Inselversorger BALTRUM V erfüllt höchste Umweltstandards im Weltnaturerbe Niedersächsisches Wattenmeer
Die Flotte der Reederei Baltrum-Linie GmbH hat im Februar 2022 umweltfreundlichen Zuwachs bekommen. Das Ro/Ro-Frachtschiff MS BALTRUM V wird zukünftig den Frachtverkehr der Reederei im Bereich der ost- und nord-friesischen Inseln sowie des Niedersächsischen Wattenmeers ergänzen. Das umweltfreundliche Design des Schiffs wurde mit dem Umweltsiegel „Blauer Engel“ ausgezeichnet. Weiterhin hat sich die Reederei dazu entschloßen den synthetischen Dieselkraftstoff GtL (Gas-to-Liquid) aufgrund seiner sauberen Verbrennung in ihren Motoren einzusetzen.
Das in Neßmersiel ansässige Schifffahrtsunternehmen hatte bisher bereits neben seinen vier Fahrgastschiffen die MS BALTRUM II als Frachtschiff zur Ladungsbeförderung im Einsatz. Mit dem Neubau hat die Reederei auf den seit Jahren stetig wachsenden Bedarf für Transportkapazitäten im Inselversorgungsverkehr, aber auch für Projektladungen im Bereich der ostfriesischen Küste reagiert. Die MS BALTRUM V wurde von der Schiffswerften Diedrich, Oldersum, abgeliefert wobei der Rumpf von der Fosenyard, Emden, gebaut wurde. Nach der erfolgreichen Probefahrt am 2. Dezember 2021 folgte die Taufe des Neubaus am 3. Februar 2022.
Ein ostfriesisches Produkt
Jens Schadler, Geschaftsfuhrer der Diedrich-Werft: „Wir haben die Planung, die Konstruktion und den Einkauf in eigener Regie durchgeführt. Das war im Nachhinein betrachtet eine sehr große Herausforderung. Das Besondere an der BALTRUM V ist, dass sie bei sehr geringem Tiefgang auf ebenem Kiel Ladung zwischen Festland und Inseln transportieren kann“, erklärt Schadler. Konkret heißt das: Bei einem maximalen Tiefgang von 1,70 Meter tragt die flache, kraftige BALTRUM V eine Flachenlast von bis zu 14 Kilonewton pro Quadratmeter. „Damit ist sie das einzige Frachtschiff, das an der gesamten Nord- bzw. Ostseekuste Waren transportieren kann“. Eine eigens entworfene Bugrampe ermöglicht es der Reederei, den Be- und Entladungsvorgang an unterschiedliche Wasserstände anzupassen.
Die Kraftstofffrage
Christina Ulrichs, geschäftsführende Gesellschafterin der Reederei Baltrum-Linie, erinnert sich: „Wir haben es uns während der Planungsphase nicht leicht gemacht welchen Kraftstoff wir auf dem Neubau nutzen wollen. Nach eingehender Untersuchung aller möglichen Parameter (Größe des Frachtschiffes, Tiefgang, wohin mit möglichen LNG-Tanks, Gewichtsreduzierung, etc) zwecks Umweltfreundlichkeit sind wir zu dem Ergebnis gekommen GtL (Gas-to-Liquids) zu nutzen” erklärte sie, ”Entscheidend war eigentlich die Tatsache, dass wir die zu wählenden Antriebsmotoren ohne Modifikationen betreiben können, d.h. der Kraftstoff GtL ist als direkter Dieselersatz anzusehen“.
Was ist GtL (Gas-to-Liquids)?
GtL ist ein synthetischer Kraftstoff der aus Erdgas (Methan) gewonnen wird. Im GtL-Verfahren wird Erdgas durch Zufuhr von Sauerstoff und Wasserdampf zu Synthesegas und dieses in einer Fischer-Tropsch-Synthese zu flüssigen Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Daraus kann mit Fraktionierung unter anderem ein hochwertiger Kraftstoff für Diesel- und Ottomotoren gewonnen werden. Diese farb- und geruchlose Flüssigkeit ist völlig schwefelfrei und enthält weder aromatische Verbindungen noch organischen Stickstoff.
Was ist der konkrete Kundennutzen?
Der Kraftstoff GtL selbst verfügt über einige nutzbringende Eigenschaften, welche ihn von herkömmlichem Dieselkraftstoff (EN590) unterscheiden:
- GTL verbrennt sauberer als herkömmlicher Dieselkraftstoff auf Erdölbasis.
- Die hohe Cetanzahl (75-80) bedeutet eine gute Zündwilligkeit und bessere Verbrennungsqualität. Das wiederum bedeutet, geringere lokale Emissionen, weniger Motorlärm und ruhigeren Betrieb der Motoren.
- Die Abgasemissionen werden reduziert: Die NOx-Emissionen um rund 9% gegenüber reinem Dieselkraftstoff, und die Partikel (PM) um rund 50%, CO2 nur marginal.
Jedoch gibt es auch einige wenige Nachteile bei der Verwendung von GTL gegenüber Diesel, die vor allem die Effizienz und den CO2-Ausstoß betreffen.
Um für den Umschlag von Gerätschaften aller Art oder anderen rollenden Lasten flexibel einsetzbar zu sein, verfügt die BALTRUM V über eine hydraulisch zu aktivierende Bugrampe. Ein rund 20 Meter langer und mehr als 7 Tonnen schwerer, so genannter Ankerpfahl installiert im Achterschiff, macht das Schiff unabhängig von Vorrichtungen an Land sich positionieren zu können.
Bei der Wahl der Antriebsanlage hat sich das Unternehmen auf die bereits auf anderen Schiffen gemachten guten Erfahrungen, mit Motoren von Scania konzentriert. Angetrieben wird das 53,04 Meter lange, 12,60 Meter breite und beladen 1,70 Meter tief gehende Schiff von zwei Reihen-Sechszylinder Dieselmotoren vom Typ DI13 092M, die ihre Leistung von je 405 kW bei 1.800/min über TwinDisc-Getriebe an die beiden freischlagenden Festpropeller abgeben. Mit diesen Abmessungen erreicht die BALTRUM V eine Tragfähigkeit von etwa 340 Tonnen. Ein Dreikanal-Bugstrahler, Typ Veth-Jet, von dem niederländischen Spezialisten für Manövriereinrichtungen, VETH Propulsion, unterstützt die Schiffsführung in den engen Fahrwassern und Häfen. Der Bugstrahler wird dieselmechanisch von einem weiteren Scania-Dieselmotor DI13 (386 kW bei 1.800/min), angetrieben.
Der relativ hohe elektrische Bedarf auf dem Versorger wird mit zwei Elektro-Aggregaten von AGCO Power sichergestellt. Die beiden Antriebsmotoren bestehen aus Reihen-Vierzylinder Dieselmotoren vom Typ 49 DTAG und leisten jeweils 90 kW bei 1.500/min.
Erfüllen die Haupt- und Hilfsmotoren von Haus aus bereits die aktuellen Abgasgesetzgebungen, so war das für die Reederei nicht genug: Eine spezielle Abgasnachbehandlungsanlage (ANB), eine SCR-Anlage (Selective Catalytic Regeneration), reduziert die Stickstoffoxid-Emissionen (NOx) mittels Verwendung von Urea-Eindüsung in den Abgasstrom.
Ein entscheidender Faktor bei allen Reederei-Aktivitäten ist, neben der Technik, der Mensch. Auch hier ist die Baltrum-Linie gut aufgestellt. Die erfahrenen Besatzungen kennen ihre Schiffe bis ins letzte Detail; sie wissen genau, welche Anforderungen Wind- und Wetterverhältnisse, Strömung, Tide oder der gesamte Schiffsverkehr im Nationalpark Wattenmeer stellen können. Kapitän des Inselversorgers BALTRUM V, Sören Lehmann: ”Das Fahrtgebiet zwischen Neßmersiel und Baltrum hat es in sich: die Fahrrinne ist teilweise sehr eng und außerdem, je nach Tide, sehr flach. Das bedeutet für uns erhöhte Aufmerksamkeit”.
Neben der Schiffssicherheit wird auch das Thema Umweltschutz großgeschrieben: beispielsweise sind alle Schiffe mit einem umweltverträglichen Unterwasseranstrich versehen, alle Abwässer und Abfälle werden an Bord gesammelt und täglich an Land fachgerecht entsorgt.
Zurzeit gibt es rund 13.000 Blaue Engel-Produkte von rund 1.200 Unternehmen in 120 verschiedenen Produktgruppen. Nur die aus Umweltsicht besten Waren und Dienstleistungen einer Produktgruppe erhalten den Blauen Engel. Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit garantieren die Jury Umweltzeichen, das Bundesumweltministerium, das Umweltbundesamt und RAL gGmbH. Mitglieder der Jury Umweltzeichen sind BDI, BUND, DGB, HDE, NABU, vzbv, ZDH, Stiftung Warentest, Medien, Kirchen, Wissenschaft, der Deutsche Städtetag und Bundesländer.
Die Klassifikationsgesellschaft Lloyds Register (LR) begleitete während der gesamten Planungs- und Bauphase den Neubau und vergab der BALTRUM V schließlich den Klassestempel: LR, Roll on Roll off, Cargo Coastal Service, * IWS, LMC, UMS