Nachdem schon im Jahr 2020 die Corona-Krise in Asien zu Produktions- und Lieferunterbrechungen geführt hatte, hat im März 2021 die knapp einwöchige Blockade des Suezkanals durch den auf Grund gelaufenen Container-Frachter EVER GIVEN weitere Störungen im weltweiten Container-Schiffsverkehr bewirkt. Nunmehr ist die weltweite Container-Schifffahrtslogistik mit einer noch größeren Krise konfrontiert: nach einem Ausbruch des Corona-Virus in der südchinesischen Provinz Guangdong, insbesondere unter Hafenarbeitern des wichtigen Container-Hafens Yantian, erfolgt dort die Container-Abfertigung nur im „Schneckentempo“, an einzelnen Tagen gab es einen totalen Stillstand (obwohl die chinesischen Behörden rasch scharfe Maßnahmen zur Überwindung der Epidemie ergriffen hatten).
Normalerweise werden in dem nördlich von Hongkong gelegenen Yantian, dem nach Shanghai, Singapur und Ningpo viertgrößten Container-Hafen der Welt, pro Woche etwa 40 Container-Frachter abgefertigt. Derzeit ist dieser Betrieb auf etwa die Hälfte zurück gegangen. Bis zu 90 Frachter lagen um die Juni-Juli-Wende dort auf Reede, die Lieferverzögerungen bei vielen Vor- und Endprodukten haben bereits auf Industrien und Einzelhandel in Europa übergegriffen. In der Industrie klagt man über Mangel bei Chips, Notebooks und Monitoren; Sport- und Elektronikhandel warten auf bestimmte Produktgruppen, Möbelriesen, z.B. IKEA, sehen sich gezwungen, in Europa ihr Angebot zu reduzieren. Andere Firmen bereiten ihre Kunden darauf vor, dass einzelne Waren zeitweise ausverkauft sein werden.
Für die Konsumenten hat bzw. wird dies zur Folge haben: weniger Artikel in Regalen, längere Wartezeiten bei Produkten und – last but not least – höhere Preise derselben. Handels- und Verkehrsexperten halten die gedrosselten Abfertigungen in Yantian für eine größere Gefahr für die internationale Schifffahrtslogistik und den Welthandel als die „eher überschau- und kontrollierbare“ Strandung der EVER GIVEN im Suezkanal. Ein hoher Vertreter im österreichischen Versandhandel sprach sogar von der „derzeit größten Schifffahrtskrise seit dem Zweiten Weltkrieg als Folge der aktuellen Krisensituation im Schiffsfrachtverkehr. Allein in Österreich kämpfen rund 78 Prozent der Händler mit Lieferverzögerungen und –ausfällen aus Asien.
Aus Asien kommen heute 90 – 95 Prozent der Waren auf dem Seeweg, was die negativen Auswirkungen der derzeitigen Logistikkrise unterstreicht. Schiffe sind unersetzbar, heiß es dazu. Angesichts ihrer Kapazität 20.000 bis 24.000 Container an Bord zu nehmen, werden Container-Frachter in naher Zukunft also kaum an Relevanz verlieren. Züge können höchstens etwa 100 Container befördern, der Transport per Flugzeug ist weit teurer. Trotzdem erwarten Bahnexperten in Österreich angesichts der durch die Pandemie bedingten Preisrekorde in der Luftfahrt und der Kapazitätsengpässe bei der Container-Schifffahrt mit einer Verdoppelung, ja sogar einer Verdreifachung der auf dem Bahnweg transportieren Containermenge bis zum Jahr 2030. Verwiesen wurde auch auf die klimapolitische Bedeutung der Container-Bahntransporte von Asien nach Europa.
Hingewiesen wurde von den Experten auch darauf, dass die Preise für 40-Fuß-Container aus China von früher 1.250 – 1.500 Euro seither auf bis zu 10.000 Euro gestiegen seien, sich also fast verzehnfacht hätten. Ein Steigen der Inflation ist damit vorprogrammiert. Manifestiert werde damit auch die wirtschaftliche Abhängigkeit von China.
Ab August verlassen Waren für das Weihnachtsgeschäft asiatische Häfen – Reeder witterten wegen der Engpässe bereits gute Geschäfte – die Containerpreise also „nach oben offen“ seien. Auch wenn manche Unternehmer gewisse Waren nicht überstellen, um exorbitante Preissteigerungen nicht an Kunden weiter zu geben, werde man sich auch in Österreich darauf einstellen müssen, dass viele Produkte aus Fernost in den kommenden Monaten deutlich teurer werden, unter Umständen bis zu 20 Prozent. Diese Problematik werde sich noch bis in das 2022 ziehen wegen der starken Zunahme der weltweiten Nachfrage. Chiphersteller rechnen erst 2023 mit einer Normalisierung der Lage auf Grund der aktuellen Engpässe. Betont wird von den Experten angesichts der „Verletzbarkeit“ die Notwendigkeit einer Neukonzipierung der Logistik, sowie des Aufbaues kontinentaler Lieferketten.
Suezkanalgesellschaft meldet in erster Jahreshälfte 2021 Rekordumsätze.
Der Containerfrachter EVER GIVEN, nach seinem Auflaufen im Suezkanal im März und nach der gelungenen Wiederflottmachung fast eine Woche später, war von den ägyptischen Behörden erst nach langen Verhandlungen über die Entschädigungssumme für die Kanalgesellschaft freigegeben worden. Er konnte dann seinen Bestimmungshafen Rotterdam anlaufen.
Trotz dieses Zwischenfalles hat die Kanalgesellschaft in der ersten Jahreshälfte 2021 einen Rekordumsatz erzielt. Von Jänner bis Juni durchfuhren mehr als 9.700 Schiffe die Wasserstraße, fast 200 mehr als im Vergleichszeitraum 2020. Die Gesellschaft erzielte in dem genannten Zeitraum von 2021 einen Umsatz von rund 3 Mrd. USD (etwa 2,5 Mrd. Euro) – ein Anstieg um 8,6 Prozent gegenüber 2020. Es war nach den Worten des Präsidenten der Kanalgesellschaft, Usama Rabi, der höchste Umsatz in der 152-jährigen Geschichte des Kanals, der eine der wichtigsten Einnahmequellen für Ägyptens Volkswirtschaft bildet.