Hundert Jahre Ruderpropeller – Fünfundsiebzig Jahre Pod-Antriebe

Zur Geschichte hydrodynamischer Manövrierhilfen

Wird von Schiffen höchste Manövrierfähigkeit verlangt, dann stehen heute für deren Auslegung – je nach Leistungsbedarf – gleich mehrere Lösungen zur Verfügung. Die Bandbreite reicht von kleinen Querstrahlern über Ruderpropeller bis zu Pods mit Leistungen von mehreren Megawatt. Im unteren und mittleren Leistungsbereich konkurrieren Voith-Schneider-Antriebe und Ruderpropeller, im oberen Leistungsbereich spielen die Pods eine dominierende Rolle.

Mit dieser Publizierung wird versucht, den Ursprüngen der Ruderpropeller und der Pod-Antriebe nachzugehen und damit längst vergessene Fakten zur Geschichte der Schiffsantriebe, speziell der hydrodynamischen Manövrierhilfen, in Erinnerung zu bringen.

Frühe Ideen zu Schiffsantrieben mit Manövrierfunktion

Während die Erfindung des Voith-Schneider-Propellers hinreichend bekannt und dokumentiert ist, lassen sich Hinweise auf den Ursprung der Ruderpropeller nur selten finden. Zwar ist es das unbestrittene Verdienst von Josef Becker, dem Gründer der Schottel-Werft, den Ruderpropeller in den 1950er Jahren zum Erfolg gebracht zu haben – erfunden hat er ihn allerdings nicht.

Geht man auf die Suche nach Quellen zur Geschichte des Ruderpropellers, so stößt man unvermeidlich auf die Anfänge der Außenbordantriebe und damit einen ersten Ansatz zum Ruderpropeller. Bei den heutigen Außenbordern handelt es sich um eine Kombination, also eine Einheit von Antriebs-, Propulsions- und Manövriereinrichtung. Trennt man davon die Antriebsmaschine ab, und ordnet sie separat im Schiff an, dann kommt man zum Ruderpropeller.

erster Außenbordmotor der Welt, angetrieben von einem Elektromotor, französisches Patent mit der Nummer 136560,
Der Franzose Gustave Trouvé gilt als der vielseitigste Erfinder elektrischer Geräte seines Landes und erhielt daher auch den Beinamen der französische Edison. Er erfand 1880 den ersten Außenbordmotor der Welt, angetrieben von einem Elektromotor, und erhielt dafür das französische Patent mit der Nummer 136560, erteilt am 8. Mai 1880.

Als Erfinder des Außenbordantriebs gilt der Franzose Gustave Trouvé (1839 – 1902). Ihm wurde am 8. Mai 1880 in Frankreich das Patent mit der Nummer 136560 für einen „gouvernail moteur-propulseur“ erteilt, bestehend aus einem Elektromotor als Antrieb, oben auf ein Ruderblatt gesetzt, einem Propeller, angeordnet in einem Ausschnitt des Ruderblattes, dessen Welle im Ruderblatt gelagert wurde, und einem Kettenantrieb von der Motorwelle zur Propellerwelle. Das war der erste Außenbordantrieb der Welt. Vor knapp 140 Jahren erfunden und bald wieder vergessen. Nachdem sechs Jahre später Verbrennungsmotoren als Bootsantriebe aufkamen und damit die eigentliche Motorisierung der Schifffahrt begann, war die Erfindung Trouvés schnell vergessen. Und es dauerte mehr als hundert Jahre bis man sich dieses Mannes wieder erinnerte und seine zahlreichen Erfindungen auf dem Gebiet der elektrischen Antriebe würdigte [vgl. Desmond, Kevin, Gustave Trouvé, French Electrical Genius (1839 – 1902), Jefferson (USA) 2015].

Ebenfalls als Erfinder des Außenbordmotors wird der US-Amerikaner Ole Evinrude genannt, dem die Idee dazu 1908 gekommen sein soll und der ab 1909 derartige Bootsantriebe serienmäßig in großen Stückzahlen hergestellt und verkauft hat. Diese Zuschreibung kann nur der Vergesslichkeit geschuldet sein. Nachdem das ursprünglich bereits 2012 in Paris erschienene Buch über Trouvé seit 2015 auch in englischer Sprache vorliegt, muss man bei Evinrude wohl die eigene Geschichtsschreibung revidieren.

Das Patent von Victor Graf von Alten von 1919

Den Schritt vom Außenbordantrieb zum Ruderpropeller ‑ im Sinne einer eigenständigen Erfindung ‑ führte vor hundert Jahren Victor Graf von Alten aus. Nach seiner Idee sollte ein Z-Antrieb ­‑ wie heute üblich mit zwei Kegelradpaaren ‑­ in ein Ruderblatt eingebaut und die Propellerwelle in der horizontalen Ebene, unabhängig von der Stellung des Ruderblattes, frei schwenkbar werden.

Dazu setzte er einen Motor auf ein Ruderblatt, durch das er die senkrechte Welle zwischen Überwasser- und Unterwassergetriebe führte und machte so  den Manövriereffekt unabhängig von der Ruderwirkung.

Dafür erhielt von Alten mit dem DRP 326 792 ab dem 11. Oktober 1919 die Schutzrechte für einen „In das Steuerruder eingebauten Außenbordantrieb für Schiffe“. 

Ruderpropeller mit zwei Kegelradantrieben
Ausgehend von den damals schon hinreichend bekannten Außenbordmotoren entwickelte Victor Graf von Alten die ihm 1919 patentierte Idee des Ruderpropellers mit zwei Kegelradantrieben und der unabhängig von der Stellung des Ruderblattes frei schwenkbaren horizontal liegenden Propellerwelle. Quelle: DPMA

Soweit es der Patentschrift zu entnehmen ist, gab es vor seiner Erfindung schon Ausführungen von auf Ruderblättern aufgesetzten Motoren, bei denen – im Gegensatz zu seiner Erfindung – die Propellerwelle nicht relativ zum Ruderblatt geschwenkt werden konnte. Sie war starr am Ruderblatt gelagert. Insofern konnte mit dieser Lösung nicht rückwärts gefahren werden. Standardausführungen des Hecks und der Aufhängung des Ruderblattes schlossen eine Drehung um 180 Grad aus.

Die mit dem Patent von Altens verbundene wesentliche Verbesserung lag folglich darin, dass Ruder und Propellerwelle unabhängig voneinander gedreht werden konnten. Wenn darüber hinaus die Ruderwelle als Hohlwelle ausgebildet wurde, ließ seine Erfindung identische Achsenlagen zu.

Für reine Motorboote konnte grundsätzlich auf das Ruderblatt verzichtet werden. Von Alten ging jedoch davon aus, dass Motoren auch mal ausfallen können und das Fahrzeug dann geschleppt werden müsste. Und unter Segel wäre schließlich ebenfalls eine Ruderwirkung erforderlich.

Josef Becker und der Ruderpropeller

Josef Becker gründete in Spay am Rhein 1921 sein Unternehmen als Handwerksbetrieb und baute bis weit in die 1950er Jahre hinein kleine Boote für die Binnenschifffahrt. Wie es heißt, entlehnte er die Bezeichnung einer Untiefe im Rhein für die Firmierung „Schottel-Werft“. Mit besonderen Formen des Antriebs kleiner Boote beschäftigte Becker sich offenbar erst in den 1940er Jahren (vgl. DBP 822356 und DBP 876817).

Die entscheidenden Arbeiten, auf denen der Erfolg des heutigen Unternehmens beruht, führte Becker in den 1950er Jahren aus und erhielt dafür entsprechende Schutzrechte, bei denen allerdings ganz offensichtlich die Erfindung von Victor Graf von Alten aus dem Jahr 1919 übersehen wurde. Wie auch immer, Becker verhalf damit dem Ruderpropeller – als Kombination von Antriebs- und Manövriereinheit – zum Durchbruch.

Patentzeichnungen des DBP 1025293
Patentzeichnungen des DBP 1025293, das am 22. November 1955 von der Schottel-Werft angemeldet wurde. Quelle: DPMA

Die Anmeldung der Schottel-Werft Josef Becker KG vom 22. November 1955, die zum DBP 1025293 mit dem Titel „Steuerbarer Propellerantrieb für Schiffe mit Außenbordantrieb“ führte, beschreibt prinzipiell denselben Sachverhalt wie das Patent von Altens – einen Außenbordantrieb mit horizontal schwenkbarer Propellerwelle. Das führt zwangsläufig zu der Frage, was das Deutsche Patentamt 1958 an diesem Schutzrecht als neu anerkannte. So ist in der Fachliteratur an einigen Stellen auch nur davon die Rede, Becker habe den Ruderpropeller „auf der Grundlage des bekannten Außenbordprinzips entwickelt“. Irgendwelche Patente werden in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.

Die Erfindung der Pods und des Pleuger-Aktiv-Ruders

Am Anfang der elektrischen Außenbordantriebe, mit in Gondeln unter dem Rumpf am Heck eines Schiffes angebrachten Elektromotoren, steht die Patentanmeldung beim Reichspatentamt in Berlin vom 14. Juni 1944. Offenbar ist kriegsbedingt auf diese Patentanmeldung für die Pleuger-Pumpen KG in Berlin kein Patent mehr erteilt worden, denn mit Wirkung vom 21. Juni 1951 ist unter Bezugnahme auf die Anmeldung von 1944 eine „Bekanntmachung und ausgelegte Anmeldung“ beim Deutschen Patentamt in München dafür erfolgt.

Zuvor war am 19. Dezember 1950 eine Umschreibung der Anmeldung auf die Pleuger KG in Hamburg durchgeführt worden, in der nunmehr Friedrich Wilhelm Pleuger als Erfinder genannt wurde. Voraussetzung dafür war die Erstellung des Gesellschaftsvertrages der neuen Pleuger KG in Hamburg, mit der die Rechte der alten Berliner Gesellschaft auf ihn übergingen. Das deutsche Patentgesuch trug den Titel: „Einrichtung zum Antrieb von Schiffen mittels unter Wasser, außerhalb des Schiffskörpers angeordneter Elektromotoren“. Damit hat Pleuger zweifelsfrei einen Unterwasserantrieb mit in Gondeln untergebrachten Elektromoren beschrieben. Zwar waren diese Gondeln noch nicht schwenkbar, dennoch konnte, besonders bei paarweiser Anordnung, damit manövriert werden, da die Drehzahl der Elektromotoren regelbar und ihre Drehrichtung umsteuerbar war.

Der wichtigste Anspruch lautete: „Einrichtung zum Antrieb von Schiffen mittels unter Wasser außerhalb des Schiffskörpers angeordneter, mit Propellern gekoppelter Elektromotoren, dadurch gekennzeichnet, dass die Antriebsmotoren als Wechselstrom-, vorzugsweise als Drehstrommotoren mit Kurzschlussläufer und flüssigkeitsfester Wicklung ausgebildet sind.“ In den weiteren Ansprüchen wird auf die Unterbringung in schlanken Gondeln, die Regelbarkeit nach Leistung und Drehrichtung sowie die paarweise symmetrische Anordnung zur Schiffsachse abgestellt.

Alle vorausgegangenen Versuche, derartige Antriebe zu realisieren, waren fehlgeschlagen, da als Antrieb Gleichstrommotoren vorgesehen wurden. Es blieb Pleuger aufgrund umfassender Erfahrung mit elektrisch betriebenen Unterwasserpumpen vorbehalten, vom umgebenden Wasser gekühlte Wechselstrommotoren zu verwenden, die zum Erfolg führten.

Den letzten Schritt zum azimutal um 360 Grad schwenkbaren Unterwasserantrieb ging Pleuger wenige Jahre später mit einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika am 19. Februar 1951. Daraufhin wurde am 9. August 1955 das US-Patent Nr. 2,714,866 erteilt. Sein Titel lautet: „Device for propelling a ship“.

Zeichnungen aus dem US Patent 2,714,866
Zeichnungen aus dem US Patent 2,714,866, das Friedrich W. Pleuger und Friedrich F. Busmann am 9. August 1955 erteilt wurde. Quelle: US Patent

Der aus Bonn stammende Friedrich Wilhelm Pleuger war damit seiner Zeit so weit voraus, dass es zu keiner praktischen Anwendung auf einem Schiff kam. Dazu schreibt Friedrich A. Mewis 2001 in der HANSA: „Als im Jahr 1990 das Hilfsschiff ‚Setis‘ mit einem elektrischen Außenbordantrieb (heute: Pod-Drive) der finnischen Firma Azipod als alleiniges Antriebsorgan ausgestattet wurde, ahnte wohl niemand, dass dieses neue Antriebsorgan innerhalb von nur zehn Jahren einen Siegeszug antreten würde, der fast vergleichbar mit der Einführung des Dieselmotors für den Schiffsbetrieb werden sollte.“

Begonnen hatte alles mit Unterwasserpumpen, die von nassen, also wassergefüllten Elektromotoren angetrieben wurden. Zu deren Herstellung gründete Pleuger 1929 in Berlin die F.W. Pleuger GmbH. Erste Erfolge führten zu Großaufträgen für die Lieferung von Unterwasserpumpen, die zur Grundwasserabsenkung und ‑haltung beim Bau von U-Bahnen dienten, zum Beispiel in Berlin und in Moskau. Bald entstand ein Zweigwerk in Greiz (Thüringen). Aufgrund der Kriegsfolgen mit Zerstörung bzw. Enteignung seiner Werke kam Pleuger nach Hamburg und begann in Altona mit einer Reparaturwerkstatt für seine Pumpen. Ein neues Werk im Hamburger Stadtteil Wandsbek konnte 1951 bezogen werden. Damit war der Neustart gelungen.

Die erfolgreichsten Arbeiten Pleugers, die in das hier behandelte Thema passen, sind sein Aktivruder und die vielen Ausführungen der Querstrahler. Nur zur Erinnerung: Letztere sind keine „Ruder“! Sie können ausschließlich einen Impuls, zum Beispiel querab zum Schiff, geben und sind somit die einfachsten dynamischen Manövrierhilfen.

Das Pleuger-Aktiv-Ruder ist unmittelbar von seinem elektrischen „Außenbordantrieb“ gemäß der Patentanmeldung von 1944 abgeleitet. Vermutlich bezog sich der seinerzeitige Vertriebsdirektor von Pleuger, F.J. Zacharias, indirekt auch auf diese Anmeldung und deren spätere Übertragung der Rechte auf Pleuger selbst, wenn er das Jahr der Erfindung mit 1949 angibt.

Skizze des Prinzips und einer Ausführung des Aktiv-Ruders.
Skizze des Prinzips und einer Ausführung des Aktiv-Ruders. Quelle: Pleuger

Der wesentliche Unterschied zwischen Pod-Antrieb und Aktivruder: Im Gegensatz zum Pod, der um 360 Grad geschwenkt werden kann, ist das Antriebsorgan beim Aktivruder in das Ruderblatt eingebaut und kann folglich nur mit diesem geschwenkt werden. Die damit verbundenen Vorteile liegen auf der Hand: Ohne eine Anströmung des Ruderblattes ist eine volle Ruderwirkung zu erzielen. Darüber hinaus bietet das Aktivruder einen voll funktionsfähigen Hilfsantrieb, da sein Schub regelbar ist.

Frachtschiff MS „Irmgard Pleuger“.
Friedrich Wilhelm Pleuger musste erst eigene Schiffe bauen lassen, um die Vorteile seines Aktiv-Ruders als Manövrierhilfe und Notantrieb zu beweisen. Das Frachtschiff MS „Irmgard Pleuger“ führte zum Erfolg. Eingesetzt als Kabelleger konnten damit die außergewöhnlichen Manövriereigenschaften demonstriert werden. Foto: IMM Hamburg

Wie es in der Jubiläumsschrift zum 50-jährigen Bestehen des Unternehmens von 1969 heißt, zeigte sich die Schifffahrt zwar interessiert, übte allerdings die branchentypische Zurückhaltung. Pleuger musste erst eine eigene Reederei gründen und einen 900-t- Fischkutter, den „Pleugerpumpe 2“, mit einem Aktivruder ausrüsten, „um die Verbesserung der schiffbaulichen Manövrierfähigkeit zu beweisen“. Wie es weiter heißt, gelang der Durchbruch erst 1952 mit der Indienststellung der „Irmgard Pleuger“, einem 2200-t-Frachter, der ein 125-PS-Ruder erhielt und erfolgreich als Kabelleger eingesetzt wurde. Wenig später erhielt der 7700-t-Frachter „Falkenstein“ ein Aktivruder mit einer Leistung von 400 PS (in anderen Quellen werden 500 PS genannt).

Abgesehen von den eigenen Schiffen, gehörten die Wasserschutzpolizei Hamburg und die US Navy zu den ersten Kunden, die schon in den 1950er Jahren Schiffe mit Aktivrudern erhielten. Die Referenzliste des Unternehmens ist lang und weist Schiffe mit Leistungen des Aktivruders bis zu 600 PS auf. Den ersten Querstrahler hat Pleuger 1955 für ein Binnenschiff geliefert (Leistung 30 PS).

Schlussbemerkung

Wenn heute Ruderpropeller mit Einzelleistungen bis zu 8 MW und Außenbordantriebe – die sogenannten Pods – bis zu 27 MW angeboten werden, dann sind die Ideen des Grafen von Alten wie die Pionierleistungen von Josef Becker und Friedrich Wilhelm Pleuger leider vergessen. Waren selbst anspruchsvolle Nachschlagwerke in der Vergangenheit in Sachen der Technikgeschichte nicht gerade beispielhaft, so sind die aktuellen Online-Dienste in dieser Hinsicht aufgrund vieler Fehler und falscher Zuschreibungen nicht zitierbar und werden daher für Hochschularbeiten abgelehnt.

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Hans-Jürgen Reuß
Der Autor betreibt ein Pressebüro mit den Schwerpunkten Schifffahrt, Schiffbau, Schiffbauzulieferindustrie und Schifffahrtsgeschichte.