MS NORDLICHT II während der Probefahrt – hier werden gerade die Jets getestet
MS NORDLICHT II während der Probefahrt – hier werden gerade die Jets getestet (Bild: Incat Crowther)

AG EMS bestellt, MAN liefert und Penguin baut

”Wir fahren umweltfreundlich…”

Das Wattenmeer erstreckt sich über 500 km entlang der Nordseeküste Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande. Es ist das weltweit größte zusammenhängende System von Sand und Schlick. Die UNESCO hat es 2009 zum Weltkulturerbe erklärt. Das Wattenmeer zu schützen, stellt Schiffsbetreiber und Reedereien vor Herausforderungen: Sie müssen ihre Verantwortung für besseren Schutz der Umwelt in Einklang bringen mit der Beförderung von jährlich rund einer Million Touristen.

Vor diesem Hintergrund hatte die in Emden beheimatete Reederei AG EMS nach einer internationalen Ausschreibung einen Bauauftrag für ein Schnellschiff an die Penguin Werft in Singapur vergeben. Der Bau des Schiffes erfolgte dann im Wesentlichen bei dem Tochterunternehmen der Penguin-Weft in Batam / Indonesien. Endausrüstung und Testfahrten wurden wiederum in Singapur durchgeführt.

Für die Penguin-Werft ist es ein Vorzeige-Objekt, da es nicht nur durch Form und Technik, sondern insbesondere auch durch eine exklusive Ausstattung überzeugt. Viele der verbauten Materialien sind Zulieferungen aus den USA sowie Europa bzw. Deutschland, wie etwa die MAN-Motoren oder auch der für die Unternehmensgruppe entworfene Teppichboden aus den Niederlanden.

Die als Katamaran von dem englischen Ingenieurbüro „Incat Crowther konstruierte Fähre, wird auf der Nordsee zwischen Emden und Borkum, Cuxhaven und Helgoland sowie zwischen Büsum und Helgoland pendeln.

Die Kraftstofffrage

Der Fahrtstand ähnelt einer Flugzeugkanzel
Der Fahrtstand ähnelt einer Flugzeugkanzel (Bild: Incat Crowther)

Claus Hirsch, Superintendent und Prokurist der AG EMS, erinnert sich: „Wir haben es uns während der Planungsphase nicht leicht gemacht welchen Kraftstoff wir auf dem Neubau nutzen wollen, zumal wir mit unserer mit Methan betriebenen Inselfähre OSTFRIESLAND, und bald auch mit unserer MÜNSTERLAND, seit ihrer Wiederinbetriebsetzung in 2015 nur beste Erfahrungen gemacht haben und mit dem genutzten Methan die CO2-Emissionen kräftig reduziert haben“.

”Nach eingehender Untersuchung aller möglichen Parameter (relative Größe des Katamarans, Tiefgang, wohin mit möglichen LNG-Tanks, Gewichtsreduzierung, etc)  zwecks Umweltfreundlichkeit sind wir zu dem Ergebnis gekommen GtL (Gas-to-Liquids) zu nutzen” erklärt Claus Hirsch, ”Entscheidend war eigentlich die Tatsache, dass wir die zu wählenden Antriebsmotoren ohne Modifikationen betreiben können, d.h. der Kraftstoff GtL ist als direkter Dieselersatz anzusehen. Und so haben wir uns für die seit Jahren im Einsatz befindlichen Serienmotoren 175D des deutschen Motorenherstellers MAN Energy Solution entschieden“.

Der Antrieb

Einer der beiden Hauptantriebe (MAN 175D) leistet 2.960 kW
Einer der beiden Hauptantriebe (MAN 175D) leistet 2.960 kW (Bild: P.Pospiech)Einer der beiden Hauptantriebe (MAN 175D) leistet 2.960 kW (Bild: P.Pospiech)

Das Antriebskonzept besteht aus zwei Sechszehnzylinder MAN-Dieselmotoren vom Typ 16V 175D-MM, die ihr maximales Drehmoment von je 14.900 NM über je ein ZF-Untersetzungsgetriebe auf je einen Hamilton Waterjet HT810 übertragen. Als Bordstromerzeuger hat sich das Unternehmen für zwei Caterpillar-Dieselmotoren des Typs C7.1 entschieden. Die Antriebsorgane wurden in den beiden Schwimmkörpern untergebracht.

Die MAN-Motoren aus der Serie 175D für die verschiedenen Anwendungen, verfügbar als 12-, 16- und 20-Zylinder V-Versionen, liefern Leistungen zwischen 1.500 und 4.400 kW, entsprechend 125 kW bis maximal 220 kW pro Zylinder in der jeweiligen Anwendungsgruppe.

Blick auf das ZF-Untersetzungsgetriebe
Blick auf das ZF-Untersetzungsgetriebe (Bild: P.Pospiech)

Die installierten 175er haben einen Hub von 215 mm und eine Bohrung von 175 mm und damit ein Hubvolumen pro Zylinder von 5,2 Liter. Sie arbeiten mit Vierventiltechnik und Direkteinspritzung über ein Common-Rail Einspritzsystem mit optimaler Abstimmung auf das Einspritz- und Regelsystem. Die guten Gesamtwirkungsgrade bei dieser Baureihe nehmen auch einen positiven Einfluss auf den niedrigen Kraftstoffverbrauch, die letztendlich auf konstruktiven Details im Einspritzsystem basieren. Standardmäßig sind diese Motoren für den Betrieb mit Dieselkraftstoff ausgelegt. Mit der gewählten Leistungseinstellung von 2.960 kW werden Zylinderleistungen von 185 kW und einem effektivem Mitteldruck von 22,47 bar gefahren.

Laut MAN ES erfüllen die Motoren 175D die Abgasemissionsgrenzwerte nach TIER III mit dem von MAN eigens entwickeltem Abgasnachbehandlungssystem. In dem hier vorliegenden Einsatz werden die Grenzwerte nach TIER II erfüllt. BV vergab der NORDLICHT II den Klassifikationsstempel: BV I + Hull + Mach HSC Cat A Sea Area 3

Keine Kompromisse bei Betrieb und Wartung

Eines der beiden E-Aggregate Cat 7.1
Eines der beiden E-Aggregate Cat 7.1 (Bild: P.Pospiech)

Die technische Betreuung liegt in den Händen der AG EMS. Absolute Zuverlässigkeit und möglichst günstiger Kraftstoffverbrauch sind die vorrangigen Ziele der technischen Inspektion der AG EMS bei der Betreuung der Fähren.

Was ist GtL (Gas-to-Liquids)?

GtL ist ein synthetischer Kraftstoff der aus Erdgas (Methan) gewonnen wird. Im GtL-Verfahren wird Erdgas durch Zufuhr von Sauerstoff und Wasserdampf zu Synthesegas und dieses in einer Fischer-Tropsch-Synthese zu flüssigen Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Daraus kann mit Fraktionierung unter anderem ein hochwertiger Kraftstoff für Diesel- und Ottomotoren gewonnen werden. Diese farb- und geruchlose Flüssigkeit ist völlig schwefelfrei und enthält weder aromatische Verbindungen noch organischen Stickstoff.

Was ist der konkrete Kundennutzen?

Der Kraftstoff GtL selbst verfügt über einige nutzbringende Eigenschaften, welche ihn von herkömmlichem Diesel unterscheiden:

  • GTL verbrennt sauberer als herkömmlicher Dieselkraftstoff auf Erdölbasis.
  • Durch den deutlich niedrigeren Schwefelgehalt produziert GTL weniger lokale Emissionen (Stickoxide (NOx), Schwefeloxide (SOx) und weniger Particulate Matters (PM).
  • GTL ist nahezu geruchlos und hat ein wasserähnliches Aussehen im Gegensatz zum gelblichen Diesel.
  • Die hohe Cetanzahl (75-80) bedeutet eine gute Zündwilligkeit und bessere Verbrennungsqualität. Das wiederum bedeutet geringere lokale Emissionen, weniger Motorlärm und ruhigeren Betrieb der Motoren.
  • Der Kraftstoff ist ungiftig und biologisch abbaubar.
  • GTL verfügt über gute Kälteeigenschaften aufgrund seiner Isoparaffine und sehr gute Zündwilligkeit im Winter wegen seiner hohen Cetanzahl. So ist ein reibungsloser Betrieb auch im Winter gesichert.
  • Mit einem unerheblichen Aromatengehalt von maximal 1%m (zum Vergleich: schwefelarmer Diesel hat 26–30 %m) ist GTL praktisch frei von ungesättigten Molekülen wie Olefinen (Alkenen) und Aromaten, wie sie in herkömmlichen Kraftstoffen vorkommen.
  • Aufgrund der sauberen Verbrennung wird das Motorenschmieröl weniger mit Rußpartikeln verunreinigt, und dadurch bleibt der Motor sauberer: Die Wartungsintervalle können verlängert werden.
  • Die Abgasemissionen werden reduziert: Die NOx-Emissionen um rund 9% gegenüber reinem Dieselkraftstoff, und die Partikel (PM) um rund 50%, CO2 nur marginal.

Jedoch gibt es auch einige wenige Nachteile bei der Verwendung von GTL gegenüber Diesel, die vor allem die Effizienz und den CO2-Ausstoß betreffen:

  • Eine etwas geringere Effizienz als herkömmlicher Diesel wegen niedrigerer Energiedichte
  • Ein leicht höherer CO₂-Ausstoß von Well-to-Wheel im Vergleich zu herkömmlichem Dieselkraftstoff
  • „Er ist zwar etwa 5 – 10% teurer als normaler Dieselkraftstoff, aber wir glauben, dass wir die Mehrkosten über die verlängerten Wartungsintervalle auffangen können. Wir sind ja nicht die einzigen in Deutschland die ihre Schiffe mit GtL betanken: In Hamburg nutzt beispielsweise die Fa. Hamburg Flotte GtL für ihre Wasserfahrzeuge bestehend aus Feuerlöschbooten, Baggern und Schuten“ schließt Hirsch das Gespräch ab.

Bleibt die Frage offen ob die Reederei mit dieser Wahl des Kraftstoffes zufrieden ist?

Der Katamaran

Blick auf die Propulsionsanlage mit Hamilton-Jet und dem Trim-Tab
Blick auf die Propulsionsanlage mit Hamilton-Jet und dem Trim-Tab (Bild: AG EMS)

An Bord stehen auf zwei Decks in drei Salonbereichen insgesamt 450 Sitzplätze zur Verfügung, die mit sehr komfortablen Sitzen der Firma West Mekan aus Norwegen ausgestattet sind. Auf dem Hauptdeck und auf dem Oberdeck befinden sich 354 Sitzplätze der „Comfort Class“ und im vorderen Bereich des Oberdecks stehen in der „Captains Class“ weitere 96 Sitzplätze zur Verfügung. Alle Sitzgruppen, die nicht direkt am Fenster liegen, sind als Vis-a-Vis-Plätze mit großzügigen Tischen ausgestattet. In der „Captains Class“ soll künftig Service am Platz geboten werden, aber auch in allen anderen Bereichen sind gastronomische Leistungen erhältlich. Weiterhin befinden sich zusätzlich 54 Sitze und Tische auf dem freien Sonnendeck.

Insbesondere die Überfahrten Cuxhaven-Helgoland und Büsum-Helgoland können schon mal, aufgrund heftiger Wellenbewegungen, sehr unruhig werden. Um dem entgegenzuwirken hat die Reederei ein Bewegungsdämpfungssystem eingebaut, welches von dem US-amerikanischen Unternehmen NAIAD DYNAMICS geliefert wurde. Das Dämpfungssystem besteht aus zwei T-Foils im Vorschiff und zwei Heckfoils in der horizontalen Ebene am Heckspiegel. Die Definition von vier Steuerflächen ermöglicht eine Bewegungsdämpfung bei Stampf-, Hebe- und Rollbewegungen – und dem Passagier eine relativ ruhige Überfahrt.

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Dipl. -Ing. Peter Pospiech
Redaktionsleitung bei VEUS-Shipping.com mit Schwerpunkt Schiffsbetriebstechnik, Transport, Logistik, Schiffahrt, Hafen und dem weitreichenden Thema Umweltschutz sowie gesetzliche Auflagen für Antriebsmaschinen.