Unter der Überschrift „Der Wasserstoffmotor von DEUTZ ist reif für den Markt“ veröffentlichte der Kölner Motorenhersteller am 12. August 2021 eine Presseinformation, mit der die Felderprobung und der voraussichtliche Beginn der Produktion eines Ottomotors, der mit Wasserstoff betrieben werden kann, angekündigt wurde.
„Marktreif“ ist nicht nur im industriellen Bereich ein gefährliches Wort. Daran haben sich gerade im Verbrennungsmotorenbau schon viele Unternehmer nicht nur die Finger, sondern damit auch viel Geld verbrannt. Das klassische Beispiel hierfür ist Rudolf Diesel, der in einem Jahr fast die Hälfte seines gerade gewonnen Vermögens wieder verloren hat.
Zur Sache: Vor vier Jahren begann eine Zusammenarbeit zwischen der Deutz AG, Köln, und dem in Unterschleißheim bei München ansässigen Entwicklungs-Unternehmen Keyou GmbH, um zunächst einen in Köln serienmäßig hergestellten Dieselmotor für den Betrieb als Ottomotor mit Wasserstoff zu modifizieren. Aufgrund der bei Keyou vorhandenen Erfahrungen im Umgang mit Wasserstoff für die Verbrennung in Motoren, stand nach zwei Jahren bereits ein Prototyp zur Verfügung.
Als Basismotor wurde ein wassergekühlter DEUTZ Sechs-Zylinder-Reihenmotor (Bohrung/Hub 110/136 mm) mit einem Hubraum von 7,8 Liter gewählt, der eine Leistung von 260 kW bei einer Drehzahl von 2.200/min abgeben kann. Ziel war es, einen Motor zu schaffen, der weniger als 1g/kWh Kohlendioxid emittiert, wie dies der EU-Definition für Null-Emission entspricht. Die wesentlichen motorischen Maßnahmen dafür sind heute ein Magergemisch-Verbrennungsverfahren und eine Abgasrückführung zur Reduzierung der unvermeidlichen Stickoxidbildung.
Im Frühjahr 2019 hieß es offiziell, dass DEUTZ und Keyou beabsichtigen, die „bisherige Entwicklungspartnerschaft auszubauen“. Und im Mai des vergangenen Jahres erschien ein umfassender Beitrag in der „Motortechnischen Zeitschrift“ über die Transformation eines Dieselmotors zum Ottomotor auf Basis eines Serien-Dieselmotors der Deutz AG als erstes Beispiel für die Entwicklungsarbeit bei Keyou.
Das ist nun alles „Geschichte“! Die Presseinformation aus Köln hat eine umfassende Recherche ausgelöst, die einen völlig neuen Sachverhalt ergab. Der Ottomotor, mit dem DEUTZ im nächsten Jahr die Felderprobung beginnen und in wenigen Jahren an den Markt gehen will, ist nicht der Motor, den Keyou modifiziert hat, sondern eine Eigenentwicklung des Kölner Unternehmens, so die offizielle Aussage vom 13. August 2021.
Zur Begründung hieß es, die Zusammenarbeit mit Keyou habe nicht zum gewünschten Ergebnis geführt, deshalb habe man mit einer eigenständigen Entwicklung begonnen. Da DEUTZ in den vergangenen Jahren bereits Gas-Ottomotoren entwickelt und hergestellt hat, gab es dafür wohl auch einen ausreichenden technischen Hintergrund.
Der „neue“ Ottomotor von DEUTZ für den Betrieb mit Wasserstoff trägt zwar dieselbe Typbezeichnung wie der alte „TCG 7.8 H2“, ist mit diesem aber noch nicht vergleichbar, da das Unternehmen außer der Leistung keine weiteren technischen Details veröffentlicht hat. Ausgehend vom selben Basismotor werden für die Leistung 200 kW genannt (Keyou 210 kW), also knapp ein Viertel weniger als im Dieselbetrieb.
„Erste Tests auf dem Prüfstand hat das Unternehmen erfolgreich abgeschlossen.“ So die Presseinformation – mit Verlaub, das ist noch keine Marktreife! Prompt versteigt sich der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu der Formulierung „auf dem Prüfstand testierter Marktreife“.
Die Felderprobung wird mit dem Antrieb eines Stromerzeugungsaggregates beginnen. Partner dafür ist das regionale Stromversorgungsunternehmen „RheinEnergie AG“ in Köln, das nicht nur Stromverteiler, sondern auch Stromerzeuger ist.
Die Produktion der Motoren wird voraussichtlich 2024 in Köln erfolgen, eine Entscheidung dazu ist allerdings noch nicht getroffen. Der darin liegende Vorteil wäre der hohe Anteil an Gleichteilen zwischen den heute schon serienmäßigen Dieselmotoren und den künftigen Ottomotoren. Wann mit der Herstellung der Motoren begonnen wird, ist letztlich stark davon abhängig, ob sich ein Markt für die Motoren entwickelt und ob eine ausreichende Infrastruktur für die Bereitstellung des Energieträgers Wasserstoff entsteht.