – das muss man ganz klar sehen, aber wir alle gehen davon aus, dass dieser niedrige Ölpreis dauerhaft nicht durchzuhalten ist. Andererseits haben die neuen Schiffe wesentlich bessere Kraftstoffverbräuche als Schiffe von vor rund 15 Jahren. Auch sind die neuen Schiffe wesentlich effizienter, was zum Beispiel den Schiffsrumpf, den Propeller, die Ruderanlage sowie die Anströmung zum Hinterschiff anbelangt. Berücksichtigen muss man dabei allerdings, dass die älteren Schiffe durch den niedrigen Ölpreis länger in Fahrt bleiben, weil sie wenig Kapitalkosten haben und trotz des höheren Verbrauches immer noch wirtschaftlich betrieben werden können, wirtschaftlicher als ein Neubau der wesentlich höhere Kosten, trotz eines günstigeren Kraftstoffverbrauches, hat und in der momentanen Situation vom Markt nicht aufgefangen werden kann.
Was die Emissionen im Allgemeinen angeht so kann man schon sagen, dass die Schifffahrt weltweit bereits einiges getan hat. So werden über 90 % aller Güter über See transportiert und nach der neuesten IMO-Studie trägt die Seeschifffahrt nur noch zu 2,2 % an den weltweiten CO2-Emissionen bei. Wir können also mit Recht sagen, dass wir, bezogen auf die Transportleistung, das umweltfreundlichste Transportmittel überhaupt sind.
VEUS Shipping: Kürzlich wurde in den Medien berichtet, dass die Bundesregierung die Lage der maritimen Wirtschaft positiv bewertet. Teilen Sie diese Meinung? Erwarten auch Sie, der VDR, mehr Einflaggungen?
Alfred Hartmann: „Wenn alle die zugesagten Maßnahmen, die jetzt in der Pipeline sind, verabschiedet und in Kraft gesetzt werden, dann bin ich schon der Meinung, dass die deutsche Flagge wettbewerbsfähiger wird. Dann wird sich auch für viele deutsche Reeder die Frage stellen „warum nicht unter deutscher Flagge“, denn neben den Kosten, die alle Reeder weltweit berücksichtigen müssen, gibt es derzeit noch starke Unterschiede bei den Lohnnebenkosten.
In Kürze sollen die Reeder die Lohnsteuer für Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge komplett einbehalten können. Durch diese Gesetzesänderung wird endlich ein wesentlicher Kostennachteil für Schiffe unter deutscher Flagge im europäischen und internationalen Vergleich aufgefangen. Es geht darum, in Deutschland für die Beschäftigung hiesiger Seeleute die gleichen Bedingungen zu schaffen, wie sie bei unseren europäischen Nachbarn längst üblich sind.
Der deutsche Seemann ist hervorragend ausgebildet, und es lassen sich genügend junge Menschen für die Seefahrt begeistern. Diese gut ausgebildeten Leute können wir auf technisch hochwertigen Schiffen beschäftigen, weil sie eben auch sehr zuverlässig sind. Kurz gesagt: Wenn wir bei der Flagge weiterkommen, gibt es auch wieder mehr Beschäftigung für deutsche Seeleute.“
VEUS Shipping: Was würden Sie sich hinsichtlich Pressearbeit wünschen?
Alfred Hartmann: Ich würde es begrüßen, wenn sich manche Journalisten noch intensiver mit unseren Themen auseinander setzen würden. Berechtigte Kritik nehmen wir gern an. Aber es ist schade, wenn nicht ausreichend recherchiert wird und Vorurteile und falsche Zahlen einfach übernommen werden. Das ist ein Grund, warum der VDR jährlich Seminare für Journalisten anbietet, in denen wir über die Schifffahrt und unsere Arbeit aufklären. Diese Seminare werden von vielen Tages- sowie auch Fachzeitungen sehr gut angenommen. Unser Ziel ist es, die Belange der Schifffahrt in die Öffentlichkeit zu bringen – und dazu gehört gute und objektive Pressearbeit.
VEUS Shipping: Herr Hartmann, wir bedanken uns für das Gespräch.